Bericht vom Gedenken anlässlich des 78. Jahrestages der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald

Kein Vergeben, kein Vergessen.

Jedem das Seine – Karl Schnog (1943)

Die Herren haben wirklich Humor
In diesen bitteren Zeiten:
JEDEM DAS SEINE“ steht höhnisch am Tor; Durch das die Häftlinge schreiten.

So leuchtet, erhaben und arrogant,
Was sie an das Höllentor schmieden.
Uns ist auch ohne das Sprüchlein bekannt, Was jedem im Lager beschieden:

Dem Häftling das Stehen in Sonne und Sturm, Erfrieren und klatschende Güsse.
Dazu vom todesdrohenden Turm
Das ernste Versprechen der Schüsse.

Den Henkern die Ehre, der schmackhafte Schmaus, Das Gleiten auf federnden Felgen;
Die Ruhe und das behagliche Haus,
Die Wollust, die Macht und das Schwelgen.

Dem Häftling der Hunger, die Angst und die Last, Die Marter, die viehischen Witze;
Das Essen, das Baden, das Schlafen in Hast
Und schließlich die mordende Spritze.

Ihr Herren, die ihr heute noch grient, Glaubt mir, was ich schwörend beteure: Einst holt sich der Häftling, was er verdient. Und Ihr? Ihr bekommt dann das Eure!

Am 11. April 1945 befreiten sich die Häftlinge von Buchenwald unter Führung des Internationalen Lagerkomitees (ILK) und erlangten ihre Freiheit. 56.000 Menschen, die ebenfalls in Buchenwald inhaftiert waren, erlebten diesen Tag nicht mehr, sie fielen dem Terror der Faschisten zum Opfer.

Wir nahmen als Kommunistische Organisation diesen Jahrestag zum Anlass, der Toten und Überlebenden dieser Barbarei und ihres Widerstands zu gedenken.

Das Konzentrationslager Buchenwald war das Hauptlager eines ganzen Lagersystems mit insgesamt über 130 Außenlagern und Kommandos. Buchenwald war ein Arbeitslager. 1937 mussten die Häftlinge es selbst errichten. Sie mussten hier entweder im Steinbruch arbeiten oder in den Gustloff-Werken, einem Rüstungsbetrieb. Sie waren nicht zu ihrer Vernichtung inhaftiert worden, aber dennoch nahmen die Faschistischen Schergen den Tod der Häftlinge stets billigend in Kauf.

In den Konzentrationslagern, die flächendeckend in Deutschland und den besetzten Gebieten errichtet wurden, entwickelten sich verschiedene Formen des Widerstandes. In Buchenwald wurde dieser Widerstand von Kommunisten organisiert. Das ILK, das sich aus Kommunisten verschiedener Länder zusammensetzte, war der Kopf des Widerstandes. Der Kommunist Walter Bartel trug als Lagerältester im System des Widerstandes große Verantwortung. Er war für die SS jederzeit greifbar und somit ständig in Gefahr. Er gehörte zu den Überlebenden des Lagers und war als Zeitzeuge später immer dem Auftrag verpflichtet, die Gräueltaten des Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Auf den Tag der Selbstbefreiung bereiteten sich die Genossen lange und sorgfältig vor.

Die Tatsache, dass die Häftlinge in den Gustloff-Werken Zwangsarbeit verrichten mussten, ermöglichte den Schmuggel von Waffenteilen ins Lager. Hier zeigten kampferfahrene Genossen anderen Häftlingen, wie man eine Waffe bedient. Aber der Widerstand hatte noch andere Gesichter: Die Tatsache, dass das Lager sich in Selbstverwaltung der Häftlinge befand – selbstredend gerahmt von den Faschisten –, unterstützte den Widerstand. So war es beispielsweise möglich, ein Telefonnetz zu installieren, von dem die Faschisten keine Kenntnis hatten. Das ermöglichte, vor Repressionen der SS zu warnen, aber auch gesuchte Personen rechtzeitig verschwinden zu lassen. Auf diese Weise blieb auch Bruno Apitz am Leben, der später den Roman „Nackt unter Wölfen“ schrieb, in dem anhand der Rettung des Kindes Stefan Jerzy Zweig durch die politischen Häftlinge schildert. Apitz Roman gilt bis heute als authentische Schilderung des Lagerlebens. Insgesamt gelang es dem kommunistischen Widerstand, das Leben von 900 Kindern zu retten.

Zwei Genossinnen führten uns über die Gedenkstätte und zeichneten die Geschichte des Lagers von seinem Aufbau bis zur Selbstbefreiung nach. Im Hof des Krematoriums gedachten wir am Ort seiner Ermordung im August 1944 des Genossen Ernst Thälmann, Sohn und Vorkämpfer der deutschen Arbeiterklasse. Zum Abschluss besuchten wir den Glockenturm, ein beeindruckendes Denkmal, das in den 1950er Jahren in der DDR errichtet wurde, mitsamt der über das Weimarer Land blickenden Häftlingsgruppe aus Bronze von Fritz Cremer.

Der schlechte Zustand des Gedenkortes, den die deutsche Arbeiterklasse ihren in Buchenwald inhaftierten Klassengeschwistern und Genossen gewidmet hat, verweist auf die selektive Gedenkkultur, die die BRD immer schon an den Tag gelegt hat. So sind die Namenstafeln an den Massengräbern zunehmend unkenntlich, als solle Gras über das Andenken wachsen. Der kommunistische Widerstand soll kleingeredet werden, wie auch der Faschismus als Betriebsunfall der Geschichte, die faschistischen Verbrechen als moralischer Fehlgriff verstanden werden sollen. Die bundesdeutsche Geschichtsvergessenheit spiegelt sich selbstverständlich nicht nur an einem Ort wie Buchenwald, so hofieren deutsche Regierungspolitiker seit 2014 immer wieder Faschisten in der Ukraine, um nur ein aktuelles Beispiel anzuführen.

Im Schwur der Buchenwalder lesen wir: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“ Mit dem Aufbau des Sozialismus in der DDR wurde diese Aufgabe unter Mitarbeit von Buchenwald-Überlebenden verwirklicht, die Konterrevolution machte diese Welt der Freiheit und des Friedens zunichte. Heute müssen Menschen, die die Hölle von Buchenwald überlebten, miterleben, wie faschistische Bewegungen Aufwind haben.

Wir ehren die Opfer und den Widerstand von Buchenwald, indem wir weiter kämpfen: indem wir von ihrem Mut, ihrer Solidarität und ihrer Beharrlichkeit lernen, uns organisieren und alles dafür tun, dass der Faschismus mitsamt seiner Wurzel, dem kapitalistischen Ausbeutungssystem, zerstört wird. Für uns gilt:

Kein Vergeben, kein Vergessen!

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