Die Bourgeoisie im imperialistischen Weltsystem

Finanzkapital, finanzkapitalistische Herrschaftsverhältnisse und die sogenannte „Kompradorenbourgeoisie“

Von Thanasis Spanidis

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Zusammenfassung des Artikels in Kurzthesen:

  • Im heutigen Kapitalismus hat sich das monopolistische Finanzkapital als dominierender Kapitaltyp weltweit durchgesetzt. Auch Industriemonopole sind eine Form des Finanzkapitals, auch in ihnen ist das Kapitaleigentum vom fungierenden Kapital getrennt und sie realisieren einen großen Teil ihrer Profite über Finanzoperationen.
  • Thesen, wonach das imperialistische Weltsystem heute unipolar durch die USA beherrscht ist, sind nicht haltbar. Die Argumentation, dass US-amerikanische Vermögensverwalter und institutionelle Investoren eine weltbeherrschende Rolle spielen würden und damit alle anderen Länder in eine einseitige Abhängigkeit von sich drängen, sind mindestens stark übertrieben und halten einer Überprüfung nicht stand.
  • Der Begriff der „Kompradorenbourgeoisie“ ist völlig ungeeignet, um die Bourgeoisie in schwächeren Ländern des imperialistischen Weltsystems zu charakterisieren. Auch in diesen Ländern herrscht das Monopolkapital und dieses geht, um seine eigenen Profitstrategien zu verfolgen, auf globaler Ebene Verbindungen auf Grundlage ungleicher gegenseitiger Abhängigkeit mit anderen finanzkapitalistischen Monopolen ein. Dadurch verliert es aber nicht seine Eigenständigkeit und wird auch nicht zum bloßen Anhängsel der ausländischen Monopole. Die Kategorie der „Kompradorenklasse“ stammt hingegen aus dem Kontext der Kolonialherrschaft und bezog sich entweder auf vorkapitalistische herrschende Klassen oder auf nicht-monopolistisches Kapital, das als bloßer Vermittler ausländischer Monopole agierte.
  • Eine nähere Betrachtung der russischen Kapitalistenklasse im Besonderen untermauert diesen Punkt: Auch hier handelt es sich nicht um eine „Kompradorenbourgeoisie“, sondern um entwickeltes Monopolkapital. Weder agiert es als Vermittler der ausländischen Monopole noch ist es in besonderem Maße von diesen abhängig. Vielmehr hat sich seine Abhängigkeit in den letzten Jahren gerade als Folge des Konflikts mit dem Westen deutlich reduziert. Das russische Kapital ist dennoch aktiv in den internationalen Kapitalverkehr eingebunden. Die Auffassung vom russischen Kapitalexport als bloßer „Kapitalflucht“ ist falsch und beruht auf einem unzureichenden Verständnis des Kapitalverkehrs.
  1. Einleitung

In den Diskussionen um die Bewertung des Krieges in der Ukraine geht es von Anfang an nicht nur um den Krieg, sondern um die Analyse des Imperialismus. Dass dies so ist und auch nicht anders sein kann, liegt auf der Hand, wenn man die Diskussionsbeiträge der letzten Monate liest: Die Einordnung des Krieges hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Handeln Russlands als das einer rivalisierenden kapitalistischen Macht im Kampf um die Aufteilung der Welt gesehen wird oder als forcierte Abwehrmaßnahme eines vom Imperialismus bedrängten Landes.

Einen Aufschlag zur Analyse des Imperialismus hatte ich mit meinem Artikel „Zur Verteidigung der Programmatischen Thesen der KO! Das Konzept der imperialistischen Pyramide und seine Kritiker“ vorgelegt. Mit diesem Text und seinen Schlussfolgerungen sind viele der Befürworter des Krieges nicht einverstanden. Eine schriftliche Kritik (oder auch eine umfassendere mündliche Kritik) daran steht jedoch nach wie vor aus. Bisher wurde in verschiedenen Diskussionen eher punktuell versucht, einen diffusen Widerspruch gegen die dort dargelegte Analyse zu erzeugen, indem mehr oder weniger vage Thesen zur Stellung der USA im imperialistischen Weltsystem und zum Charakter der Abhängigkeitsbeziehungen ins Spiel gebracht wurden. Dass diese bisher nicht systematisch dargelegt wurden, ist ein Problem für die Diskussion, das es erschwert, darauf einzugehen. Positionen und Thesen werden als „Fragen“ getarnt, die eine Kritik beinhalten und Verunsicherung über die bis vor kurzem konsensual geteilte Imperialismusanalyse der KO erzeugen sollen, ohne jedoch selbst ausformuliert zu werden. Für die Diskussion ist das schlecht, denn es bedeutet, dass eine Seite des Dissenses sich faktisch der Kritik entzieht. Aus diesen Gründen wird in diesem Text gegen einen in den Diskussionen allgegenwärtigen, aber bisher nur diffus begründeten und ausformulierten Gegner argumentiert, in der Hoffnung, dass ich damit dazu beitragen kann, die Diskussion wieder zurück in den Modus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu führen.

Konkret stehen folgende Behauptungen im Raum:

  1. Die USA seien nach wie vor eine „weltbeherrschende“ Macht in einer „unipolaren Weltordnung“. Ihr relativer Abstieg ebenso wie der Aufstieg Chinas zur zweiten imperialistischen Führungsmacht neben den USA würden massiv übertrieben oder fänden sogar überhaupt nicht statt.
  2. Diese angeblich weiterhin eindeutige Führungsrolle der USA werde neben der militärischen Überlegenheit (zu der ich bereits in meinem oben zitierten Artikel einiges geschrieben hatte) auch durch eine Spitzenrolle der USA in den globalen Kapitalverflechtungen untermauert. Hierfür wird sich sehr häufig auf die prominente Rolle des Vermögensverwalters BlackRock bezogen, der Großaktionär in den meisten großen Monopolen Nordamerikas und Europas ist. Von der Bedeutung BlackRocks auf den Finanzmärkten wird diffus auf eine tendenziell absolute Weltherrschaft des US-Kapitals geschlossen.
  3. Die eigenständige Rolle der Bourgeoisien in Ländern, die weiter unten in der imperialistischen Rangordnung stehen, wird bestritten oder stark relativiert mit dem – ebenfalls äußerst vage verwendeten – Begriff der „Kompradorenbourgeoisie“. Die dabei immer wieder implizit oder explizit aufgestellte These ist, dass die Bourgeoisie wahlweise aller Länder außer den USA oder doch zumindest außerhalb der alten imperialistischen Führungsmächte (USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und vielleicht noch wenigen weiteren) eine rein abhängige Position innehabe, dass sie lediglich als Sachwalter und Vermittler der Monopole der USA und ggf. weniger weiterer Führungsmächte agiere und damit die Abhängigkeit dieser Länder aufrecht erhalte. Konkret wird diese Behauptung auf Russland bezogen – politisch wird daraus die Konsequenz gezogen, dass Russland in seinem Kampf gegen den Westen generell oder zumindest im Ukrainekrieg zu unterstützen sei.

Um zu einem Urteil zu kommen, was an diesen Analysen, die zur Rechtfertigung konkreter opportunistischer Standpunkte in der Kriegsfrage herangezogen werden, möglicherweise plausibel sein könnte, ist eine Beschäftigung mit der Bourgeoisie notwendig: Es geht darum, wie die Bourgeoisie, die herrschende Klasse, im heutigen imperialistischen Weltsystem aufgestellt ist, welche Charakteristika sie aufweist, welche Beziehungen sie miteinander eingeht und wie sie sich in dem guten Jahrhundert seit Lenins Imperialismusschrift entwickelt hat.

Dieser Text soll, wie schon der oben zitierte („Zur Verteidigung der Programmatischen Thesen…“) einen Beitrag zur Klärung des Dissenses in der Imperialismusanalyse leisten.

Zuerst muss der hier zugrunde gelegte Begriff des Finanzkapitals entwickelt werden, denn das beherrschende Kapital unserer Epoche ist das monopolistische Finanzkapital. Dann wird der Artikel sich der Rolle von Vermögensverwaltern wie BlackRock zuwenden und prüfen, ob und inwiefern sie eine weltbeherrschende Rolle ausüben und als Argument für eine unipolare Weltordnung unter Hegemonie der USA herangezogen werden können. Im dritten Kapitel wird der Begriff der Kompradorenbourgeoisie untersucht und auf seine Tauglichkeit zur Analyse des heutigen Imperialismus überprüft. Schließlich wird im letzten Kapitel die russische Bourgeoisie noch einmal thematisiert mit Blick auf verschiedene Behauptungen, die diesbezüglich im Umlauf sind: Sie sei eine Kompradorenbourgeoisie, von ausländischem Kapital beherrscht und Russland sei nicht imperialistisch, weil es keinen nennenswerten Kapitalexport, sondern v.a. Kapitalflucht aufweise. Auch diese Behauptungen werden einer kritischen Prüfung unterzogen.

Es ist davon auszugehen, dass auch die hier dargelegten Argumente nicht bei Allen auf Zustimmung treffen werden. In diesem Fall wäre es zu begrüßen, wenn die Kritik daran konkret und möglichst in schriftlicher Form entwickelt würde, damit der Dissens zumindest für alle Interessierten klar auf dem Tisch liegt und es möglich wird, sich auch auf etwaige Gegenargumentationen konkret zu beziehen. Nur so kann Klärung funktionieren: Klar formulierte Thesen, begründet mit Argumenten, die sich dann kritisieren lassen, was es ermöglicht, sie zu revidieren, zu bestätigen, zu korrigieren oder zu erweitern.

  1. Das Finanzkapital

Der marxistische Begriff des Finanzkapitals unterscheidet sich bekanntlich von dem landläufigen bürgerlichen Begriff, der darunter lediglich die Prozesse der rein finanziellen Akkumulation begreift (also Geldkapital, das ohne Investitionen in Wertschöpfung oder Warenhandel vermehrt wird). Der marxistische Begriff des Finanzkapitals umfasst hingegen den Zusammenhang zwischen Mehrwertproduktion und finanzieller Akkumulation.

Angelegt ist dieser Begriff inhaltlich bereits bei Marx, der das Kreditsystem als Hebel der Zentralisation des Kapitals (d.h. der Zusammenführung von immer mehr Kapital unter ein zentralisiertes Kommando) versteht. Marx erkannte zudem auch bereits die mit der Entfaltung des Kapitalismus tendenziell zunehmende Trennung des Kapitaleigentums vom fungierenden Kapital: „Das Kreditsystem, das seinen Mittelpunkt hat in den angeblichen Nationalbanken und den großen Geldverleihern und Wucherern um sie herum, ist eine enorme Zentralisation und gibt dieser Parasitenklasse eine fabelhafte Macht, nicht nur die industriellen Kapitalisten periodisch zu dezimieren, sondern auf die gefährlichste Weise in die wirkliche Produktion einzugreifen – und diese Bande weiß nichts von der Produktion und hat nichts mit ihr zu tuni. Die Aktiengesellschaften sieht er dabei als „Verwandlung des wirklich fungierenden Kapitalisten in einen bloßen Dirigenten, Verwalter fremden Kapitals, und der Kapitaleigentümer in bloße Eigentümer, bloße Geldkapitalistenii.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde diese Analyse vor allem von dem sozialdemokratischen Ökonomen Rudolf Hilferding erheblich ausgearbeitet und differenziert. Hilferdings zentrale These: „Ein immer wachsender Teil des Kapitals der Industrie gehört nicht den Industriellen, die es anwenden. Sie erhalten die Verfügung über das Kapital nur durch die Bank, die ihnen gegenüber den Eigentümer vertritt. Andererseits muss die Bank einen immer wachsenden Teil ihrer Kapitalien in der Industrie fixieren. Sie wird damit in immer größerem Umfang industrieller Kapitalist. Ich nenne das Bankkapital, also Kapital in Geldform, das auf diese Weise in Wirklichkeit in industrielles Kapital verwandelt wird, das Finanzkapitaliii. Hilferding beobachtet eine Verwandlung des Bankkapitals in industrielles Kapital, also ein Verwachsen beider Formen des Kapitals und diesen Komplex aus Industrie- und Bankkapital nennt er Finanzkapital.

Während Hilferding aber als Reformist davon ausging, dass durch die in den Konzernen zunehmend zentralisierten Operationen und den zunehmenden Organisationsgrad der Ökonomie unter der Herrschaft der Banken die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise abnehmen würden, geht Lenin von tendenziell wachsenden Widersprüchen aus. Lenin kritisiert an Hilferdings Definition des Finanzkapitals, sie sei „insofern unvollständig, als ihr der Hinweis auf eines der wichtigsten Momente fehlt, nämlich auf die Zunahme der Konzentration der Produktion und des Kapitals in einem so hohen Grade, daß die Konzentration zum Monopol führt und geführt hativ. Zudem nimmt er eine anderepolitische und historische Einordnung des Finanzkapitals vor: Dieses stellt nicht eine Einhegung der kapitalistischen Gegensätze dar (in einem „organisierten Kapitalismus“, wie Hilferding dachte), sondern reproduziert sie auf höherer Stufe, noch unversöhnlicher und noch explosiver, es stellt die höchste Stufe der Vergesellschaftung des Kapitals dar und ist damit unmittelbare Vorbereitung des nächsten historischen Schrittes der Menschheit – der Übernahme der Produktionsmittel unter gesellschaftliche Kontrolle und damit der Aufhebung des Kapitals überhauptv.

Lenin weist hin auf die „Trennung des Kapitaleigentums von der Anwendung des Kapitals in der Produktion, die Trennung des Geldkapitals vom industriellen oder produktiven Kapital, die Trennung des Rentners, der ausschließlich vom Ertrag des Geldkapitals lebt, vom Unternehmer und allen Personen, die an der Verfügung über das Kapital unmittelbar teilnehmen“, die dem Kapitalismus grundsätzlich eigen sei, aber im Imperialismus „gewaltige Ausdehnung“ erreichevi.

Das Finanzkapital ist also ein Ergebnis des Monopolkapitals und umgekehrt. Beides, die Ablösung des Kapitaleigentums vom fungierenden Kapital und tendenzielle Dominanz über dieses, sowie die Vereinigung von immer mehr Kapital in markt- und produktionsbeherrschenden Monopolen, entstand in enger Wechselwirkung miteinander am Ende des 19. Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende herum. Die Wechselwirkung besteht darin, dass einerseits die Entwicklung des Beteiligungssystems und des Kreditwesens ein enormer Hebel der Zentralisation ist, andrerseits aber das Monopolkapital auch die Profite akkumuliert und hervorbringt, die die Entfaltung des Finanzsystems nähren.

Ein Autorenkollektiv marxistischer Ökonomen aus der DDR schreibt dazu: „Das charakteristische Kennzeichen des Finanzkapitals ist die Verschmelzung des monopolistischen Industrie- und Bankkapitals. Es sind natürlich nicht die Institutionen, die hier verschmelzen, sondern das monopolistische Kapitaleigentum und die auf diesem gegründete Macht des Kapitals, wobei sich hinsichtlich der Formen dieser Verschmelzung bedeutsame Entwicklungen vollzogen habenvii. Zu diesen Veränderungen weiter unten mehr. Zweitens ist zu beachten, dass „finanzkapitalistische Herrschaft die monopolistische und staatsmonopolistische Stufe des Prozesses der Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalfunktion ist, der Prozeß, in welchem eine Fraktion der Kapitalistenklasse die Verfügungsgewalt über fremdes Eigentum erhält und dadurch über das gesellschaftliche Gesamtkapital herrscht.“viii

Das Finanzkapital ist damit „die Lösungsbewegung des Widerspruchs von Produktion und Aneignung, wobei sich mit der wachsenden Vergesellschaftung der Produktion das Eigentum mehr und mehr gegen die materiellen Prozesse verselbstständigt, um die weitere Durchbrechung der privaten Schranken innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise zu vollziehenix. Diese relative Verselbstständigung des Eigentums gegen die materielle Produktion bedeutet natürlich nicht, dass die Produktion des Wertes und Mehrwertes nun plötzlich außerhalb der materiellen Produktion möglich wäre; sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der fungierende Kapitalist (also der Manager, der die Produktion verwaltet und ausführen lässt) zunehmend Nichteigentümer wird, während auf der anderen Seite die Eigentümer-Kapitalisten stehen, die eben nur noch Eigentümer von Finanztiteln, also Geldkapitalisten sind und mit der Produktion nichts mehr zu schaffen haben.

Dieses Finanzkapital, also das verselbstständigte monopolisierte Eigentum, stellt einen vorwiegend erst im Monopolkapitalismus neu entstehenden Typ des Kapitals dar. Während z.B. das industrielle Kapital Produktion und Absatz in Übereinstimmung bringen, die Produktion organisieren muss usw., ist das Finanzkapital nur noch auf die Verwertung des Kapitals, also die Abschöpfung von Profiten als Rente ohne „Umweg“ über Produktion oder Handel ausgerichtetx. „Das verselbständigte kapitalistische Eigentum realisiert sich heute im Verwertungskreislauf des Finanzkapitals, der sich immer weiter von seiner letztlichen Grundlage – der Ausbeutung der lebendigen Arbeit – loslöstxi. Seine neuartige und übergreifende Art drückt sich vor allem darin aus, dass andere Kapitalformen dadurch bestimmbar sind, in welcher Weise sie sich einen Teil des Mehrwerts aneignen, während das Finanzkapital „in verschiedener Gestalt Unternehmergewinn und Zins, Grundrente und Spekulationsgewinne als Monopolprofit realisieren kann.“xii

Als vorherrschende Form des Monopols bzw. des Finanzkapitals haben sich die Transnationalen Konzerne (TNKs) herausgebildet. Diese sind definiert als Unternehmen, die die Kontrolle über Tochterunternehmen in anderen Ländern ausüben. TNKs sind also Gruppen von Unternehmen, die darauf basieren, dass Finanzmittel in ihnen zentralisiert werden. Auch wenn sich alle TNKs bestimmten Branchen und Betätigungsfeldern zuordnen lassen, handelt es sich dabei nicht um Industriekapital im ursprünglichen Sinne (d.h. als eine Form des Kapitals, die ihre Profite aus der Produktion von Mehrwert bezieht, im Gegensatz zum zinstragenden Kapital). De facto sind die TNKs Finanzgruppen, die je nach Betätigungsfeld eben auch industrielle oder andere Aktivitäten ausführenxiii.

Der französische Ökonom Claude Serfati weist darauf hin, dass das Finanzkapital eine funktionelle und eine institutionelle Seite aufweist, die nicht miteinander identisch sind: Es ist zum einen institutionell als ein bestimmter Sektor zu begreifen, der eben aus Institutionen besteht, die zum Zwecke finanzieller Aktivitäten bestehen (z.B. Banken, Versicherungen usw.). Die funktionelle Facette besteht in der Funktion des Finanzkapitals, Einkommen zu produzieren, scheinbar aus sich selbst heraus, wie ein Birnbaum Birnen produziert. Die Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil Finanzoperationen nicht nur von Finanzinstitutionen verrichtet werden, sondern in zunehmendem Maße von Industriegruppen, die ebenfalls Finanzaktiva zentralisieren und eigene Finanzabteilungen zur Generierung finanzkapitalistischer, d.h. nicht unmittelbar der materiellen Produktion entspringender Profite gründenxiv. Ein großer Anteil der Kapitalflüsse, die statistisch als ausländische Direktinvestitionen (FDI) geführt werden, sind in Wirklichkeit Finanzaktivitäten innerhalb von Firmen, d.h. sie haben nichts mit der Schaffung oder auch Übernahme von physischen Produktionskapazitäten zu tunxv.

Während das Kapital per se nach der Verwertung strebt, wird dieser Antrieb beim Finanzkapital verabsolutiert: Durch die zunehmende Mobilität und Liquidität des Kapitals wächst der Drang, jede Möglichkeit für die Generierung zusätzlicher Profite auszunutzen. Das Vorherrschen des Finanzkapitals als Kapitaltyp im entwickelten Imperialismus drückt sich daher erstens in der Präferenz des Monopolkapitals für den „Shareholder Value“, d.h. für die Ausschüttung von Dividenden und steigende Aktienkurse aus. Zweitens müssen strategische Entscheidungen tendenziell immer stärker kurzfristigen Rentabilitätskriterien entsprechen (auf Kosten anderer Kriterien wie z.B. langfristige Kontrolle, Integration privilegierter Arbeiterschichten usw.). Drittens müssen industrielle Aktivitäten so separat bleiben, dass man sie jederzeit veräußern kann, wenn das Rentabilitätskriterium es verlangtxvi. Profite „müssen und können allein durch die stärkere Berücksichtigung der Eigenständigkeit der Finanzoperationen, sei es in Übereinstimmung, sei es im Gegensatz zu den Anforderungen der ‚betrieblichen Aspekte‘, gesteigert werdenxvii. Der Konzern gewinnt zunehmend den Charakter einer Finanzanlage, eines Portfolios von Finanzaktiva, bei denen es vorrangig um den Börsenwert und nicht um andere Gesichtspunkte gehtxviii. Das bedeutet natürlich nicht, dass es keinerlei längerfristige strategische Entscheidungen mehr gibt, z.B. dass umfangreiche Investitionen mit längerfristiger Perspektive immer noch vorkommen, wenn es darum geht, sich auf neuen Produktmärkten eine Monopolstellung zu erarbeiten. Trotzdem findet eine Verschiebung des Schwerpunktes statt.

Diese zunehmende Dominanz des Finanzkapitals in der Ökonomie ist zugleich ein wichtiger Hebel der Zentralisation des Kapitals: Die Konzentration enormer Summen von Liquidität in den Händen der TNKs ist Instrument und Anreiz dafür, ständig nach lukrativen Möglichkeiten für Fusionen und Übernahmen zu suchen. Nach einer Studie haben bei den 1000 größten TNKs der Welt die Fusionen und Übernahmen im Zeitraum 1999-2010 wesentlich stärker zugenommen als produktive Investitionen und waren ein entscheidender Faktor der Rentabilitätxix.

Die Herausbildung eines international operierenden monopolistischen Finanzkapitals, d.h. eines liquiden Anlagekapitals, das in den Händen einer kleinen Klasse von Eigentümern der Finanztitel extrem konzentriert ist und ein die ganze Welt umspannendes Netz gebildet hat, ist der entscheidende Prozess der kapitalistischen Entwicklung im letzten Jahrhundert gewesen und bildet die „Geschäftsgrundlage“ des Kapitalismus auf globaler Ebene.

  1. BlackRock, Vanguard, State Street – die neuen Weltherrscher?

Seit einigen Jahren wird v.a. von dem Wirtschaftsjournalisten Werner Rügemer in zahllosen Publikationen die Behauptung aufgestellt, dass die großen Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard und State Street zu einer weltbeherrschenden Rolle aufgestiegen seien und auch den westeuropäischen Kapitalismus dominieren würden. Dafür verweist Rügemer v.a. darauf, dass diese Investoren mit BlackRock an ihrer Spitze an allen Unternehmen des Deutschen Aktienindex beteiligt sind.

Rügemers Analyse zusammengefasst: „Kapitalorganisatoren wie BlackRock, die die Finanzkrise ebenfalls mitverursacht hatten, sind nun die Eigentümer der alten Banken und Börsen und vor allem die Eigentümer der wichtigsten Unternehmen. Vom Typ BlackRock agieren heute, weitgehend unreguliert und unbekannt, einige Dutzend weitere Finanzakteure der ersten Liga, hinzukommen die neuen Finanzakteure der zweiten und dritten Liga, also Private Equity Fonds, Hedgefonds, Venture Capitalists, dazu elitäre Investmentbanken, die traditionellen Großbanken und die von diesen allen geförderten und beherrschten Aufsteiger des Internets wie Apple und Microsoft, Google/Alphabet, Amazon, Facebook, Uber oder AirBnB.“xx. Diese bildeten eine „transnationale kapitalistische Klassexxi und „aus der Konkurrenz mehrerer imperialistischer Staaten ist ein US-geführtes Imperium hervorgegangen. Die neuen Finanzakteure haben die US-Vorherrschaft und das Vasallentum der ‚Bündnispartner‘ noch einmal vertieftxxii. Laut Rügemer hat sich das Kapital also aus seiner Verbindung mit dem bürgerlichen Nationalstaat gelöst, es agiert transnationalisiert mit den USA als Zentrum. Deutschland, Frankreich, Großbritannien haben keine eigenen imperialistischen Ambitionen und Entwicklungstendenzen mehr, sondern sind nur noch US-Vasallen, Bündnispartner sind sie nur noch in Anführungszeichen.

Diese Analyse ist keineswegs neu, sie wurde – ohne den Bezug auf die damals noch weniger bedeutenden Vermögensverwalter – bereits von Michael Hardt und Antonio Negri in ihrem Buch „Empire“ aufgestellt und vielfach kritisiert. Neu ist, dass nun auch ein Teil der KO dieser Analyse etwas abgewinnen kann. So meint Klara Bina trotz einiger Kritikpunkte an Rügemers Schlussfolgerungen, sein oben zitiertes Buch biete „all denjenigen, die sich für die Machtverhältnisse im internationalen Maßstab interessieren, eine gute Grundlage, um in das Thema einzusteigen.“xxiii. Nun ist es sicherlich richtig, dass eine Analyse auch eines bürgerlichen Autors unvoreingenommen geprüft werden muss und auch eine insgesamt falsche Analyse richtige und bereichernde Elemente enthalten kann. Hier geht es aber konkret um die Behauptung einer weltbeherrschenden Rolle der USA, die auf der Dominanz der US-amerikanischen Vermögensverwalter (und in zweiter Linie institutionellen Investoren aus den USA) beruht. Untersuchen wir also, ob Rügemer die internationalen Machtverhältnisse des Kapitals mit seiner These einer absoluten Vorherrschaft der USA richtig darstellt.

Rügemer zählt das „Einfluss-Instrumentarium“ der Vermögensverwalter auf: 1) Informationen über alle wichtigen Unternehmen. 2) Miteigentümerschaft der wichtigsten Unternehmen der wichtigsten westlichen Volkswirtschaften. 3) Miteigentümerschaft der Rating-Agenturen. 4) Abhängigkeit der Unternehmen von Dienstleistungen der Vermögensverwalter (Risikoanalysen, Finanzmanagement). 5) Einfluss auf die Entwicklung der Aktienkurse. 6) Koordinierung des Abstimmungsverhaltens der Vermögensverwalter auf den Aktionärsversammlungenxxiv. Diese Darstellung ist nicht falsch. Es stimmt, dass z.B. BlackRock über einen enormen Schatz an Informationen über die Weltwirtschaft und Unternehmen verfügt. Das Datenanalysesystem Aladdin (kurz für: Asset, Liability, and Debt and Derivative Investment Network) wertet ständig die Entwicklung von Vermögenswerten auf der ganzen Welt aus, entwirft Entwicklungsmodelle für Krisenszenarien, versucht dadurch Kursentwicklungen vorherzusagen usw. Dies verstärkt die Vormachtstellung BlackRocks als Anbieter von Finanzdienstleistungen, die die Konkurrenz nicht bieten kann. Doch lassen sich aus den von Rügemer angeführten Punkten wirklich derart weitreichende Schlussfolgerungen bezüglich einer „Weltherrschaft“ einzelner Fondsgesellschaften ableiten?

Sehen wir uns zuerst an, wodurch die großen Vermögensverwalter ihre Profite realisieren.

Als „Herzstück des Geschäfts“ von BlackRock wird der Handel mit ETFs (exchange-traded funds) der Eigenmarke iShares bezeichnet. BlackRock ist der weltweit führende Händler mit ETFs und diese repräsentieren ein Drittel des von BlackRock verwalteten Vermögensxxv. Worum handelt es sich dabei? ETFs sind börsengehandelte Indexfonds. Das bedeutet, dass ihre Preisentwicklung nicht den Börsenkurs z.B. eines einzelnen Unternehmens abbildet wie eine Aktie, sondern die eines Indexes wie z.B. des DAX. Steigt der DAX, steigt automatisch der Preis des ETF. Anders als andere Fonds, um die sich ein Fondsmanager kümmert, um die Renditen zu maximieren, werden ETFs nicht aktiv gemanagt (d.h. es werden keine Aktien aus dem Fonds verkauft oder neue gekauft, um bessere Renditen zu erzielen). Eine Einmischung in die Unternehmenspolitik der Konzerne findet in der Regel dabei nicht statt. Anders als aktive Fonds erheben ETFs daher nur sehr niedrige Gebühren und werfen unterm Strich daher mehr Rendite ab, was ihre zunehmende Beliebtheit unter Investoren erklärt.

Etwa 55% der von BlackRock verwalteten Vermögenswerte sind Aktienxxvi. Auch bei diesen ist der Anreiz für BlackRock, sich aktiv in die Unternehmenspolitik der Konzerne einzumischen, deren Aktien gehalten werden, relativ gering. Ziel der Fondsgesellschaften ist die Maximierung der Renditen, des Shareholder Value. Dazu kann es zwar mitunter sinnvoll sein, wenn bei den größten und wichtigsten Unternehmen Einfluss auf wichtige Entscheidungen genommen wird. Entsprechende Berichte gibt es auch, wo BlackRock-Chef Larry Fink z.B. entscheidenden Einfluss auf die Personalpolitik der Führungsetagen von Deutscher Bank und Lufthansa genommen haben sollxxvii. Eine systematische, flächendeckende Einflussnahme ist damit trotzdem nicht beabsichtigt, da sie erhebliche Kosten bedeuten würde. „Denn warum Geld für etwas ausgeben, wofür man von seinen Anlegern weder beauftragt noch bezahlt wird? Groß wurden Blackrock und Co. Schließlich als günstige, passive Anbieter. Rund drei Viertel der verwalteten Mittel von rund 13.000 Milliarden US-Dollar von Blackrock, Vanguard und State Street stammen aus strikt passiven Mandaten: Die Anleger hätten gerne für geringe Gebühren die Kursentwicklung bekannter Indizes wie dem Dax oder dem MSCI World abgebildet.“xxviii

Eine flächendeckende Einflussnahme ist mit der Anlagestrategie von BlackRock und anderen institutionellen Investoren auch nicht möglich, denn diese besteht darin, das Investment möglichst zu diversifizieren, also in möglichst vielen Unternehmen kleine Anteile zu halten, um eine möglichst sichere Rendite abzuschöpfen. So lagen die Beteiligungen von BlackRock an den 30 DAX-Unternehmen 2018 zwischen 1,5 und 8,3% und betrugen 4,5% des DAX insgesamtxxix. Zusammengenommen sind das enorme Summen an Kapital. Für eine effektive Kontrolle der DAX-Konzerne reichen sie aber bei Weitem nicht aus und ein „Souveränitätsverlust“ der deutschen Bourgeoisie gegenüber den USA lässt sich daraus auch sicherlich nicht ableiten. In einem Kommentar heißt es: „solche Beteiligungen ergeben sich quasi wie von selbst, wenn Finanzdienstleister Aktienmärkte weltweit abbilden. Mit seinen wenigen Prozentpunkten ist Blackrock jedoch weit entfernt von der Sperrminorität über 25 Prozent – wie sie einst die Deutsche Bank zu nutzen wusste.“. Und: „Die Investoren hinter Blackrock suchen Rendite, nicht Machtspielchenxxx. „BlackRocks Einfluss ist geringer als vielfach angenommen, weil die Kapitalanteile auf viele Fonds verteilt sind, von denen eine große Anzahl gar nicht aktiv verwaltet werden, sondern passiv Aktienindizes folgen. Dass der Konzern wie ein aktivistischer Investor eingreift, ist eine Seltenheit.“xxxi

Ein Aktionär, der 10% der Stimmrechte aus Aktien überschreitet, muss nach dem deutschen Wertpapierhandelsgesetz dem die Aktien emittierenden Unternehmen gegenüber eine Erklärung darüber abgeben, welche Ziele mit der Investition verfolgt werden, d.h. konkret ob es allein um Renditen oder die Ausübung strategischer Kontrolle geht, ob der Erwerb weiterer Anteile geplant ist und Einflussnahme auf die Besetzung von Gremien des Unternehmens ausgeübt werden sollxxxii. Die Gesetzgebung geht also erst ab einer Schwelle von 10% von einem Anteil aus, der potenziell für eine strategische Einflussnahme ausreicht. Bezeichnenderweise erreicht BlackRock in keinem einzigen DAX-Unternehmen diese Schwelle – weil es offensichtlich gar nicht um strategische Kontrolle geht, sondern um die Teilhabe an den Profiten dieser Unternehmen.

Die Investoren bei BlackRock sind zu über 60% andere institutionelle Anleger, also Investmentbanken und Investmentfonds, Pensionsfonds, Stiftungen, Versicherungen usw. Für eine aktive Einmischung in die Geschäftspolitik der Unternehmen reicht auch das Personal des Konzerns bei Weitem nicht aus: Etwa 2500 Berater stehen Beteiligungen an 17.000 Unternehmen gegenüberxxxiii. Das wären pro Jahr über 160.000 Anträge auf Aktionärs- und Gläubigerversammlungen, über die abgestimmt werden muss. Die Gesamtzahl der mit diesen Aufgaben betrauten hauptberuflichen Mitarbeiter lag laut einer Erhebung Ende 2017 nur bei 65 Personen – bei der größten Fondsgesellschaft der Weltxxxiv.

Das Gewicht BlackRocks und vergleichbarer Gesellschaften als Anbieter von Finanzdienstleistungen wie Risikoanalyse ist ebenfalls sehr relevant. Es belegt allerdings nichts anderes, als dass BlackRock eins der wichtigsten Monopole für diese Art Dienstleistungen ist. Eine Kontrolle über die Unternehmen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ergibt sich daraus nicht. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass BlackRock bei Finanzberatungen für Unternehmen deren Entscheidungen systematisch und einseitig im Sinne eigener Geschäftsinteressen steuert – derartige Aktivitäten wären einigermaßen durchsichtig und würden dem Ruf von BlackRock als Finanzdienstleister schaden.

Ähnlich verhält es sich mit der Miteigentümerschaft an den Rating-Agenturen: Die (anscheinend bei Rügemer implizierte) Annahme, dass BlackRock einen bedeutenden Einfluss auf die Ratings nehmen könnte und damit den Unternehmen, an denen es Anteile hält, zusätzliche Vorteile zu verschaffen, ist kaum überzeugend. Wäre es so einfach, die Ratings der Agenturen im eigenen Sinne zu beeinflussen, indem man sich deren Anteile einkauft, dann würden die meisten Staaten und großen Unternehmen dies tun. Es ist aber nicht so, dass Rating-Agenturen ihre Bewertungen einfach willkürlich verteilen können. Eine solche Rolle wäre für den Kapitalismus hochgradig dysfunktional und würde das Vertrauen in die Ratings und damit letzten Endes auch ihren Sinn massiv untergraben. In der EU beispielsweise unterliegen die Rating-Agenturen deshalb strengen Regulierungen. Nach der Verordnung EG Nr. 1060/2009 müssen sie für jedes Rating offenlegen, auf welchem Weg sie dazu gekommen sind und müssen bei Verstößen Schadensersatz zahlen. Die Agenturen finanzieren sich teilweise durch Gebühren, die ihren Kunden entrichtet werden. Allerdings steht drei großen Rating-Agenturen eine riesige Anzahl von Firmen gegenüber, die auf die Ratings angewiesen sind, sodass es wenig wahrscheinlich, dass ein Unternehmen, das unzufrieden mit seinem Rating ist, durch seine Abwendung von einer der Agenturen großen Druck ausüben könnte. In der EU kommt hinzu, dass nach der Kapitaladäquanzverordnung alle Banken verpflichtet sind, Ratings einzuholen und somit gar nicht damit drohen können, den Agenturen als Kunden abzuspringenxxxv. Auch die Erfahrung zeigt letztlich, dass Up- und Downgrades grundsätzlich dem Verlauf der ökonomischen Konjunktur und den Erwartungen an das Geschäftsklima (die natürlich auch von politischen Ereignissen beeinflusst wird) folgen. Direkte Einflussnahmen im eigenen Interesse wären auch hier geschäftsschädigend.

Indem Rügemer diverse „Einflussfaktoren“ aufzählt, zeichnet er ein Bild, das nicht per se falsch ist. Indem er aber nicht im Detail die Frage stellt, wie groß und wie absolut der Einfluss tatsächlich ist, der sich aus diesen unterschiedlichen Elementen ergibt, bleibt es bei einem diffusen Bild, das offensichtlich den Eindruck einer enormen, präzedenzlosen und nahezu unanfechtbaren Macht hinterlassen soll. Dies entspricht aber eindeutig nicht den Tatsachen.

Weshalb sind all diese Fakten über BlackRock überhaupt wichtig? Sie sind es, weil in der Imperialismusdebatte inzwischen wieder die Vorstellung eines „Superimperialismus“ kursiert, der von den USA bzw. einer Handvoll Akteure der Wall Street in einer strengen Top-Down-Hierarchie beherrscht wird und tendenziell die ganze Welt zu „Vasallen“ des US-Kapitals machen würde. Diese vermeintliche Alleinherrschaft wird nicht konkret belegt, sondern diffus anhand eines Geflechts von Instrumentarien behauptet, deren wirkliches Gewicht als Herrschaftsinstrumente aber nicht genau evaluiert wird.

„Superimperialismus“-Vorstellungen waren bereits in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg anzutreffen und auch damals schon falsch, da sie vor allem die eigene Rolle des westeuropäischen und japanischen Kapitals, aber auch die Bourgeoisien anderer Länder unterschätzten. Heute sind sie mehr denn je Ausdruck einer extrem einseitigen, verkürzten und falschen Betrachtungsweise, die erstens einen einzelnen Aspekt der Realität – die Beteiligungsverhältnisse des monopolistischen Finanzkapitals – als den vermeintlich einzig relevanten herausgreifen und damit andere Faktoren, die die Rangordnung im imperialistischen Weltsystem in ihrem Zusammenspiel bestimmen, ignorieren. Als solche Faktoren wären z.B. zu bedenken: Wertschöpfung in den strategisch wichtigen Industrien, Verfügung über wichtige Ressourcen, Verfügung über Devisenreserven, Leitwährungen und Reservewährungen, Positionierung innerhalb zwischenstaatlicher Bündnisse, Stärke in den verschiedenen militärischen Disziplinen usw. usf.

Zweitens beruhen solche Allmachtsmythen auf einer unrealistischen Vorstellung vom Finanzkapital in seiner heutigen Form. Zur Verdeutlichung ein paar Sätze über die Veränderungen finanzkapitalistischer Herrschaft in Deutschland in den letzten Jahrzehnten: In der BRD herrschte bis in die 90er das Modell der sogenannten „Deutschland AG“, das durch enge Kapitalverflechtungen innerhalb des bundesdeutschen Finanzkapitals und Cluster der Konzerne um die Großbanken herum (v.a. die Deutsche Bank, in den 90ern auch die Allianz) gekennzeichnet war. Diese Verflechtungen waren zum einen gegenseitige Kapitalbeteiligungen unter den großen Konzernen, zum anderen aber auch personelle Verflechtungen durch Aufsichtsratsmandate. Diese Konstellation wurde im Verlauf der 1990er und um die Jahrtausendwende weitgehend aufgelöst. Mitte der 2000er Jahre hatte die Deutsche Bank kaum noch Beteiligungen an der Großindustrie, war keineswegs mehr der Knotenpunkt eines Netzwerkes und hatte ihre Verknüpfungen zunehmend gelockert. Grund dafür war eine veränderte Ausrichtung der Deutschen Bank und anderer finanzkapitalistischer Großakteure weg von der langfristigen strategischen Kontrolle, hin zu diversifizierten und flexiblen Beteiligungen mit dem Ziel größtmöglicher Renditenxxxvi. Der Zufluss ausländischen Kapitals war dafür durchaus willkommen, dementsprechend erhöhte sich der ausländische Anteil am DAX 2001-2013 von 36% auf 55%xxxvii. All das bedeutet nicht, dass den Kapitalisten heute die dauerhafte Kontrolle über Konzerne gleichgültig geworden wäre, wie die bemerkenswert stabilen Anteile vieler Ankeraktionäre der DAX-Unternehmen bezeugen. Es zeigt aber, dass das Finanzkapital in einem weitaus höheren Maße als früher auf die reine Verwertung mit größtmöglichem Profit aus ist, gleichgültig wo dieser herkommt.

Doch zurück zu den US-amerikanischen Vermögensverwaltern: BlackRock als der größte der Vermögensverwalter verwaltete Ende 2021 Vermögen im Wert von etwa 10 Billionen US-Dollar. Das ist eine gigantische Summe, die etwa dem kombinierten BIP von Japan, Deutschland und Spanien entspricht. Damit verwaltet die Gesellschaft 8% des weltweiten Vermögens – eine enorme Konzentration von Kapital. Doch kann man daraus eine weltbeherrschende Rolle dieses Finanzkonzerns selbst ableiten? Wie bereits gezeigt, handelt es sich ja um fremde Vermögen, die von BlackRock – zu einem großen Teil passiv – in Anlagen rund um den Globus verteilt werden. Die letztendliche Verfügungsgewalt liegt nicht bei BlackRock, sondern einerseits bei den Eigentümern dieses Kapitals, an die auch der absolute Großteil der Renditen zurückfließt und andrerseits bei institutionellen Anlegern und Banken, die das bereits gesammelte Kapital über BlackRock anlegen. Eigentümer bleiben weiterhin Menschen mit Namen und Adressen (auch wenn diese aufgrund der Geheimnistuerei eines Teils der Kapitalistenklasse nicht immer in Erfahrung zu bringen sind). Es sind also in der Regel nicht anonyme, unpersönliche Institutionen, die sich den gewaltigen, von der globalen Arbeiterklasse produzierten Reichtum aneignen, sondern die Millionäre, Multimillionäre und Milliardäre dieser Welt. Wenn diese in Hong Kong, Singapur, Qatar, Paris oder Tokio ansässig sind, aber ihr Finanzvermögen über einen US-amerikanischen Vermögensverwalter anlegen lassen, ändert sich dadurch nicht die „Nationalität“ dieses Kapitals – es gehört ja weiterhin Kapitalisten aus diesen Ländern. Es stärkt natürlich aber die zentrale Rolle US-amerikanischer Banken und Investmentgesellschaften im globalen Kapitalverkehr und damit auch die Stellung der USA an der Spitze des imperialistischen Weltsystems.

Die Bilanzsumme von BlackRock selbst, also die Summe des Gesamtkapitals dieses Unternehmens liegt laut dem Portal Statista „nur“ bei 152,6 Mrd. US$ – also gerade einmal bei 1,5% der oben genannten zehn Billionen. Damit ist BlackRock immer noch ein gewaltiger Monopolkonzern, aber im Vergleich zu US-amerikanischen Konzernen wie Apple Walmart, Amazon, dem saudischen Ölkonzern Saudi Aramco oder chinesischen Monopolen wie State Grid, China National Petroleum und Sinopec keiner der ganz großen „Fische“.

Die großen Vermögensverwalter sind gewissermaßen „Flaschenhälse“ beim internationalen Kapitalverkehr, da die Beteiligungsverhältnisse zu einem großen Teil über sie laufen. Damit haben sie strukturell eine zentrale Rolle im kapitalistischen Weltsystem inne. Ein guter Grund, andere Monopole und auch andere Länder deshalb in der Analyse zu vernachlässigen, ist das jedoch keineswegs. Der Blick auf die größten „Fortune 500“-Unternehmen, wie ich ihn in meinem Artikel „Zur Verteidigung der Programmatischen Thesen“ versucht hatte, verrät über die tatsächliche Rangordnung der Kapitalisten der Welt und die Positionierung der verschiedenen Länder auf den Stufen dieser Rangordnung sicherlich sehr viel mehr als Phantastereien über die Weltherrschaft einzelner Finanzkonzerne.

Der wesentliche Charakterzug des heutigen Kapitalismus, der darin seinen Ausdruck findet, ist die Herrschaft des monopolistischen Finanzkapitals. Diese darf man sich nicht so vorstellen, dass es eine strikte Top-Down-Hierarchie gibt, wo die großen Finanzmonopole Eigentümer der kleineren sind. Vielmehr bildet das Finanzkapital ein weit gespanntes Netzwerk gegenseitiger Beteiligungen, wobei diese Beziehungen natürlich auch asymmetrisch strukturiert sind – eben im Sinne ungleicher gegenseitiger Abhängigkeiten (s.u.). Das Beteiligungssystem dient dabei der Mobilisierung von liquiden Kapitalmassen, die weit über das verfügbare Eigenkapital der Firma hinausgehen.

Der Aufstieg der Kapitalorganisatoren wie BlackRock, Vanguard, State Street ist nur vom Volumen her, nicht aber von der Qualität her etwas Neues. Dass zunehmend große Anteile der größten Unternehmen in der westlichen Hemisphäre von institutionellen Investoren (überwiegend aus den USA und Großbritannien) gehalten werden, ist keine ganz neue Entwicklung (sie vollzieht sich bereits seit den 1980ern massiv) und Vermögensverwalter sind nicht mehr als eine Unterart dieser institutionellen Investoren, die aufgrund ihres breitestmöglich aufgestellten Geschäftsmodells besonders große Massen an Anlagekapital bei sich konzentrieren. Auch die institutionellen Investoren waren jedoch nichts völlig Neues, sondern letztlich nur ein Auswuchs des finanzkapitalistischen Beteiligungssystems, das schon Hilferding beschrieb. „BlackRock & Co.“ kanalisieren nun einen erheblichen Anteil der weltweiten Finanzvermögen über das Beteiligungssystem in die Mehrwertproduktion, was vorher auf eine größere Zahl von Banken aufgeteilt war. Wenn Rügemer nun so tut, als wäre im 21. Jahrhundert oder seit der Krise von 2008 eine völlig neue Form des Kapitalismus entstanden, so entspricht das nicht den Tatsachen.

Einer der größten institutionellen Investoren, die große Anteile an Unternehmen der europäischen Börsen halten, ist auch der norwegische Staatsfonds Government Pension Fund of Norway. Dieser kanalisiert die Einnahmen aus dem Ölgeschäft in kapitalistische Geschäfte auf der ganzen Welt und ist mit knapp 1,2 Bio. US$ (Stand 2020) der größte Staatsfonds der Welt. Er hält relevante Anteile an globalen Monopolen wie UBS, Crédit Suisse, Shell, Nestlé, Adidas, Unilever, der Deutschen Post, BNP Paribas, Enel, der Allianz, Total, Siemens usw. – im Durchschnitt 1,3% des Anlagekapitals aller börsennotierten Firmen der Weltxxxviii. Anders als die Vermögensverwalter kauft der norwegische Staatsfonds diese Anteile mit eigenem Kapital, das aus dem Verkauf des Erdöls stammt.

Zu den größten institutionellen Investoren gehört des Weiteren der japanische Government Pension Investment Fund, der mit ca. 1,6 Bio. US$ der größte Rentenfonds der Welt ist. Als Selbstverwaltungskörperschaft untersteht er letztlich dem japanischen Staat, agiert aber wie ein Privatunternehmen. Weitere Riesen auf dem Gebiet sind der Pension Service of Korea aus Südkorea mit 637 Mrd. US$, der US-amerikanische FRT und der niederländische ABP mit 600 bzw. 523 Mrd. US$xxxix. Die drei chinesischen Gesellschaften China Investment Corporation, SAFE Investment Company und National Council for Social Security Fund verwalteten 2020 zusammengenommen ein Kapital von etwa 1,7 Bio. US$, wobei noch ein weiterer zu Hong Kong gehöriger Staatsfonds mit einem Volumen von über 500 Mrd. US$ zu berücksichtigen ist, also insgesamt eine Summe von ca. 2,2 Bio. US$. Es gilt des Weiteren auch für Singapur (zwei große Staatsfonds mit einem kombinierten Kapital über 800 Mrd. US$) und die Golfmonarchien Saudi Arabien, Qatar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate (zusammengenommen ein Kapital von über 1,7 Bio. US$)i. Bei einigen dieser Staatsfonds ließe sich viel eher als bei Vermögensverwaltern wie BlackRock argumentieren, dass es sich hierbei um Instrumente der Bourgeoisie eines Landes zur Ausübung effektiver und dauerhafter Kontrolle handelt – und tatsächlich ist es so, dass diese Fonds teilweise auch im weiteren Sinne politischen Zwecken dienen (beispielsweise beschweren sich westliche Unternehmen und Regierungen regelmäßig darüber, wie China sich in Unternehmen einkauft, um Wissen über Technologien zu gewinnen, das wiederum der nationalen kapitalistischen Entwicklungsstrategie Chinas dient).

Größter institutioneller Investor in Deutschland ist mit Abstand die Allianz Lebensversicherungs-AG mit 302 Mrd. € (aktuell etwa 304 Mrd. US$)xl. BlackRock verwaltet nach eigenen Angaben etwas mehr als ein Drittel dieser Summe (110 Mrd. € bzw. 111 Mrd. US$) von deutschen Klientenxli. Das Gewicht von US-amerikanischen institutionellen Investoren auf dem Kapitalmarkt ist ohne Zweifel enorm. Von einer im absoluten Sinne weltbeherrschenden Rolle dieser Akteure oder gar nur einzelner Investoren wie BlackRock zu sprechen, ist allerdings eine starke Übertreibung, die der Realität nicht gerecht wird. Die eigenständige und ebenfalls überaus bedeutende Rolle institutioneller Anleger aus China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Südkorea, Italien, Norwegen, den Niederlanden und den Golfmonarchien, um nur die größten zu nennen, ist nicht zu leugnen.

Wer die Beteiligungsverhältnisse für den einzigen oder entscheidenden Faktor hält, nach dem sich die Rangordnung der Länder im imperialistischen Weltsystem bestimmt, dann würden nach den USA (und China) u.a. Länder wie Norwegen, Qatar oder die Vereinigten Arabischen Emirate an der Spitze dieses Systems stehen – eine absurde Auffassung, die als Hinweis darauf dienen mag, dass die Rangordnung zwischen den kapitalistischen Ländern auf sehr viel komplexere Weise zustande kommt bzw. von wesentlich mehr Faktoren abhängtxlii.

So wie auch die Welt der Staaten stehen auch die Kapitalgruppen verschiedener Länder (natürlich sofern es sich nicht um unselbstständige Tochterfirmen handelt) in einem Verhältnis asymmetrischer gegenseitiger Abhängigkeit. Darin spielen die Kapitalorganisatoren à la BlackRock zweifellos eine führende Rolle. Das bedeutet aber nicht, dass sie im Alleingang die Weltwirtschaft oder ganze Länder kontrollieren könnten; es bedeutet auch nicht, dass kleinere Finanzkapitalisten in diesem System nur als „Opfer“ und Unterworfene vorkämen, die keine aktive Rolle spielen könnten.

Der Vorstellung, dass das Kapital durch die Internationalisierung der Investitionen seinen nationalen Charakter verliere (wie es z.B. Rügemer, Hardt/Negri und viele andere Autoren behaupten), liegen letztlich auch falsche staatstheoretische Annahmen zugrunde. Der Nationalstaat wird durch Kapitalverflechtungen nicht obsolet und verliert auch nicht an Bedeutung. Im Gegenteil geht die zunehmende globale Vergesellschaftung des Kapitals mit einer ebenfalls zunehmenden Krisenhaftigkeit einher, was zunehmende Anforderungen an die Kapazität des bürgerlichen Staates zur Regulierung und Kriseneindämmung stellt. Das bedeutet nicht zwingend eine immer weiter steigende Staatsquote oder zunehmende staatliche Beteiligungen an kapitalistischen Unternehmen, wie in der Vergangenheit einige Autoren annahmen. Eher bedeutet es den Ausbau der staatlichen Interventionsfähigkeit in die Ökonomie.

Diese herausragende Rolle der Nationalstaaten wiederum bedeutet aber, dass die Bourgeoisie sich zwangsläufig und trotz ihrer immer globaleren Strategien und Betätigungsfelder in Anbindung an den kapitalistischen Staat, in diesem und um ihn herum organisiert, koordiniert und Entscheidungen trifft. Selbst in der Europäischen Union, dem einzigen Beispiel, wo wirklich in großem Maße Staatsfunktionen auf eine supranationale Ebene verlagert wurden (bis hin zur Währungspolitik), tritt die Bedeutung des Nationalstaates in der Krise wieder verstärkt hervor und äußert sich in verschärften Konflikten entlang der nationalen Grenzen des Kapitals: Zwischen Frankreich, Italien und Deutschland, den nördlichen und südlichen Mitgliedsländern, in der Entscheidung Großbritanniens zum Austritt aus der EU usw. Auch die EU hat sich erneut als ein imperialistisches Bündnis von Nationalstaaten erwiesen, deren Mitglieder im Prinzip jederzeit dieses Bündnis aufkündigen können – wenn sie bereit sind, die ökonomischen und politischen Kosten für die Vorteile des Austritts in Kauf zu nehmen.

Dabei ist es selbstverständlich richtig, darauf hinzuweisen, dass schwächere Länder aufgrund ihres schwächer entwickelten Kapitals und allgemein geringeren Machtressourcen begrenztere Handlungsoptionen haben als die reichsten und dominierenden Länder. Dabei können auch Formen von Erpressung eine Rolle spielen. Natürlich fanden z.B. die Verhandlungen über die Bailout-Kredite während der Krise in Portugal oder Griechenland keineswegs auf Augenhöhe statt; vielmehr handelten vor allem die deutsche und französische Regierung bestimmte Bedingungen aus, die den hoch verschuldeten Staaten dann unterbreitet wurden. Doch die Entscheidung, diese Bedingungen anzunehmen, anstatt aus der Eurozone auszutreten, die Schulden einseitig zu streichen, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen usw. lag immer noch bei den Regierungen in Lissabon und Athen. Außerdem sind auch die schwächeren Mitgliedsländer freiwillig (und meistens geradezu euphorisch) im Interesse ihrer eigenen Bourgeoisie sowohl der EU als auch der Eurozone beigetreten und nicht, weil sie mit Gewalt dazu gezwungen worden wären. Ähnlich verhält es sich auch mit anderen Beispielen: Die mexikanische Bourgeoisie war nicht gezwungen, dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA beizutreten, sie tat es auf Grundlage der erwarteten Vor- und Nachteile dieses Abkommens. Von „Zwang“ in einem engeren Sinne kann man hier nicht sprechen.

Auch hier sind also Analysen, die von absoluten Abhängigkeiten und Zwängen ausgehen, fehl am Platze und gehen an den Realitäten vorbei.

  1. Kompradorenbourgeoisie“ und „nationale Bourgeoisie“?

In der marxistischen Imperialismusanalyse gibt es seit jeher die Auffassung, dass nur eine kleine Minderheit der Länder der Welt imperialistisch seien und die Mehrzahl der Länder „abhängige“ und „unterdrückte“ Länder. Dieses Verständnis stützt sich darauf, dass Lenin sich in seiner Analyse bekanntlich auf eine internationale Ordnung bezog, die tatsächlich maßgeblich in die Kolonialmächte mit ihrem entwickelten Monopolkapitalismus einerseits und die Kolonien und einseitig abhängigen Länder mit einer höchstens embryonalen kapitalistischen Entwicklung andrerseits aufteilte. Die dogmatische Übertragung dieser konkreten Analyse auf die heutige Welt kann nur in die Irre führen und mit dieser Auffassung habe ich eine kritische Auseinandersetzung bereits an anderer Stelle versuchtxliii. Eng verbunden ist sie mit der Vorstellung, die Bourgeoisie der meisten Länder der Welt wäre eine sogenannte „Kompradorenbourgeoisie“. Insbesondere wird die russische Bourgeoisie in verschiedenen Beiträgen auf der Website der KO als eine solche bezeichnetxliv.

Die Diskussionen in der KO deuten darauf hin, dass nicht immer allen Beteiligten klar ist, was dieser Begriff eigentlich bedeutet. Deshalb wollen wir uns ansehen, woher der Begriff kommt, mit welchen Bedeutungen er belegt wurde und ob er für die Analyse des heutigen Kapitalismus brauchbar ist.

4.1) Zur Geschichte des Begriffs der „Kompradorenbourgeoisie“

Der Begriff „Kompradorenbourgeoisie“ stammt aus China und findet sich dementsprechend auch bei Mao Tse-tung. In China wurde mit dem portugiesischen Wort „comprador“ ein Zwischenhändler bezeichnet, „der als Mittelsmann im Handel Chinas mit dem Westen eine unersetzliche Rolle spielte. Er war ‚das Oberhaupt des chinesischen Personals einer ausländischen Firma (yanghang)‘, ‚rekrutierte die chinesischen Arbeitskräfte, beaufsichtigte und bezahlte sie‘, war ‚für die Beziehungen zur einheimischen Geschäftswelt zuständig‘, ‚gewann seinem yanghang chinesische Kunden, beurteilte ihre Kreditwürdigkeit, führte die Geschäftsverhandlungen mit ihnen und bürgte für ihre Zahlungsmoralxlv.

Mao schreibt dazu: „Im ökonomisch rückständigen und halbkolonialen China sind die Grundbesitzerklasse und die Kompradorenklasse völlige Anhängsel der internationalen Bourgeoisie, abhängig vom Imperialismus für ihr Überleben und ihr Wachstum. Diese Klassen repräsentieren die am meisten rückständigen und am meisten reaktionären Produktionsverhältnisse in China und behindern die Entwicklung seiner Produktivkräfte.“xlvi.

Es ist bedeutsam, wie Mao die Existenz einer Kompradorenklasse in China begründet sieht: In der ökonomischen Rückständigkeit (d.h. Chinas damaligem Entwicklungsstand in den Kinderschuhen der kapitalistischen Entwicklung und noch weit entfernt vom Übergang zum Monopolkapitalismus) und seiner Abhängigkeit als Halbkolonie. Neun Jahre später, 1935, nach der Annexion der Mandschurei durch Japan, schätzt Mao ein, dass China sich inzwischen auf dem Weg der Umwandlung von einer Halbkolonie in eine Kolonie befand. Der abhängige bzw. halbkoloniale Status des Landes führe nun dazu, dass selbst innerhalb der Kompradorenklasse eine Spaltung darüber entstehe, welche Position gegenüber dem ausländischen Imperialismus einzunehmen sei. Wichtig für die Bündnisstrategie der Arbeiterklasse sei die Existenz der Kompradorenklasse, weil in China – angesichts der Rückständigkeit des Landes und seiner noch ausstehenden bürgerlichen Entwicklung – die bürgerlich-demokratische Revolution erst noch stattfinden müsse: „Die Revolution von 1924-1927 war eine bürgerlich-demokratische Revolution, aber diese Revolution wurde nicht vollendet, sondern erlitt eine Niederlage. Die Agrarrevolution, die unter unserer Führung seit 1927 bis heute durchgeführt wird, ist ebenfalls eine bürgerlich-demokratische Revolution, wenn die Aufgabe dieser Revolution ist der Kampf gegen den Imperialismus und den Feudalismus, nicht aber gegen den Kapitalismusxlvii.

Bedeutsam ist auch, dass Mao nur selten von einer „Kompradorenbourgeoisie“, in aller Regel dafür aber allgemeiner von einer „Kompradorenklasse“ spricht. Dies ist kein Zufall, sondern Ausdruck davon, dass diese gesellschaftliche Gruppe wohl kaum den Charakter einer kapitalistischen Bourgeoisie hatte, sondern sich in Maos Beschreibungen an verschiedenen Stellen vorwiegend aus Staatsbürokraten, Militärführern, Grundbesitzern, reaktionären Intellektuellen und Wohlhabenden zusammensetzt, also eher aus dem Herrschaftspersonal des alten imperialen Chinas und seiner vorkapitalistischen Wirtschaftsweise bestand als dass wirklich von einer Kapitalistenklasse gesprochen werden könntexlviii. Ob es wirklich haltbar ist, diese Mischung aus gesellschaftlichen Gruppen, deren Gemeinsamkeit vor allem darin besteht, Ausdruck rückständiger Produktionsverhältnisse zu sein und mit dem Imperialismus im Bunde zu stehen, als „Klasse“ zu bezeichnen, ist eine andere Frage, die uns aber hier nicht interessieren soll.

Aus diesem Grund spricht Mao auch explizit davon, dass die Kompradoren die „am meisten reaktionären Produktionsverhältnisse“ repräsentierten. Dies wäre nicht der Fall, wenn es sich wirklich um Teile einer sich entwickelnden kapitalistischen Bourgeoisie handeln würde, denn diese wäre zumindest historisch fortschrittlicher gewesen als der auf außerökonomischen Gewaltverhältnissen beruhende Grundbesitz, der außerhalb der Städte Chinas dominierte.

An dieser Stelle ist nicht von Interesse, wie die Strategie und Taktik der KP Chinas in den 1920er und 30er Jahren sowie Maos Klassenanalyse des damaligen China aus heutiger Sicht einzuschätzen sind. Dies wären interessante und wichtige Fragen für die weitere Klärung, um eine vertiefte Einschätzung der maoistischen Strömung vornehmen zu können. Hier soll vorerst der Hinweis genügen, dass das von Mao entwickelte begriffliche Instrumentarium sich auf eine sehr spezifische historische Situation bezieht, nämlich die des halbkolonialen und erst ganz am Anfang der kapitalistischen Entwicklung stehenden China. Die Dekolonisierung, die die allermeisten ehemaligen Kolonien zu politisch eigenständigen Staaten gemacht hat, die Expansion des Monopolkapitalismus über die gesamte Erdkugel und der Aufstieg Chinas zu einer der führenden kapitalistischen Mächte des Planeten haben heute eine völlig andere Situation geschaffen, die es verbietet, diese Konzepte schematisch auf heute zu übertragen.

An dieser Stelle ist eine Erläuterung zum Begriff „Halbkolonie“ angebracht, der von Lenin oft verwendet wird und in der aktuellen Diskussion einige Verwirrung stiftet. Lenin nennt als Beispiele für diese Kategorie von Ländern immer wieder folgende drei: Die Türkei, Persien und China. Zur Erläuterung schreibt er: „Persien ist schon fast vollständig zur Kolonie geworden, China und die Türkei sind im Begriff, es zu werdenxlix. Wie waren die politischen Verhältnisse in diesen Ländern zum Zeitpunkt von Lenins Schrift? Persien beispielsweise war zu dieser Zeit nach dem Vertrag von St. Petersburg (1907) in Einflusszonen zwischen Russland und Großbritannien aufgeteilt, die unmittelbar in die Politik des Landes intervenierten und auf seinem Territorium Krieg gegen die Osmanen führten. Das Osmanische Reich war zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits im Zerfall begriffen, finanziell völlig im Würgegriff westlicher Banken und verlor innerhalb kurzer Zeit große Teile seines Territoriums an Italien und die Balkanstaaten. Am Ende des Ersten Weltkrieges fand tatsächlich eine Form der Kolonisierung durch die Entente statt, die nur durch den nationalen Aufstand unter Führung Mustafa Kemals verhindert wurde. Auch China wurde im 19. Jahrhundert mit kriegerischer Gewalt gezwungen, die Anwesenheit der europäischen und japanischen Kolonialmächte auf dem Kontinent und den Inseln zu akzeptieren und den zahllosen sogenannten „ungleichen Verträgen“ zuzustimmen, die den ausländischen Mächten sehr weitreichende Eingriffe in die nationale Souveränität ermöglichten (z.B. die Abtretung von Hongkong, Macao, der Mandschurei und weiterer Landesteile an die Kolonialmächte, die Aufgabe der Hoheit über die Zollpolitik, die erzwungene Öffnung für den britischen Opiumhandel, das ungehinderte Wirken christlicher Missionare usw. usf.). Wir sehen also: Lenin meinte mit „Halbkolonien“ keineswegs einfach Länder, die politisch unabhängig, aber ökonomisch in einer Abhängigkeit von den führenden imperialistischen Ländern stehen. Das wird ganz klar dadurch, dass Lenin wenig später Argentinien als „andere Form“ der „Übergangsformen“ zwischen Kolonialmächten und Kolonien bezeichnet und ausführt, dass Argentinien sich in starker finanzieller Abhängigkeit vom britischen Kapital befandl. Als „Halbkolonien“ bezeichnete er in zutreffender Weise lediglich solche Länder, die tatsächlich eine Zwischenform zwischen einer Kolonie und einem souveränen Staat darstellten. Lenin unterschied also bereits in einer Weltlage, die tatsächlich von der Zweiteilung zwischen Kolonialmächten und Kolonien gekennzeichnet war, bereits deutlich verschiedene Gruppen von Ländern: 1) Die Kolonialmächte mit einem entwickelten Monopolkapital. 2) Die von diesen abhängigen Länder, die aber (wie z.B. Portugal) durchaus eine eigenständige Politik betreiben konnten. 3) Die drei Halbkolonien Persien, China und Türkei. 4) Die Kolonien.

Die Kommunistische Internationale verwendet den Begriff „Kompradorenbourgeoisie“ auf ihrem VI. Weltkongress im Jahr 1928 ebenfalls. In den Kongressdokumenten ist zu lesen: „Die nationale Bourgeoisie in diesen kolonialen Ländern nimmt keine einheitliche Stellung gegenüber dem Imperialismus ein. Ein Teil dieser Bourgeoisie, in erster Linie der Handelsbourgeoisie, dient unmittelbar den Interessen des imperialistischen Kapitals (die sogenannte Kompradorenbourgeoisie). Sie verteidigt im großen und ganzen mehr oder weniger konsequent einen antinationalen, imperialistischen Standpunkt, der sich gegen die gesamte nationale Bewegung richtet, genau so wie die feudalen Verbündeten des Imperialismus und die besser bezahlten einheimischen Beamten.“li. Und: „Die verschiedenen einheimischen Kapitalisten sind allerdings infolge ihrer unmittelbaren Interessen größtenteils durch mannigfaltige Bande mit dem imperialistischen Kapital verknüpft. Der Imperialismus ist imstande, einen bedeutenden Teil dieser Bourgeoisie direkt zu kaufen, könnte sogar für einen noch größeren Teil als bisher eine gewisse Kompradorenstellung schaffen, die Stellung eines kommerziellen Vermittlers, eines subalternen Ausbeuters, eines Aufsehers über das versklavte Volk. Aber die Stellung des Sklavenbesitzers, des monopolistischen obersten Ausbeuters behält der Imperialismus sich selber vor.“lii.

In den Komintern-Dokumenten ist also klar von einer Kompradorenbourgeoisie statt allgemein von einer „Kompradorenklasse“ die Rede. Diese wird auch genauer bestimmt: Sie ist v.a. ein Teil der Handelsbourgeoisie, bezieht ihre Profite also aus dem Warenhandel, indem sie den Handel anderer Kapitalisten vermittelt und/oder subaltern die Arbeiter des Landes ausbeutet, d.h. unter dem Kommando eines fremden Kapitals steht und Aufseherpflichten für dieses übernimmt. Zudem wird klargestellt, dass es sich um kleines, nicht-monopolistisches Kapital handelt und nur der ausländische Imperialist über monopolistisches Kapital verfügt.

Am wichtigsten ist aber: Das Dokument spricht an mehreren Stellen klipp und klar von der Situation in einer Kolonie, also einem Land ohne jegliche politische Souveränität unter direkter fremder Beherrschung. Es geht eindeutig nicht um Länder, in denen der Kapitalismus sich bereits über sein embryonales Stadium hinaus entwickelt hat. Das alleine führt direkt zu der Frage, welche Relevanz dieser Begriff für die heutige Zeit, Jahrzehnte nach der fast völligen Dekolonisierung der Welt und in einem global entwickelten Kapitalismus überhaupt haben kann.

Wie wurde der Begriff seitdem weiterverwendet?

Eingang den akademischen Diskurs fand der Begriff der „Kompradorenbourgeoisie“ vor allem durch den Staatstheoretiker Nicos Poulantzas, der politisch der „eurokommunistischen“ Strömung zuzurechnen ist. Poulantzas analysierte in den 70ern die Krise der Diktaturen in Portugal, Griechenland und Spanien u.a. mit Blick auf die Konflikte zwischen den Kapitalfraktionen in diesen Ländern, wobei er vor allem zwischen der „Kompradorenbourgeoisie“ und der „inneren Bourgeoisie“ unterschied. Als „innere Bourgeoisie“ verstand er (monopolistische und nichtmonopolistische) Kapitalisten v.a. aus der Leichtindustrie, die zwar vom ausländischen Kapital abhängig seien, aber auch im Widerspruch zu diesem stünden, weil sie bei der Verteilung des Mehrwerts benachteiligt sind. Es handelt sich laut Poulantzas hier aufgrund der bestehenden Abhängigkeit vom Auslandskapital nicht um eine nationale Bourgeoisie, aber dennoch um eine Bourgeoisie mit eigenen Interessenliii. Deshalb, so Poulantzas, sei die „innere Bourgeoisie“ in Opposition zu den von den USA gestützten Diktaturen und für eine bürgerliche Demokratisierung gewesen, was sie zum Bündnispartner für die Kommunisten macheliv. Die „Kompradorenbourgeoisie“ dagegen wird definiert als eine Klasse „deren Interessen gänzlich denen des ausländischen Kapitals unterliegen und die gleichsam als direkter Vermittler für die Festsetzung und die Reproduktion dieses Kapitals in diesen Ländern fungiert“. Dies seien vor allem Banken und Handelsunternehmen, aber auch solche der Industrie, wofür er als Beispiel die griechischen Reedereien und Schiffskonstrukteure nennt. Die Kompradorenbourgeoisie stelle einen „Agenten“ des ausländischen Kapitals dar und hebe sich politisch durch die Unterstützung der Diktaturen hervorlv.

Hier sehen wir bereits eine erhebliche Bedeutungsverschiebung beim Begriff Kompradorenbourgeoisie, der schon erkennen lässt, wie problematisch dieser Begriff als Kategorie für die Analyse heutiger Verhältnisse ist. Poulantzas spricht hier nämlich nicht mehr von Kolonien, sondern von Ländern mit einem auch damals (in den 1960ern und 70ern) einigermaßen entwickelten Kapitalismus. Die Beispiele, die er für die „Kompradorenbourgeoisie“ anführt, sind z.T. eindeutig monopolistische Großkapitalisten (die griechischen Reedereien etwa dominieren seit Jahrzehnten und bis heute den weltweiten maritimen Handel). Wie dieses Verhältnis genau aussehen soll, das sie angeblich zu Knechten der ausländischen Monopole machen soll, erklärt Poulantzas nicht. Das macht seine Klassenanalyse äußerst zweifelhaft. Und die politische Konsequenz? Während es Mao und der Komintern noch darum ging, Bündnisse für den Kampf um die Dekolonisierung zu schmieden, wird bei Poulantzas auch in kapitalistischen Ländern die Bourgeoisie in einen reaktionären und einen tendenziell fortschrittlichen Teil unterteilt, der mit den Interessen der Arbeiterklasse (zumindest für eine bestimmte „Kampfetappe“) vereinbar sei. Es ist kein Zufall, dass Poulantzas politisch im Lager des offenen Opportunismus landete, nämlich der „eurokommunistischen“ (d.h. in Wahrheit letztlich antikommunistischen) Abspaltung von der Kommunistischen Partei Griechenlands. Denn die Vorstellung, die Arbeiterklasse eines kapitalistischen Landes könnte sich mit ihren Kapitalisten verbünden, bedeutet letzten Endes die Aufgabe des Klassenkampfes.

Für die Analyse von Kolonien oder Halbkolonien wie China in den 1930ern und 40ern mag die Kategorie der Kompradorenbourgeoisie also zutreffend sein oder auch nicht. Wenn wir aber über souveräne Staaten mit einem entwickelten Kapitalismus sprechen, muss ihre Aussagekraft sicherlich sehr infrage gestellt werden.

4.2) Die „Kompradorenbourgeoisie“ als Kategorie der Analyse entwickelter kapitalistischer Klassenverhältnisse

Es herrscht in der international geführten Imperialismusdiskussion teilweise ein so vulgäres Verständnis bestimmter Begriffe vor, dass in der Diskussion die „Kompradorenbourgeoisie“ mitunter einfach als Kapital mit dominierender ausländischer Beteiligung verstanden wird. In Wirklichkeit hat das eine mit dem anderen nicht das Geringste zu tun: Der Begriff „Kompradorenbourgeoisie“ bezeichnet keineswegs einfach ein kapitalistisches Unternehmen, das von ausländischem Kapital übernommen wurde. Kompradoren sind keineswegs einfach Gruppen des Kapitals, die mit dem ausländischen Kapital verbunden sind – denn diese Tatsache sagt noch nichts über das „wie“, also über die Qualität dieser Verbindungen aus. Der Begriff bezeichnet, wie aus oben dargestellter Begriffsgeschichte hervorgeht, eine bestimmte Funktion dieses Kapitals in der Akkumulation des Gesamtkapitals: Als Kompradorenklasse wurde eine gesellschaftliche Gruppe (nicht einmal hauptsächlich eine Bourgeoisie) bezeichnet, die allein die Akkumulation ausländischer Monopole vermittelt und dabei die „Brotkrumen“ des von den imperialistischen Monopolen produzierten Mehrwert abbekommt.

Beschreibt dies die Realität von Unternehmen in schwächeren kapitalistischen Ökonomien?

Das Kapital entwickelt sich überall auf der Welt nach denselben Gesetzmäßigkeiten. Es hat an der Wall Street keinen grundsätzlich anderen Charakter als in Indonesien oder in Russland. Eine Aktiengesellschaft aus Indien funktioniert im Prinzip genauso wie eine in den USA. Das Kapital indischer Milliardäre wird ebenfalls überall nach den besten Anlagemöglichkeiten suchen, die die größte Sicherheit und den größten Profit versprechen. Sein Ziel ist der eigene Profit, nicht der Profit von Kapitalisten in den USA oder Europa. Dabei existieren überall auf der Welt Einstiegsbarrieren, die den freien Fluss des Kapitals von einer Anlagesphäre in eine andere erschweren. Diese sind ein wesentlicher Grund für die Ungleichheit der Entwicklung des Kapitalismus, die ein grundlegendes Gesetz darstellt. Die ungleiche Entwicklung macht es unmöglich, dass es jemals zu dem von Kautsky imaginierten „Welttrust“ kommen kann, in dem alle Einzelkapitale aufgehoben werden. Die fortschreitende Konzentration und Zentralisation des Kapitals wird begleitet davon, dass immer wieder neue Kapitale entstehen und zum Teil selbst den mächtigsten Monopolen Konkurrenz machen können (auch wenn sie das lokal oder branchenmäßig begrenzt tun).

Überhaupt schließt die Herausbildung des Monopolkapitals eine Charakterisierung dieser Kapitale als Kompradorenbourgeoisie aus. Monopole sind Kapitalien, die mindestens im Rahmen ihres Nationalstaates, oft aber darüber hinaus, eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Die Stellung als Monopol impliziert, dass große Mengen an Mehrwert akkumuliert werden, die innerhalb der Branche, der sie entstammen, keine ausreichend profitträchtige Anlage mehr finden und daher danach drängen, andernorts investiert zu werden. Der Tätigkeitskreis des Monopolkapitals ist daher prinzipiell unbegrenzt (obwohl es natürlich auch für kleinere Monopole Eintrittsbarrieren gibt, die beispielsweise den Eintritt in Branchen mit sehr hohem Technologieanteil erschweren). Es expandiert in andere Branchen, in andere Länder, es entwickelt finanzkapitalistische Aktivitäten, durch die es (in Form von Zinsen, Dividenden, Spekulationsgewinnen usw.) Profite ohne den Umweg über die materielle Produktion realisieren kann. Solche Marktmacht, solche Verfügungsgewalt über enorme Kapitalsummen sind nicht vereinbar mit der völligen Abhängigkeit von ausländischen Monopolen, die den „Kompradoren“ zugeschrieben wird.

Das Monopolkapital kann letztlich also allein deshalb nicht Vermittler zwischen dem imperialistischen Kapital und dem Binnenmarkt eines nicht-imperialistischen, unterdrückten Landes sein, weil es selbst das Produktionsverhältnis des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus verkörpert. Die ahistorische Vulgarisierung der Begriffe, die willkürliche Anwendung von Begriffen mit völlig unpassendem und unklarem Bedeutungsinhalt spiegelt hierbei aber nur die Unmöglichkeit wider, für das Konzept der Kompradorenbourgeoisie, das aus dem semi-kolonialen Kontext Chinas stammt, eine Entsprechung unter den Bedingungen des entfalteten Monopolkapitalismus zu finden.

Diese ahistorische Anwendung des Begriffs „Kompradoren“ auf die heutige Zeit führt zu so absurden Behauptungen, wie dass die Kapitalistenklasse in Neuseeland, die traditionell eng mit den Monopolen der USA, Großbritanniens und Australiens verbunden war, jetzt aber zunehmend Geschäftsoptionen mit chinesischen Konzernen wahrnimmt, eine „Kompradorenbourgeoisie“ sei, die von der Abhängigkeit vom Westen hin zur Abhängigkeit von China umschwenkelvi. Man fragt sich, weshalb der Gedanke, dass Kapitalisten aus Neuseeland vielleicht aus ihrem ureigenen Profitinteresse ihre Geschäfte diversifizieren und dieses Vorgehen selbst Ausdruck einer imperialistischen Strategie sein könnte, anscheinend so schwerfällt.

Sicherlich: Wenn man krampfhaft danach sucht, wird man sicherlich Beispiele finden, wo ein Unternehmen in einem Land als Vermittler der Geschäfte ausländischer Konzerne auftritt. Ein Autohaus in Marokko, das die Fahrzeuge eines französischen Autokonzerns vertreibt, würde z.B. dieser Beschreibung entsprechen. Doch ergibt es nicht sonderlich viel Sinn, dieses dann als „Kompradorenbourgeoisie“ zu bezeichnen. Denn ob es als Teil einer organisierten „kompradoristischen“ Fraktion der Bourgeoisie auftritt, ob es überhaupt eine politisch organisierte Gruppe der Bourgeoisie gibt, die in diesem Sinne aktiv ist (als Interessenvertreter ausländischer Monopole) ist zweifelhaft und muss ggf. konkret belegt und nicht einfach nur behauptet werden.

Selbst wenn also nachgewiesen werden könnte, dass bestimmte Teile des Kapitals in Ländern auf einer niedrigeren Stufe der imperialistischen Rangordnung die Charakteristika einer „Kompradorenbourgeoisie“ aufweisen, dann könnten dies zwangsläufig nur kleinere Betriebe sein, deren Aktivitäten einen sehr beschränkten Radius haben und die unmittelbar an die Geschäfte der ausländischen Monopole (und nicht gleichzeitig auch der einheimischen Monopole) angedockt sind. Selbst wenn die Existenz solcher Teile der Bourgeoisie nachgewiesen werden könnte, müssten wir davon ausgehen, dass es sich um eine marginale Fraktion des Kapitals handelt, die niemals imstande sein kann, die politische Entwicklung des Landes zu kontrollieren. Andernfalls wäre es zumindest ein großes Rätsel, wie in einem Land, dessen Entwicklung sich im Stadium des Monopolkapitalismus befindet, nicht die ökonomisch stärksten Kapitale die Führung innerhalb der herrschenden Klasse und im Staatsapparat übernehmen können, sondern eine vergleichsweise marginale Gruppe von Kapitalisten, die zudem noch nicht einmal eine eigene Akkumulationsbasis im Land besitzen. Dass es einen solchen Fall gibt, konnte bisher noch niemand überzeugend darlegen.

Sehen wir uns an dieser Stelle beispielhaft und ausschnittsweise die Bourgeoisien einiger Länder mit schwächerer kapitalistischer Entwicklung an. Der Kapitalismus auf der Südhalbkugel muss noch tiefergehend analysiert werden. Ein besseres Verständnis darüber, inwiefern sich auch dort monopolkapitalistische Verhältnisse herausgebildet haben, können aber bereits folgende, mehr oder weniger zufällig herausgegriffene Daten schaffen:

  • Zum saudischen Staatsfonds wurde weiter oben schon geschrieben. Zudem ist der saudische Ölkonzern Saudi Aramco die größte Ölfördergesellschaft der Welt und streitet sich mit Apple und Microsoft um den Titel des (gemessen an der Marktkapitalisierung) größten Konzerns der Welt.
  • Die südafrikanische Standard Bank besitzt Filialen in Botswana, DR Kongo, Ghana, Kenia, Malawi, Nigeria, Südsudan, Tansania, Uganda, Sambia, Simbabwe, aber auch Großbritannien, Russland und der Türkeilvii. Die Marktkapitalisierung beträgt umgerechnet 23,5 Mrd. € (Stand 2018, Wechselkurs vom 1.1.2018). Die Bank gehörte 2021 zu knapp über 50% südafrikanischen Aktionären, wobei die ICBC aus China mit ca. 20% größter Einzelaktionär warlviii. Noch größer ist die Bankengruppe FirstRand mit Sitz in Johannesburg und einer Marktkapitalisierung von umgerechnet ca. 26 Mrd. €. Der Medienkonzern Naspers aus Kapstadt ist der größte Medienkonzern des afrikanischen Kontinents mit einem Volumen von 97 Mrd. €lix. FirstRand gehört zu mindestens 52% südafrikanischen Investoren, wobei weitere 11,7% der Eigentümer nicht bekannt sindlx
  • Die nigerianischen Zementkonzerne Dangote Cement und BUA Cement haben aktuell eine Marktkapitalisierung von über 11 Mrd. US$ und 5,8 Mrd. US$ respektivelxi. Es handelt sich um Transnationale Konzerne mit Operationen im Ausland. Beispielsweise betreibt Dangote Cement Fabriken in Äthiopien und Senegal, um den Zementbedarf in diesen und weiteren Ländern zu bedienenlxii. Zudem baut er seit 2016 im nigerianischen Lekki die weltgrößte Ölraffinerie. Der Konzern gehört zu 85% dem nigerianischen Milliardär Aliko Dangote, dem reichsten Mann Afrikas und auf Platz 130 der Weltrangliste der reichsten Menschenlxiii.
  • Die Walton-Gruppe aus Bangladesh hat eine Marktkapitalisierung von 3,7 Mrd. € und dominiert den heimischen Markt bei Elektro- und Elektronikproduktenlxiv. Walton kaufte 2022 drei prestigeträchtige italienische Elektromarken (ACC, Zanussi Elettromeccanica und VOE) auf mit dem erklärten Ziel, bis 2030 zu einem der größten Konsumelektronikproduzenten der Welt zu werdenlxv.
  • Der kolumbianische Ölkonzern Ecopetrol war 2012 die Nummer 346 auf der Liste der 500 weltgrößten Konzerne und ist einer der vier größten Ölkonzerne Lateinamerikas. Die Holding-Gesellschaft Grupo Aval mit Sitz in Bogotá ist mit Tochtergesellschaften in allen Ländern Zentralamerikas sowie in den USA vertreten, kontrolliert mehrere kolumbianische Banken und ist im Bereich Telekommunikation und Immobilien aktiv. Die Bank Bancolombia mit Sitz in Medellin verfügt über ein Jahreseinkommen von 7 Mrd. US$ (2016) und bietet Finanzdienstleistungen in zahlreichen Ländern Lateinamerikas, in Australien, den USA, Spanien, Sri Lanka und Malaysia anlxvi. Ecopetrol gehört zu über 88% dem kolumbianischen Staat, der Rest verteilt sich auf kolumbianische und ausländische Investorenlxvii. Bancolombia gehört zu 24,5% dem kolumbianischen Versicherungskonzern Suramericana de Inversiones, zu 23,2% kolumibanischen Rentenfonds und zu 18,1% kleineren Aktionären aus Kolumbienlxviii.
  • Auf den Philippinen spielt die SM Investment Corporation des 2019 verstorbenen philippinischen Milliardärs Sy Chi Sieng eine dominierende Rolle im Einzelhandel, Immobilien, Banking und Tourismus. Das zweitgrößte Unternehmen BDO Unibank gehört ebenfalls zur SM-Gruppe. Beide zusammen haben einen Marktwert von umgerechnet 29 Mrd. US$. Die BDO-Bank kaufte in den vergangenen Jahren zahlreiche Zweigstellen anderer Banken in den Philippinen auf, u.a. von der Deutschen Bank, Santander und der Citibank. Die sieben größten Monopole der Philippinen sind zusammengerechnet knapp 50 Mrd. US$ wertlxix.

Es versteht sich von selbst, dass diese Liste beliebig fortgesetzt werden könnte. Um welche Art von Kapital handelt es sich bei den genannten Unternehmen? Um monopolistisches Finanzkapital wie Lenin es beschreibt oder um eine Kompradorenklasse vergleichbar den Großgrundbesitzern und Mandarinen im China der 1930er Jahre? Oder in dem Sinne, wie die Komintern den Begriff verwendet, um nicht-monopolistische und subalterne Vermittler des Warenabsatzes ausländischer Monopole? Die Frage ist selbstverständlich rhetorisch. Es handelt sich offensichtlich um Monopole mit einer eigenständigen Kapitalakkumulation, die gleichermaßen in Industrie, Handel und Finanzwesen aktiv sind, die Arbeiterklasse des eigenen Landes ebenso wie die fremder Länder (oft sogar in den Zentren des imperialistischen Weltsystems) ausbeuten und ihre Interessen auf dieser Grundlage verfolgen. Auch die oft gehörte Behauptung, diese Unternehmen seien nur scheinbar unabhängig, würden sich aber in Wirklichkeit unter der Kontrolle des Kapitals aus den USA oder Europa befinden, erweist sich anhand der vorliegenden Daten als eindeutig falsch: Sie gehören (in allen Fällen, in denen Daten dazu verfügbar waren) Kapitalisten aus den Ländern, in denen auch ihr Geschäftssitz liegt. Ausländisches Kapital wird bei Bedarf über die Börse zur Stärkung der eigenen Operationen und Zentralisation des Kapitals angezogen, so wie es das Finanzkapital auf der ganzen Welt praktiziert. Zusammenfassend lässt sich bei diesen Monopolen absolut kein Wesensunterschied zu den Monopolkonzernen der führenden imperialistischen Länder wie Deutschland, China, USA usw. ausmachen. Die Unterschiede bestehen lediglich im Umfang der Geschäfte und des Kapitalexports.

Wenn nun einige Autoren von einer „Kompradorenbourgeoisie“ schreiben und damit in Wirklichkeit Monopole mit eigenen Profitinteressen meinen, dann ist das mehr als nur eine willkürliche und ahistorische Verzerrung eines Begriffs, der eigentlich einen fest definierten Inhalt hat. Es ist vor allem der Versuch, entgegen allen vorliegenden Tatsachen die Bourgeoisie willkürlich in zwei Gruppen zu unterteilen, um die Unterstützung bürgerlicher Parteien und Regierungen damit rechtfertigen zu können.

Bedeutet all das nun, dass das Kapital, auch das Monopolkapital eines schwächeren Landes unmöglich in einer Abhängigkeitsbeziehung vom ausländischen Kapital stehen kann?

Natürlich nicht. Der kapitalistische Weltmarkt ist überall von Abhängigkeitsverhältnissen durchzogen. Ebenso wie zwischen den Ländern gibt es auch zwischen den Kapitalen asymmetrische gegenseitige Abhängigkeiten: So ist beispielsweise der Autoproduzent in Baden-Württemberg von seinen Zulieferern abhängig und diese von ihm – wer in dieser Beziehung allerdings die Oberhand hat, wer die größere Macht zur Gestaltung der Einkaufspreise hat und die größeren Möglichkeiten, auf alternative Geschäftspartner umzusteigen, ist auch offensichtlich: Das kleine Kapital ist dem großen immer untergeordnet. Gleiches gilt grundsätzlich auch auf der Ebene des Monopolkapitals selbst: Ein kleineres, im Wesentlichen im nationalen Rahmen operierendes Monopol ist der internationalisierten Großbank, dem großen institutionellen Investor oder dem industriellen Großkonzern in der Hierarchie untergeordnet: Er ist deren größerer Macht zur Preisbildung ausgesetzt, von dessen Krediten abhängig, Teile seiner Aktien werden von größeren Investoren gehalten und möglicherweise wird es irgendwann von einem größeren Monopol aufgekauft. Als „Kompradorenbourgeoisie“ kann man es trotzdem nicht bezeichnen. Die Ungleichheit von gegenseitigen Abhängigkeiten, die Unterordnung der Schwächeren unter die Stärkeren ist ein universelles Charakteristikum der kapitalistischen Entwicklung. Diese Unterordnung ist aber immer relativ – sie ist wie in einer „Pyramide“ abgestuft, die Übergänge sind fließend und die Rangordnung ist veränderlich. Wäre dem nicht so, dann müsste es in der Tat auf der Welt nur eine winzige Handvoll Monopole geben, denen alle anderen Kapitale bedingungslos untergeordnet wären. Und es gäbe keine Chance, dass sich an dieser Rangordnung irgendwann etwas ändert. Dem ist aber offensichtlich nicht so: Die Rangordnung der Stärke der Monopole ist in ständiger Veränderung begriffen. Viele der weltweit größten Monopole spielten beispielsweise vor 20 Jahren nur eine randständige und untergeordnete (!) Rolle oder sie existierten noch gar nicht. Dies gilt beispielsweise für die heute gigantischen Monopole Chinas wie Sinopec, ICBC, China National Petroleum, Ping An, Huawei usw.

Alle Kapitale gehorchen, wie bereits gesagt wurde, grundsätzlich denselben Gesetzmäßigkeiten. Das erste Gesetz jeden Kapitals ist, dass es die Bewegung G-G‘ vollziehen muss – es muss sich verwerten, es muss das angelegte Kapital mit Profit wieder einnehmen. Für die Akkumulation des Kapitals müssen aus Sicht des Kapitals bestmögliche Bedingungen hergestellt werden: Lohnkosten müssen begrenzt werden, Steuern und Abgaben niedrig bleiben, Infrastruktur und Zugang zu Forschungsinstituten bereitstehen, der gesetzliche Rahmen kapitalfreundlich sein, Lobbyismus und der Zugang zum Staatsapparat möglichst barrierefrei, der Zugriff auf Ressourcen gesichert, der Eintritt in die Märkte anderer Länder notfalls erzwungen werden.

Dieses Gesetz mit all seinen Konsequenzen ist für den kleinen Kapitalisten ebenso gültig wie für den großen, für die Kapitalisten in schwächeren Ländern ebenso wie für die großen Investmentbanken in New York, London und Paris. Differenzen zwischen den Interessen der Kapitalisten verschiedener Branchen, zwischen Banken und Industrie, zwischen Monopolen und KMUs und entlang anderer Scheidungslinien existieren zweifellos zu allen möglichen Fragen. Beispiele dafür zu finden, fällt leicht: Die britische Bourgeoisie war gespalten über den Brexitlxx. Die deutsche und französische Bourgeoisie entzweite sich in den Diskussionen um die Krisenbewältigung in der EU an Fragen wie den Eurobonds (Gemeinschaftsanleihen der Eurozone) und der europäischen Wirtschaftsregierung. In Deutschland favorisierten in den letzten Jahren Teile der Monopolbourgeoisie eine Annäherung an Russland, andere wiederum das festere Bündnis mit den USA. Die Grundlage dafür ist jeweils das Interesse am Profit. Die Gründe, weshalb dieses Interesse – das allen Kapitalisten gemein ist – die Kapitalisten trotzdem in unterschiedliche Richtungen treiben kann, können im Prinzip alles Mögliche sein: Von geografischen Faktoren über die Abhängigkeit von bestimmten Ressourcen oder den monopolistischen oder nicht-monopolistischen Charakter eines Unternehmens bis zur hauptsächlichen Tätigkeit eines Monopols im Finanzsektor oder in der Industrie. Für die konkrete Analyse der Politik der Bourgeoisie sind diese Differenzierungen relevant. Was sich daraus aber sicherlich nicht konstruieren lässt, ist eine Unterscheidung der Bourgeoisie in „Imperialisten“ und „Kompradoren“.

Auch ist es natürlich richtig, dass manche Gruppen des Kapitals in ökonomisch schwächeren Ländern enger mit den führenden imperialistischen Zentren, insbesondere den USA verbunden sind als andere. Dies kann verschiedene Gründe haben, in der Regel gehen Kapitalverflechtungen und Handelsbeziehungen miteinander einher und sind geografisch ähnlich gelagert. Die enge Verbindung mancher Monopole mit dem US-Kapital ist also historisch gewachsen, weil sich in bestimmten Branchen durch diese Verbindung besonders hohe Profite erzielen ließen. Auch wenn diese Beziehungen asymmetrisch sein mögen, sind sie doch nicht zwangsläufig Beziehungen der Unterwerfung unter die USA. Die Kapitalisten gehen Bündnisse und Verflechtungen immer dort ein, wo sie einen Vorteil davon haben und lösen diese wieder auf, wenn der Vorteil verschwindet – durch eine solche Verbindung ändert sich aber nicht der Charakter des Kapitals, es wird dadurch nicht zum „Kompradoren“ und gewinnt nicht erst bei der Auflösung der Verbindung seine Eigenständigkeit.

Die politische Ausrichtung des Kapitals ist grundsätzlich reaktionär. Sie steht dem Interesse der Arbeiterklasse und der Volksmassen diametral feindlich gegenüber. Sie ist auf die Erhaltung der kapitalistischen Eigentumsordnung, die Intensivierung der Ausbeutung und die Eroberung neuer Geschäftsmöglichkeiten mit allen Mitteln, inklusive dem des Krieges ausgerichtet. Hierin stimmen die Kapitalisten trotz all ihrer sonstigen Differenzen überein. Gewisse Analysen, die etwa den Beitritt der südeuropäischen Länder zur EU und Eurozone darauf zurückführen, dass die herrschenden Politiker dieser Länder den imperialistischen Hauptmächten (in diesem Fall wohl Deutschland und Frankreich) „hörig“ seien und die Kapitalistenklasse dieser Länder nur aus „Kompradoren“ bestehe, entsprechen nicht der Realität. Damit wird verschleiert, dass das Kapital in diesen Ländern selbst ein Interesse an diesen Schritten hatte: Die kapitalistische europäische Integration verschafft auch vielen Kapitalisten der ökonomisch schwächeren Länder eine Reihe handfester Vorteile: Vom erleichterten Zugang zu ausländischen Märkten über den Zugriff auf stark verbilligte Kredite, stabilisierte Wechselkurse, eine starke Währung, um beispielsweise Unternehmen in Nicht-Euro-Ländern aufkaufen zu können bis hin zu einer breiten Palette an Instrumenten, um Sozialleistungen und Löhne kürzen zu können (Fiskalpakt, Europäisches Semester usw.).

Aus alldem folgt notwendigerweise: Unabhängig davon, wie wir diese Frage für die Vergangenheit einschätzen, im heutigen Kapitalismus gibt es keine „Kompradorenbourgeoisie“ mehr, jedenfalls nicht in einem irgendwie relevanten Maße. Genauso wenig gibt es eine „nationale Bourgeoisie“ in dem Sinne, dass es Kapitalisten gäbe, die nicht mit dem ausländischen Kapital verflochten sind und für eine „ökonomische Unabhängigkeit“ kämpfen und als Bündnispartner für die Arbeiterklasse infrage kommen könnten. Der Kampf für „ökonomische Unabhängigkeit“ bedeutet nichts anderes, als sich langfristig (d.h. faktisch strategisch) der Bourgeoisie des eigenen Landes zu unterwerfen und ihr Interesse an der Stärkung ihrer Position im imperialistischen System zu unterstützen. Dies bedeutet zwangsläufig, dass die Arbeiterklasse dazu bewegt wird, Opfer bei ihrem Lebensstandard hinzunehmen, um das Kapital des eigenen Landes zu entwickeln. Es bedeutet auch zwangsläufig, dass der Drang des eigenen Kapitals zur Überakkumulation, zum Kapitalexport und zur Ausbeutung der Arbeiter anderer Länder unterstützt wird. Deshalb handelt es sich letzten Endes um eine chauvinistische und konterrevolutionäre Position.

Jede vermeintlich „nationale Bourgeoisie“ folgt denselben Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung hin zum Monopol, zum Export und Import von Kapital, d.h. zur zunehmenden Verflechtung mit dem Kapital anderer Länder, zur Fäulnis und zum Parasitismus, zur Reaktion. Im heutigen Kapitalismus hat diese Entwicklung sich bereits überall vollzogen. Die Entfaltung der Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise hat einer Unterscheidung der Bourgeoisie in „nationale Bourgeoisie“ und „Kompradorenbourgeoisie“ schlicht die materielle Grundlage entzogen.

  1. Noch einmal zur russischen Bourgeoisie

Zur russischen Bourgeoisie im Allgemeinen, d.h. welche Unternehmen und Kapitalisten in Russland dominieren, wo Schwerpunkte ihres Auslandsgeschäfts liegen usw., habe ich in früheren Artikeln bereits einiges geschrieben. Für die Zwecke dieses Artikels ist es nicht nötig, dies weiter zu vertiefen. Es soll auch nicht wiederholt werden, sondern kann an entsprechender Stelle nachgelesen werdenlxxi.

Die Vorstellung einer einseitigen, verabsolutierten Abhängigkeit wird von Vertretern der revisionistischenlxxii Imperialismusauffassung nicht nur in Bezug auf Russland propagiert, sondern bildet den Kern ihres Imperialismusverständnisses mit allen problematischen Konsequenzen (tendenziell positive Einordnung der BRICS, Illusionen in Vorteile, die sich aus der „Multipolarität“ ergeben können, „der Kapitalexport macht die Produktivkraftentwicklung unmöglich“ usw.). Diese vulgär-dependenztheoretischen Positionen wurden im Allgemeinen bereits weiter oben und in anderen Artikeln von mir kritisiert. Hier wird nun der Fall Russland noch etwas besser beleuchtet, weil sich an ihm schließlich der Dissens entzündete.

Ist der russische Kapitalexport eine reine Schimäre?

Ein Problem der bürgerlichen Investitionsstatistiken besteht darin, dass durch die aggregierten Größen über den genauen Charakter und Zweck der Investitionen nichts ausgesagt wird. Grenzüberschreitende Direktinvestitionen (foreign direct investment, FDI) umfassen sowohl Investitionen in produktive Aktivitäten als auch sogenannte Kapitalflucht. Als Kapitalflucht wird die schlagartige Verlagerung von Kapital in eine andere Jurisdiktion bezeichnet, die keine produktiven (wertschöpfenden) Geschäftsaktivitäten bezweckt, sondern der Vermeidung von Steuern und Regulierung dient, oft als Reaktion auf eine plötzlich verschlechterte ökonomische Situation im Ursprungsland. In der Diskussion um den Charakter Russlands wird der imperialistische Charakter dieses Landes mit dem Argument bestritten, dass die aus Russland abfließenden Investitionen in Wirklichkeit eine Schimäre, also ein Trugbild seien, eine Art statistischer Effekt, der nichts mit dem Kapitalexport zu tun habe, den Lenin als ein entscheidendes Charakteristikum der imperialistischen Epoche verstand. Was ist dran an diesem Argument?

Zunächst einmal ist unbestritten, dass ein erheblicher Teil der aus Russland abfließenden FDI tatsächlich keine produktiven Investitionen bezweckt. Ebenso unbestritten sollte allerdings sein, dass dies eben nur für einen Teil der FDI gilt, während ein anderer Teil durchaus solche Investitionen ausdrückt. Schätzungen zufolge sollen etwa 70% der FDI aus Russland der Steuervermeidung dienen und 30% produktiven Investitionenlxxiii. Es ist bekannt, dass russische Investoren vor allem Zypern als Steueroase auserkoren haben, in die sie ihr Kapital verlagern.

Doch davon abgesehen sind hier ein paar Worte zum Charakter der sogenannten Kapitalflucht oder allgemeiner des Kapitalabflusses angebracht. Es scheint eine falsche Vorstellung zu geben, was mit dem „fliehenden“ Kapital passiert, nachdem es die Jurisdiktion seines „Heimatlandes“ verlassen hat. Verschwindet dieses Kapital einfach aus den globalen Finanzströmen? Wird es irgendwo geparkt und spielt für die Kapitalakkumulation keine Rolle mehr? Natürlich nicht. Untätiges Kapital hört auf, Kapital zu sein und Profit abzuwerfen, weshalb es aus Sicht des Kapitalisten ein Ding der Unmöglichkeit ist. Der Kapitalist ist eben kein Schatzbildner, der ohne Ziel und Zweck Geld der Zirkulation entzieht, um es anzuhäufen, sondern er investiert es, um immer zusätzlichen Wert in Form des Profits anzueignenlxxiv. Das „geflohene“ Kapital muss also ebenfalls diesem Ziel dienen, wenn auch unter Umgehung der tatsächlichen Mehrwertproduktion. Das ist allerdings nichts besonderes – denn wie wir oben gesehen haben, gibt es neben dem „ursprünglichen“ Kapitalkreislauf G-W-G‘, der sich aus der Produktion von Mehrwert speist, auch den Kreislauf G-G‘, bei dem nur Mehrwert angeeignet wird, der an anderer Stelle produziert wurde.

Einen solchen Kreislauf vollzieht auch das „geflohene“ Kapital. Es wird in sogenannte Offshore-Finanzplätze verlagert, entweder um dort angelegt zu werden, oder um in weitere Länder transferiert zu werden. Diese Operationen haben vor allem drei Ziele: Erstens um im Zielland größere Rechtssicherheit zu genießen (d.h. z.B. vor Enteignungen oder Strafzahlungen geschützt zu sein). Zweitens um Regulierungen durch die Behörden zu entgehen. Drittens um Steuerzahlungen zu vermeidenlxxv. Hinter diesen Operationen stehen vor allem Multinationale Konzerne, die dadurch beispielsweise in der EU pro Jahr schätzungsweise zwischen 50 und 200 Mrd. US$ vermeiden und in den USA mindestens 130 Mrd. US$. Weltweit wird der Umfang der Steuervermeidung der Monopolkonzerne mithilfe solcher Steueroasen auf 500-650 Mrd. US$ geschätzt. Etwa die Hälfte aller grenzüberschreitenden Finanztransaktionen läuft über Offshore-Finanzplätzelxxvi. Typisch für Offshore-Finanzzentren ist, dass das dort eingetragene Kapitals in Wirklichkeit in anderen Ländern fungiert und akkumuliert und vor allem aus juristischen Gründen dorthin verlagert wird. Sie verschleiern also Operationen, die in Wirklichkeit durchaus Kapitalexport sein können, oder aber auch sogenanntes „round-tripping“, d.h. eine Scheininvestition, die sofort wieder ins Ursprungsland zurück transferiert wird, ebenfalls zum Zweck der Steuervermeidung. Schätzungsweise 40% der Kapitalflüsse aus Russland entfallen auf „round-tripping“, bleiben also de facto im Landlxxvii.

Das Verhältnis des kapitalistischen Staates zur Kapitalflucht ist widersprüchlich. Einerseits wird die Kapitalflucht von den Staaten zugelassen und sogar ermutigt. Dies gilt besonders für Staaten, die darauf hinarbeiten, sich selbst in eine Steueroase zu verwandeln. Beispielsweise hat Irland seine Körperschaftssteuer von 50% in den 1980ern auf 12,5% heute gesenkt, um dieses Ziel zu erreichen. Trotz des stark abgesenkten Steuersatzes nimmt der Staat heute aber mehr Unternehmenssteuer ein als zuvor, weil durch die massiven Kapitalzuflüsse die erhobenen Steuern in absoluten Zahlen trotzdem gestiegen sind. Hinzu kommen weitere Einnahmen durch Steuerberatung, Rechnungswesen, Registrierungsgebühren usw., die selbst in den Staaten anfallen, die gar keine Unternehmenssteuern mehr erheben. Dadurch verbessern die Steueroasen-Staaten ihre eigenen Finanzen, indem sie die Finanzierungsbasis aller anderen Länder untergrabenlxxviii. Im Gegensatz dazu steht offensichtlich das Interesse der Staaten, deren Ökonomie und Steuerbasis durch die Steuervermeidung ausgehöhlt werden. Es ist also offensichtlich, dass die Steuergesetzgebung ein Mittel der kapitalistischen Staatenkonkurrenz ist. Deshalb hat beispielsweise die EU ein seit 2019 geltendes Maßnahmenpaket gegen Steuerflucht verabschiedet, das die Besteuerung des „fliehenden“ Kapitals durch die Mitgliedsstaaten vorsieht und Schlupflöcher (z.B. künstlich erhöhte Zinszahlungen, um Steuern zu umgehen) schließen solllxxix. Doch selbst die Länder, von denen die Kapitalflucht ausgeht, können ein Interesse daran haben, sie nicht vollständig zu unterbinden. Denn die Steuervermeidung verstärkt auch die Kapitalakkumulation der großen Monopole und fördert sie in ihrem Bestreben nach Dominanz in der Weltwirtschaft.

Wie sieht es in Russland aus? Komolov schreibt dazu: „Eine Stärkung des Rubels könnte die Position der russischen Ölexporteure verschlechtert haben. Daher war der Staat dazu gezwungen, sie zu verhindern. (…) Unter diesen Bedingungen wurden große Nettoabflüsse von privatem Kapital aus der russischen Ökonomie zu einem positiven Faktor für den Staat (…). Während all dieser Jahre hat zudem die russische Regierung aktiv selbst Kapital in großem Umfang aus dem Land abgezogen. Um dies zu tun, nutzte der Staat zwei Hauptinstrumente: Die Erhöhung internationaler Reserven und Rückzahlung öffentlicher Schulden im Auslandlxxx. Mit anderen Worten: Die Kapitalflucht aus Russland ist selbst nach Ansicht eines Ökonomen, der Russland in der „Semiperipherie“ oder sogar „Peripherie“ des kapitalistischen Weltsystems ansiedelt, nicht nur ein dem Land von außen aufgezwungener Aderlass, sondern vielmehr ein Instrument, mit dem der kapitalistische Staat Wechselkurspolitik zugunsten der in Russland dominierenden Kapitalgruppen (der Öl-, Gas- und Rohstoffkonzerne) betreibt.

Zu unterscheiden wäre hier zwischen Kapitalabflüssen und Kapitalflucht, die von der russischen Bourgeoisie selbst ausgehen und deren Machtposition in Russland nicht beeinträchtigen, sondern eher verstärken; und solchen Kapitalbewegungen, die den Abzug von fremdem Kapital aus Russland ausdrücken und eine Tendenz zur Entkopplung und Blockbildung ausdrücken. Dazu später mehr. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Phänomenen ist anhand der statistischen Daten aber schwierig.

Grundsätzlich können wir festhalten: Kapitalflucht und Kapitalabzug aus einem Land bedeuten nicht, dass dieses Land aus dem imperialistischen Weltsystem ausgeschlossen würde und widersprechen nicht dem imperialistischen Charakter seiner Ökonomie. Während es stimmt, dass „Kapitalflucht“ im engeren Sinne vor allem aus Ländern mit geringerer Investitionssicherheit stattfindet (das ist definitionsgemäß so, wenn damit vor allem große und kurzfristige Abflüsse in Reaktion auf plötzliche Verschlechterungen der Lage gemeint sind), sind Kapitalabflüsse zur Vermeidung von Regulierungen und Steuerzahlungen ein allgemeines Phänomen, das die kapitalistische Weltwirtschaft als Ganzes betrifft. Es liegt im Wesen des Kapitals, Steuern und Einschränkungen seiner Profitmacherei vermeiden zu wollen. Wenn dies mithilfe von Offshore-Finanzzentren passiert, widerspricht das keineswegs dem imperialistischen Charakter der Ökonomie, es ist keineswegs Ausdruck einer unreifen Entwicklung des Kapitalismus. Genau das Gegenteil ist wahr: Die Nutzbarmachung der verschiedenen Jurisdiktionen innerhalb der kapitalistischen Staatenwelt ist gerade Ausdruck davon, dass das Monopolkapital im immer vollendeteren Sinne die Form des Finanzkapitals annimmt und als solches agiert. Erst die relative Loslösung des Kapitals als Eigentum vom fungierenden Kapital und die zunehmende Dominanz der Prozesse der finanziellen Akkumulation (G-G‘ ohne „Umweg“ über die Produktion) machen es möglich und notwendig, jede sich bietende Gelegenheit auf dem gesamten Planeten auszunutzen, um die finanziellen Gewinne weiter zu steigern.

Das russische Monopol- und Finanzkapital ist dabei keine Ausnahme. Auch wenn es international in einer relativ untergeordneten Position gegenüber den Monopolen aus China, Japan, USA, Westeuropa usw. steht, agiert es nach denselben Gesetzmäßigkeiten und ist voll und ganz in die globalen Kapitalströme, die Internationalisierung des Kapitals als bedeutendstem Ausdruck der Herausbildung des Imperialismus eingebunden. Die Stellung eines Landes in der imperialistischen Rangordnung ist zuallererst, wenn auch nicht nur, dadurch bestimmt, in welcher Weise das Kapital an der Verteilung der Monopolprofite teilhat. Es besteht kein Zweifel daran, dass die großen Monopole Russlands im Öl- und Gassektor und bestimmten Hochtechnologien in bedeutendem Maße an der Aneignung der weltweit generierten Monopolprofite teilhaben.

Die Rolle des ausländischen Kapitals in Russland

In einigen Darstellungen der russischen Ökonomie wird ein Bild gezeichnet, wonach die russische Wirtschaft von ausländischem Kapital gewissermaßen durchsetzt sei, von diesem übernommen werde und daher keine wirkliche Eigenständigkeit mehr habe. Damit wird oft die Behauptung untermauert, die russische Bourgeoisie (oder ein großer Teil derselben) sei eine „Kompradorenbourgeoisie“. Besonders die sogenannte „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“ hängt dieser Vorstellung an. Sie ist der Ansicht, in Russland herrsche ein „regressiver, parasitärer, oligarchischer Kompradorenkapitalismus“. „Die Abhängigkeit von ausländischem Kapitalbeginnt die Souveränität des Landes zu bedrohen. Unternehmen mit ausländischem Kapital machen 75 Prozent der Kommunikationsbranche, 56 Prozent der Rohstoffindustrie und 49 Prozent der Verarbeitungsindustrie aus. Dies erinnert stark an die Situation im frühen 20. Jahrhundert, als das westliche Kapital den Industrie- und Bankensektor im Russischen Reich beherrschtelxxxi. Der letzte Satz verdient eine kurze, aber wichtige Randbemerkung: Es ist in der Tat so, dass bereits Lenin über die dominierende Rolle des westlichen Kapitals in der Wirtschaft des russischen Zarenreiches geschrieben hatte – offensichtlich war das für ihn keineswegs ein Hindernis dafür, Russland als imperialistisch zu bezeichnen oder gar die russische herrschende Klasse im imperialistischen Ersten Weltkrieg scharf anzugreifen. Doch sehen wir uns das Verhältnis der russischen Bourgeoisie zum ausländischen Kapital etwas genauer an.

Es wurde bereits gezeigt, dass der Begriff „Kompradorenbourgeoisie“ etwas völlig anderes beschreibt als ausländische Beteiligungen an einem Unternehmen. Stimmt denn abgesehen davon das Bild einer „feindlichen Übernahme“ der russischen Ökonomie durch westliche Kapitalisten?

Das tut es nicht. Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich auch hier ein sehr fehlerhaftes Verständnis davon zeigt, wie die kapitalistische Ökonomie funktioniert. Ausländische Investitionen in einem Land werden dabei offenbar in schematischer und einseitiger Weise als Mittel zur Beherrschung und Knechtung dieses Landes verstanden. Dies entspricht aber nicht der Realität: Genauso wenig wie Kapitalexport zwingend und in jedem Fall etwas ist, das von der Bourgeoisie eines Landes gewollt ist, ist Kapitalimport notwendigerweise etwas „schlechtes“ für diese Bourgeoisie. Vielmehr ist das Entscheidende, dass die Kapitalisten eines Landes in den internationalen Kapitalverkehr eingebunden sind und diesen aktiv mitbestimmen. Der Import von Kapital ist dabei in der Regel (!) keine Belastung, die Entwicklung verhindert (obwohl es auch das gibt), sondern im Gegenteil ein Mittel, um diese zu fördern. Denn durch ausländischen Kapitalzufluss wird das Kapital im Zielland zentralisiert, es bekommt Zugriff auf größere Mittel für produktive Investitionen, für Finanzoperationen, für Fusionen und Übernahmen. Die Hauptzielländer von Direktinvestitionen sind daher auch nicht arme Länder, die damit geknechtet werden sollen, sondern die führenden kapitalistischen Länder und Länder mit schneller Kapitalakkumulation: die USA, China inklusive Hong Kong, die Niederlande, Indien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Brasilien, Mexiko uswlxxxii.

Russland ist in den letzten Jahren auf der Liste der größten Empfänger von FDI deutlich nach unten gerutscht, v.a. als Folge der Sanktionen. Die Probleme der russischen Bourgeoisie sind also mitnichten eine Folge davon, dass das Land vom Westen aufgekauft würde, sondern genau das Gegenteil: Einer der belastenden Faktoren für den russischen Kapitalismus ist seine im vergangenen Jahrzehnt gesunkene Attraktivität für ausländische Investoren: „Der Beitrag ausländischer Quellen zur Entwicklung der Investitionen ins fixe Kapital der russischen Ökonomie ist nicht groß und das beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Sektors der Volkswirtschaft negativ, weil Investitionen in fixe Anlagen eine bestimmende Rolle für Wachstum und Entwicklung der nationalen Ökonomie spielen. Im Gegenteil stellen gegenwärtig russische Investitionen, die substanziell den Umfang der ausländischen Direktinvestitionen in das fixe Kapital der Russischen Föderation übersteigen, die Grundlage des Wachstums und der Entwicklung der russischen Ökonomie dar.“lxxxiii

Eine Folge der geringen ausländischen Investitionen in Russland ist, dass die internationalen Rating-Agenturen das russische Rating in den letzten Jahren abgesenkt haben: Z.B. erhöhte die Rating-Agentur Standard & Poor’s das Rating Russlands von B- im Jahr 2000 auf BBB 2013, was die in dieser Phase deutlich verbesserte Stellung Russlands im imperialistischen Weltsystem reflektiert. Bis 2017 wurde das Rating infolge sinkender Kapitalimporte dann wieder auf „BB+ positiv“ abgewertetlxxxiv. Seit der russischen Invasion in der Ukraine geben die großen Rating-Agenturen aufgrund der Unsicherheit des Krieges gar kein Rating mehr ab.

Die russische Bourgeoisie ist also durchaus in einer Situation relativer Schwäche, v.a. ökonomisch (weitaus mehr als politisch und militärisch). Diese Schwäche wird durch die Sanktionen seit Beginn des Krieges in der Ukraine 2014 vertieft und genau das ist auch der Zweck der Sanktionen. Allerdings handelt es sich hierbei eben um ein Mittel der westlichen Imperialisten, ihre Rivalen zu schwächen und nicht um eine „Kolonisierung“ eines abhängigen Landes.

Es ist leicht ersichtlich, dass der besonders seit 2014 eskalierende zwischenimperialistische Konflikt zwischen Russland und der NATO sich negativ auf die Kapitalverflechtungen zwischen beiden Seiten auswirken musste. Tatsächlich brachen 2014 die jährlichen Kapitalimporte Russlands um die gewaltige Summe von 138 Mrd. US$ oder 7,3% des russischen BIP ein – gleichzeitig sank auch der nach außen gerichtete Kapitalfluss auf das Jahr gerechnet um geschätzte 116 Mrd. US$. Der Kapitalverkehr hat sich seitdem nicht erholt. Im Zeitraum 2014-2017 reduzierte sich der Zufluss von Kapital nach Russland um insgesamt 276 Mrd. US$, der Abfluss aus Russland um 162 Mrd. US$lxxxv. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Einbruch des Kapitalverkehrs mit dem westlichen Kapitalismus für die russische Ökonomie verheerend war (insbesondere da die fallenden Ölpreise in dieser Periode zusätzlich negativ wirkten) – allerdings genau nicht in dem Sinne, dass sie dadurch in stärkere Abhängigkeit von ausländischen Konzernen geriet. Vielmehr nahm diese Abhängigkeit im Gegenteil massiv ab, weil Russland sich ökonomisch vom Westen abkoppelte (und umgekehrt) und in den letzten Jahren stattdessen zunehmend seine ökonomischen Beziehungen zu anderen Ländern, v.a. China und Indien entwickelte.

Der Anteil ausländischer Finanzkapitalisten (v.a. Banken, institutioneller Investoren usw.) am russischen Bankensystem stieg in den frühen 2000ern bis 2009 stark an (von etwa 6% auf 28% des Gesamtkapitals des Bankensektors), als Ausdruck des ökonomischen Aufstiegs der Russischen Föderation und damit einhergehend der gewachsenen Attraktivität Russlands als Investitionsstandort. Seitdem ist dieser Anteil tendenziell fallend und lag 2018 bei 21-22%lxxxvi. Ein Anteil ausländischen Kapitals im Bankensektor zwischen 20 und 30% ist im internationalen Vergleich sehr niedrig.

Gleichzeitig drückt sich die Entkopplung in einer 2014 beginnenden Reduktion der Auslandsschulden Russlands (d.h. Staatsschulden und private Schulden kombiniert) von 669 Mrd. US$ 2013 auf 476 Mrd. US$ 2020 aus (Siehe Grafik 1).

Grafik 1:

Quelle: https://www.macrotrends.net/countries/RUS/russia/external-debt-stock, online, 14.10.2022.

Mit anderen Worten: Die auch in Teilen der deutschen kommunistischen Bewegung beliebte Darstellung der KPRF, wonach Russland ein vom Westen „aufgekauftes“ Land sei, ist ökonomisch völliger Unsinn. Ganz im Gegenteil ist das russische Finanzkapital relativ wenig und mit abnehmender Tendenz mit dem westlichen verflochten.

Ist die russische Bourgeoisie eine „Kompradorenbourgeoisie“?

Die weiter oben ausgeführte Kritik am Begriff der Kompradorenbourgeoisie bezieht sich selbstverständlich auch auf das russische Kapital. Die Argumentation, dass im entwickelten Monopolkapitalismus dieser Begriff endgültig jede Sinnhaftigkeit verliert, zeigt sich auch und gerade am Fall Russlands.

Die russische Bourgeoisie im Speziellen ist weit davon entfernt, bloßer Vermittler ausländischer Monopole zu sein. Sie ist, wie an anderer Stelle gezeigtlxxxvii, hochgradig zentralisiertes und konzentriertes Finanz- und Monopolkapital. Sie spielt eine dominierende Rolle auf dem globalen Markt für Erdgas und in einigen hochtechnologischen Branchen (Militärfahrzeuge, Raketen, Satellitentechnologie, Atomtechnologie) und eine wichtige Rolle auf dem globalen Ölmarkt und weiteren Märkten. Sie exportiert Kapital und ist in die internationalen Finanzmärkte eingebunden, womit sie andere Länder und Unternehmen in asymmetrische Abhängigkeitsverhältnisse zum russischen Kapital bringt. Sie hat durch die sukzessive Entkopplung Russlands vom westlich dominierten Finanzsystem ein relativ hohes Maß an Unabhängigkeit, das gleichzeitig eine Schwäche darstellt. Durch die interventionistische Rolle des russischen Staates wird diese Unabhängigkeit noch weiter verstärkt und garantiert, dass die russische Bourgeoisie in ihrer Gesamtheit eine Politik in Rivalität zur EU und den USA durchführen kann.

Die Darstellung Russlands als ein vom Westen in einseitiger Abhängigkeit gehaltenes, von Kolonisierung bedrohtes Land lässt sich nur bei völliger Ignoranz gegenüber den Fakten aufrecht erhalten. Korrekt ist es dagegen, Russland als ein ökonomisch auf einer gehobenen Zwischenposition des imperialistischen Weltsystem stehendes kapitalistisches Land zu sehen, dessen Regierung im Interesse ihrer eigenen Bourgeoisie ihre Politik entwickelt und danach strebt, den relativen Aufstieg Russlands in dieser Hierarchie voranzutreiben bzw. einen relativen Abstieg zu verhindern. Die Stellung Russlands im imperialistischen System ist dabei stark umkämpft, weil die bisher dominierenden imperialistischen Zentren ein nicht nur militärisch, sondern auch ökonomisch starkes Russland als Rivalen nicht zulassen wollen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Krieg in der Ukraine zu begreifen. Die internationale Arbeiterklasse, einschließlich derer Russlands und der Ukraine, hat in diesem Kampf nichts zu gewinnen, wenn sie nicht unter der Führung ihrer kommunistischen Partei (die es ggf. erst aufzubauen gilt) für den Sturz ihrer jeweils „eigenen“ Regierung und ihre eigene Macht kämpft.

  1. Fazit

Ziel dieses Artikels war es, eine Reihe von Behauptungen, die in der Diskussion immer wieder auftauchen, kritisch zu überprüfen.

Erstens die Argumentation, die eine uneingeschränkte Führungsrolle der USA im imperialistischen Weltsystem behauptet und mit einer tendenziell alleinigen Beherrschung des globalen Kapitalismus durch Vermögensverwalter wie BlackRock zu belegen versucht.

Zweitens die Unterscheidung der Bourgeoisie in sogenannten „abhängigen Ländern“ in eine „Kompradorenbourgeoisie“ und eine „nationale Bourgeoisie“, wobei erstere weitgehend vom ausländischen Kapital abhängig sei und letztere durch ihr Handeln die Entwicklung der Nation befördere.

Drittens die Behauptung, in Russland sei eine solche „Kompradorenbourgeoisie“ vorherrschend.

Diese Argumente werden in der Diskussion tendenziell angeführt, um den antiimperialistischen Kampf de facto ausschließlich gegen den Imperialismus der USA und ihrer Verbündeten zu orientieren (was letztlich eine Aufgabe des Antiimperialismus bedeutet). Der zwischenimperialistische Krieg in der Ukraine wird so zu einem Überlebenskampf Russlands gegen die Bedrängnis umgedeutet, in der sich das Land durch den westlichen Imperialismus befinde.

Dieser Artikel hat nach meiner Auffassung alle drei Argumente dieser Position widerlegt. Er hat gezeigt, dass die Rolle von BlackRock und Co. bei Werner Rügemer und denjenigen Genossen, die sich auf ihn berufen, deutlich übertrieben dargestellt wird und dementsprechend auch zu falschen Schlussfolgerungen über das Verhältnis zwischen den USA und dem Rest der Welt führt. Er hat gezeigt, dass sich die Bourgeoisie heutzutage auch in weniger entwickelten Ländern nicht in eine „Kompradorenbourgeoisie“ und eine „nationale“ Bourgeoisie unterteilen lässt. Und er hat nicht zuletzt gezeigt, dass auch konkret im Falle Russlands die Konstatierung einer „Kompradorenbourgeoisie“ einer Überprüfung anhand der Tatsachen nicht standhält.

Endnoten:

i Karl Marx: Das Kapital, Band III, MEW 25, S. 560.

ii Ebd, S. 452.

iii Rudolf Hilferding 1955: Das Finanzkapital, Berlin, S. 335.

iv Wladimir I. Lenin 1971: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Berlin, S. 230.

v Ebd., S. 209.

vi Ebd., S. 242.

vii Peter Hess et al. (Autorenkollektiv) 1974: Grundlagen und Formen der Herrschaft des Finanzkapitals, Frankfurt a.M., S. 8, Markierung im Original.

viii Ebd.

ix Gerfried Tschinkel 2013: Zur Dialektik finanzkapitalistischer Entwicklung, in: Aufhebung 2/2013, S. 95

x Peter Hess 1989: Das Finanzkapital. Eigentumsform der Produktivkraftentwicklung im gegenwärtigen Kapitalismus, IPW Berichte 9/89, S. 21f.

xi Ebd., S. 26.

xii Hess et al. 1974, S. 48.

xiii Claude Serfati 2011: Transnational corporations as financial groups, Work Organisation, Labour & Globalisation 5 (1), S. 12.

xiv Ebd S. 17

xv Ebd. S. 28f

xvi Claude Serfati 2012: Die finanz- und rentengetriebene Logik der multinationalen Unternehmen, Prokla 42(4), S. 541f.

xvii Hess et al. 1974, S. 33.

xviii Serfati 2012, S. 544.

xix Ebd.

xx Ebd., S. 15f.

xxi Ebd.

xxii Ebd., S. 18.

xxiii Klara Bina 2022: Zur Macht der Finanzakteure, Kommunismus Kongress-Zeitung #1, S. 4.

xxiv Rügemer 2021, S. 38f.

xxv The European View: BlackRock Aktie. Investieren in den größten Vermögensverwalter der Welt, 3.5.2021, online: https://aktienfinder.net/blog/blackrock-aktie-investieren-in-den-groessten-vermoegensverwalter-der-welt/, abgerufen 29.8.2022.

xxvi Ebd.

xxvii Simon Book/ Angela Hennersdorf 2018: Wie BlackRock die Konzerne kontrolliert, Wirtschaftswoche 2.4.2018.

xxviii Christian Kirchner 2018: Das Problem mit Blackrock ist nicht der Machtmissbrauch – sondern Passivität, Stern, 4.11.2018.

xxix.Ebd.

xxx Hermannus Pfeiffer 2019: Nicht so mächtig wie gedacht, Frankfurter Rundschau, 5.12.2018.

xxxi Frank Wiebe: Stärke der Algorithmen: Die Machtbasis von Blackrock, Handelsblatt, 16.1.2020.

xxxii Wertpapierhandelsgesetz § 43, Abs. 1.

xxxiii Wiebe 2020.

xxxiv Kirchner 2018.

xxxv Verordnung (EU) NR. 575/2013 Art. 144 Nr. 1a.

xxxvi Martin Beckmann 2007: Das Finanzkapital in der Transformation der europäischen Ökonomie, Münster, S. 105ff.

xxxvii Wolf-Georg Ringe 2015: Changing Law and Ownership Patterns in Germany, American Journal of Comparative Law 63(2), S. 525f.

xxxviii Norges Bank: The fund Market value, online: https://www.nbim.no/en/the-fund/market-value/, abgerufen 14.10.2022.

xxxix Julie Segal: Here are the World’s Biggest Asset Owners, 16.11.2020, online: https://www.institutionalinvestor.com/article/b1p7flhqqcgq15/Here-Are-the-World-s-Biggest-Asset-Owners , abgerufen 14.10.2022.

xlTobias Bürger 2021: In Deutschland: Das sind die 10 größten, institutionellen Anleger, online: https://www.institutionelle-investoren.org/2021/05/14/die-10-groessten-institutionellen-investoren-sind-versicherungsgesellschaften/, abgerufen 14.10.2022.

xli BlackRock 2020: BlackRock in Germany, Snapshot February 2020, online: https://www.blackrock.com/corporate/literature/publication/snapshot-blackrock-in-germany.pdf, abgerufen 14.10.2022.

xlii Vgl. Thanasis Spanidis 2022: Zur Verteidigung der Programmatischen Thesen, online: https://kommunistische.org/diskussion-imperialismus/zur-verteidigung-der-programmatischen-thesen-der-ko/, abgerufen 14.10.2022.

xliii Ebd.

xliv Vgl. bspw. Yana Zavatsky 2022: Imperialismus und die Spaltung der kommunistischen Bewegung; Alexander Kiknadze 2022: zum Defensivschlag Russlands gegen die NATO.

xlv Jürgen Osterhammel 1989: China und die Weltgesellschaft. Vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit, München, S. 185.

xlvi Mao Tse-tung 1926: Analysis of the classes in Chinese society, Selected Works, Vol. 1, Übersetzung aus dem Englischen, Thanasis Spanidis.

xlvii Mao Tse-tung 1935: Über die Taktik im Kampf gegen den japanischen Imperialismus, https://www.marxists.org/deutsch/referenz/mao/1935/12/taktik.html#:~:text=Die%20eine%20Taktik%20lautet%3A%20Wir,gegen%20einen%20m%C3%A4chtigen%20Feind%20st%C3%BCrzen

xlviii Vgl. auch: Schapour Ravasani 2010: Kompradorenklasse, in: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, S. 1426, der zum gleichen Urteil kommt.

xlix Lenin 1971, S. 262.

l Ebd., S. 267,

li Kommunistische Internationale 1928: Thesen über die revolutionäre Bewegung in den Kolonien und Halbkolonien, in: Protokoll des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Thesen, Resolutionen, Programm, S. 171.

lii Ebd., S. 172.

liii Interview mit Nicos Poulantzas: „Es geht darum, mit der stalinistischen Tradition zu brechen!“, Prokla Bd. 9, Nr. 37, 1979, S. 137-140.

liv Nicos Poulantzas 1977: Die Krise der Diktaturen. Portugal, Griechenland, Spanien, Suhrkamp Verlag, S. 37ff.

lv Ebd, S. 38ff.

lvi Chris Trotter 2015: Friends and Allies: What is the “Comprador Bourgeoisie” when it’s at home?, online: https://thedailyblog.co.nz/2015/07/23/friends-and-allies-what-is-the-comprador-bourgeoisie-when-its-at-home/, 14.10.2022.

lvii Elizabeth Lucas 2009: Standard Bank Group Historical Overview, online: https://www.readkong.com/page/standard-bank-group-historical-overview-1355301, abgerufen 14.10.2022.

lviii Standard Bank: Shareholder information, online: https://reporting.standardbank.com/shareholder-info/shareholder-information/, abgerufen 3.11.2022.

lix Businesstech.co.za 2018: These are the 25 biggest companies in South Africa, online: https://businesstech.co.za/news/business/233451/these-are-the-25-biggest-companies-in-south-africa/, abgerufen 14.10.2022..

lx FirstRand: Ownership and legal structure, online: https://www.firstrand.co.za/the-group/ownership-and-legal-structure/, abgerufen 3.11.2022.

lxi Statista: Leading companies in Nigeria in 2022, by market capitalization.

lxii Moneycentral.com.ng 2021: Dangote Cement’s $500m Ethiopia Plant at Risk as War Escalates, online: https://moneycentral.com.ng/exclusive/article/dangote-cements-500m-ethiopia-plant-at-risk-as-war-escalates/ ; Maureen Ihua-Maduenyi 2015: Dangote Cement begins operation in Senegal, online: https://web.archive.org/web/20150715162657/http://www.punchng.com/business/business-economy/dangote-cement-begins-operation-in-senegal/ , abgerufen 14.10.2022.

lxiii Forbes: Aliko Dangote, online: https://www.forbes.com/profile/aliko-dangote/?sh=2b3d269a22fc, abgerufen 3.11.2022.

lxiv Businesshaunt.com 2022: Top 10 Companies in Bangladesh, online: https://businesshaunt.com/top-10-company-bangladesh/#:~:text=Top%2010%20Companies%20in%20Bangladesh%20by%20Market%20Share,Bangladesh%20%7C%2085.78%20Billion%20%281.83%25%29%20…%20Weitere%20Elemente, abgerufen 14.10.2022.

lxv Dhaka Tribune 2022: Walton expands ist global footprint by acquiring three European brands, online: https://www.dhakatribune.com/business/2022/04/07/walton-expands-its-global-footprint-by-acquiring-three-european-brands, abgerufen 14.10.2022.

lxvi Confidus Solutions (undatiert): Top biggest companies in Colombia, online: https://www.confiduss.com/en/info/blog/article/biggest-companies-colombia/#:~:text=Top%20biggest%20companies%20in%20Colombia%201%20Ecopetrol%20Ecopetrol%2C,4%20Banco%20Davivienda%20…%205%20Grupo%20Bolivar%20, abgerufen 14.10.2022.

lxvii Ecopetrol: Ownership, online: https://www.ecopetrol.com.co/wps/portal/Home/en/investors/information-for-shareholders/ownership, abgerufen 3.11.2022.

lxviii Bancolombia: Shareholders, online: https://www.grupobancolombia.com/investor-relations/investors/shareholders, abgerufen 3.11.2022.

lxix Peso Lab 2022: List of Largest Companies in the Philippines, online: https://pesolab.com/list-of-largest-companies-in-the-philippines/, abgerufen 24.10.2022.

lxx Vgl. Thanasis Spanidis 2019: Der Brexit und die Frage des Austritts aus der EU, online: https://kommunistische.org/diskussion/der-brexit-und-die-frage-des-austritts-aus-der-eu/, abgerufen 14.10.2022..

lxxi Spanidis 2022: Zur Verteidigung der Programmatischen Thesen.

lxxii Denn dass diese Auffassung revisionistisch ist, dass sie auf einem Bruch mit dem Marxismus beruht, glaube ich hier ausreichend begründet zu haben.

lxxiii Oleg Komolov 2019: Capital outflow and the place of Russia in core-periphery relationships, WRPE Vol. 10, No. 3, S. 332

lxxiv Vgl. Karl Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 169.

lxxv Javier Garcia-Bernardo et al. 2017: Uncovering Offshore Financial Centers: Conduits and Sinks in the Global Corporate Ownership Network, Scientific Reports 7, S. 1f.

lxxvi Ebd., S. 2; Javier Garcia Bernardo et al. 2017: These five countries are conduits for the world’s biggest tax havens, online: https://theconversation.com/these-five-countries-are-conduits-for-the-worlds-biggest-tax-havens-79555, abgerufen 12.10.2022.

lxxvii Evsey Gurvich & Ilya Prilepskiy 2015: The impact of financial sanctions on the Russian economy, Russian Journal of Economics 1, S. 366.

lxxviii Jannick Damgaard et al. 2019: The Rise of Phantom Investments, Finance & Development, S. 12.

lxxix EU-Kommission 2018: New EU rules to eliminate the main loopholes used in corporate tax avoidance come into force on 1 January, Press release 30.12.2018.

lxxx Komolov 2019, S. 336f, Übersetzung Th.S.

lxxxi Communist Party of the Russian Federation 2017: Political Report of the Central Committee to the XVII Congress of the CPRF, online: http://www.solidnet.org/article/39288ba6-e2d5-11e8-a7f8-42723ed76c54/, 15.10.2022.

lxxxii Gulnaz M. Galeeva et al. 2017: Foreign Direct Investments: Structure and Dynamics in Russia, Helix Vol. 8 (1), S. 2556.

lxxxiii Galeeva et al. 2017, S. 2558.

lxxxiv Ebd.

lxxxv Gurvich & Prilepskiy 2015, S. 376-379.

lxxxvi Anton Lisin 2020: Valuation of the activities of foreign banks in the Russian banking sector, Revista Orbis, Nr. 45, S. 59.

lxxxvii Spanidis 2022: Zur Verteidigung der Programmatischen Thesen.

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