Die Natur ist unser unorganischer Leib, von dem wir leben – sie ist großartig, aber die Geschichte scheint mir doch großartiger als die Natur

Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)

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Ein Gastbeitrag von Oskar Kirsch

Liebe Genossen und Genossinnen,

Klarheit in jeglicher Hinsicht schadet nie. Allerdings wäre darüber nachzudenken, ob man sich mit dem Klima-Thema nicht gerade von den Lohnschreibern des Kapitals wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf treiben lässt und nächste Praxisschritte und ihre Prämissen deshalb drohen vorübergehend in den Hintergrund zu treten (sogar, wenn man diese Gefahr selbst dabei thematisiert). Dennoch will auch ich meinen Beitrag zur Klärung versuchen zu leisten:

I. Natur in der Urgesellschaft (Urkommunismus)

Philipp, Klara und David (PKD) argumentieren richtigerweise, dass am Anfang einer Klärung eine möglichst zutreffende Begriffsbildung als Widerspiegelung vergangener und zukünftiger Praxis stehen muss. Sie beginnen bei dem Begriff „Natur“ und seiner Widerspiegelung bei den Menschen der Urgesellschaft. Dort heißt es: „Die Natur ist nichts Statisches, auch gibt es keinen Idealzustand. Die Natur befindet sich in einem stetigen Wandel, Veränderung ist der Normalzustand. Es gibt genauso wenig einen gleichbleibenden Kreislauf oder ein Gleichgewicht. Solche Vorstellungen sind historisch entstanden, weil der Mensch z.B. unter bestimmten natürlichen Bedingungen besser leben und arbeiten konnte und weil sein Gesichtskreis noch beengt war auf die Zeit, die er selbst erfassen konnte. So kam es, dass der Mensch das Wiederkehren der Jahreszeiten, Tag/Nacht etc. als Kreislauf wahrnahm. Erst später wurde erkannt, dass es sich hier nur um relative Größen [handelt] und wenn [es] überhaupt so etwas wie Zyklen, dann diese nur spiralförmig gibt, also in Entwicklung begriffen.“ Dem ist insoweit zu widersprechen, dass selbst in den frühesten bekannten kulturellen Erzeugnissen ein Verständnis der Entwicklungsförmigkeit der Umgebungszyklizität enthalten zu sein scheint – beispielsweise in unterschiedlich großen Tier- und später Menschenabbildungen innerhalb einer Zeichnung an Höhlenwänden. Die Vorstellung von Entwicklungslosigkeit würde stattdessen sehr wahrscheinlich eine Gleichförmigkeit der Abbildungen innerhalb der jeweilig abgebildeten Art zur Folge haben. Sicher kann man an dieser Stelle über den Zeitraum des Übergangs vom Tier zum Menschen streiten, aber wenn man vom „Menschen“ allgemein spricht, ihm eine Form der vollständig statischen Realitätswiderspiegelung unterstellt und diese zu späteren Gesellschaftsformationen abgrenzt, kann man nur die Menschen der Urgesellschaft meinen, die in dieser Vorstellung dann aber stark unterschätzt werden. Das ist an dieser Stelle auch nicht weiter verwunderlich, da das Argument offensichtlich die Funktion erfüllen soll, heute lebenden Menschen zu unterstellen, sie würden ein angeblich vollkommen statisches Naturverständnis ihr eigen nennen, wenn sie in Bezug auf das Klima Begriffe wie „Kreislauf“ oder „Gleichgewicht“ (und später im Text noch: „Harmonien“) nutzten. Als Beweis dient dann eine menschheitsgeschichtliche Stufe, die fast noch gar nicht menschlich genannt werden kann. Deshalb zeigt sich in diesem nicht zutreffenden Vergleich nun vielmehr ein gewisses Unverständnis gegenüber Menschen, die als Teil eines erfüllten Lebens ein „Gleichgewicht“ in Lebens“kreisläufen“ und „Harmonie“ anstreben. Harmonien sind aber zuerst einmal Einheiten von Gegensätzen – besonders bekannt aus der Musik und dort sowie darüber hinaus als Gleichklang unterschiedlicher Töne, Handlungen, Empfindungen und Gedanken. Überträgt man dieses Bild nun auf den Menschen und seine ihn umgebende „Natur“, ist der offensichtliche Kern der Harmonie-Vorstellung eine gesunde körperlich-geistige Entwicklung im Stoffwechsel-Prozess mit Luft, Wasser, Bodenerde, Pflanzen und Tieren – eine Keimform eines Ideals, was im Sozialismus/Kommunismus seine positive Entsprechung hat, ebenso wie die bekannte Achtung von Urgesellschaftsvölkern vor Tieren und Pflanzen: im Sozialismus/Kommunismus dann als Respekt vor der gemeinsamen Lebenswelt und ihre Pflege.

Dass, wie PKD implizieren, es bei bürgerlichen Ideologieproduzenten den Missbrauch dieser Keimform als „harmonische Natur“, getrennt von der Gesellschaft, gibt und damit die Menschheit zum „die Natur“ störenden und besser schnell ableben sollenden Störenfried erklärt wird – was sich immer gegen die Ausgebeuteten richtet – ist sicher richtig, verfehlt aber den springenden Punkt, dass die kommunistische Bewegung diese klassenharmonisierende Position bisher zu wenig von einem positiv in den Lebensinteressen der Arbeiterklasse gründenden Standpunkt aus angreifen konnte – ein hinreichender Grund für die Bearbeitung dieses Problems auf dieser Tribüne. Und dabei meine ich nicht, wie Thanasis, Jakob, Ernesto und Hans (TJEH) schreiben: „Wälder, Wiesen, Seen, Meere, Gebirge usw. sind das, was Landschaften schön macht. Die Existenz einer schönen Natur erhöht für den Menschen bereits an sich enorm die Lebensqualität, als Rückzugsraum vom Lärm und der Verschmutzung der Städte sowie dem Alltagsstress. Man kann sich durchaus die Frage stellen, wie lebenswert eine Welt ohne Blumenwiesen, saubere Gewässer, Wälder oder wilde Tiere wäre.“ Denn dieser Vorstellung ist einerseits entgegen zu halten, dass die sozialistische/kommunistische Stadtentwicklung die Aufhebung der Trennung von Wohn-, Arbeits- und Grünflächen anstreben wird und andererseits, dass „Blumenwiesen … Wälder und wilde Tiere“, ohne die die Welt nicht „lebenswert“ sein können würde, schon recht stark an die von PKD kritisierte „Natur-Romantisierung“ erinnert, die bekanntlich nach Peter Hacks von englischen Spionen gegen die Französische Revolution in Deutschland verbreitet wurde und deren Autoren die Kriterien erfüllten, „die englische Literatur zu lesen, Opium zu verzehren, sexuell von patriotischen Groupies betreut zu werden und Karl Justus Gruner zum Führungsoffizier zu haben“ (Zur Romantik, 54). Womit wir bei den Klassengesellschaften angelangt wären.

II. Natur in der Klassengesellschaft (bis zum Kapitalismus)

PKD stellen zur näheren Klärung der Entwicklung des „Verhältnis Mensch-Natur“ in Klassengesellschaften die These auf, dass sich dort das „Interesse der Allgemeinheit (somit auch das der Gattung Mensch) von den Interessen der herrschenden Klasse abspalten

würde. Dies ist offensichtlich ein Irrtum, da das Interesse der herrschenden Klassen nie im Allgemeininteresse einer sich allseitig kooperativ und gesund entfaltenden Menschheit enthalten war und sich somit auch nicht „abspalten“ kann. Hier fand vielmehr eine teilweise Verwischung des Klassengegensatzes von Ausbeutern und Ausgebeuteten statt. Kurz darauf äußern PKD: „Weil aber mit der kapitalistischen Produktionsweise eine massive Produktivkraftentwicklung einhergeht, wird erst hierdurch die Abhängigkeit des Menschen von der Natur in einem allumfassenden Maße relativiert. Das ist für den Menschen – allgemein betrachtet oder potentiell – positiv. Es gibt die Möglichkeit, Hunger, Kälte, Krankheiten und vieles mehr zu überwinden.“ Weder „allgemein betrachtet“ noch „potentiell“ ist die Produktivkraftentwicklung für „den Menschen“ „positiv“, da sie mit dem Blut und der ausgesaugten Lebenskraft der Ausgebeuteten verwirklicht wird. Sie ist einzig und allein „positiv“ für die Ausbeuter, da „die Möglichkeit, Hunger, Kälte, Krankheiten und vieles mehr zu überwinden“, kein „[Potential] menschlicher Produktivkraft“ im Kapitalismus ist, sondern nur als Ergebnis des weltweiten Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat der Bourgeoisie und ihren Agenten abgetrotzt wird. Zum verwirklichbaren (also nicht idealistisch behauptetem) Potential wird die Produktivkraftentwicklung erst im Sozialismus/Kommunismus. Selbiges gilt für alle vorher dagewesen Klassengesellschaften. Deshalb ist PKD auch zu widersprechen, wenn sie schreiben: „Klassengesellschaften sind keine absolute Negation der schöpferischen Entwicklung der menschlichen Gattung. So wie es möglich war, die Luftverschmutzung, das verseuchte Wasser und andere Dinge wieder in den Griff zu bekommen, sind auch viele weitere schöpferische Lösungen möglich, auch im Kapitalismus.“ Eine „schöpferische Entwicklung“ in einer Klassengesellschaft findet, wenn sie nicht die Abschaffung aller Klassen zur Grundlage hat, immer im Dienste der einen oder anderen (oder: der alten oder der neuen) Ausbeuter statt. Dies ist eine „absolute Negation der schöpferischen Entwicklung der menschlichen Gattung“, da jede Schöpfung ob unmittelbar oder indirekt von den Ausbeutern für ihre Zwecke missbraucht wird, womit jede Befriedigung eines Lebensbedürfnisses der Ausgebeuteten in letzter Instanz durch ihren Tod und Verfall gegen sie gekehrt wird – von Generation zu Generation weitergereicht. Diese Tatsache ist auch der Grund für die stetig steigenden Seelenqualen (oder wie man sonst den eigenen als relativ stabil empfundenen Kern der Persönlichkeit an Stelle von „Seele“ nennen möchte) der Ausgebeuteten – ob durch den Zwang, von sinnstiftender Arbeit als produktivem Beitrag zur gesellschaftlichen Lebenssicherung ausgeschlossen zu sein oder durch körperliche wie nervliche Verausgabung und Verzweiflung, bis hin zur Selbsttötung. Somit gibt es einfach keinen Grund für die Arbeiterklasse, ihre natürlichen Lebensgrundlagen über ihren eigenen Tod hinaus zu erhalten, wenn sie nur die Aussicht hat, ihre eigene elende Lage zu reproduzieren und diese an ihre Kinder weiterzugeben. Deshalb irren sich PKD ebenfalls, wenn sie schreiben: „Auf der einen Seite haben wir es mit einer massiven und zunehmenden Verelendung, auf der anderen Seite mit einer ständigen Verbesserung der Lebensbedingungen zu tun. Der Mensch lebt heute viel gesünder, länger und kann sich mehr entfalten als in allen vorherigen Gesellschaftsformationen … Die Entwicklung der Produktivkraft führt eben auch zu einer relativen Verbesserung des Lebens der Massen, weil es entweder zeitweise profitabel ist oder einfach als ein Nebeneffekt der Produktion.“ Seit Beginn der Klassengesellschaften findet eine zunehmende relative und absolute Verelendung der Ausgebeuteten statt. Es existiert kein „Nebeneffekt der Produktion“, der zu einer „relativen Verbesserung des Lebens der Massen“ führt und erst recht lebt „der Mensch“ heute nicht „viel gesünder, länger und kann sich mehr entfalten als in allen vorherigen Gesellschaftsformationen“. Stattdessen werden in der Formulierung „der Mensch“, in dieser Weise angewandt auf Klassengesellschaften, fortgesetzt die Klassengegensätze verwischt. Dazu kann auch „Entfaltung“ immer nur in Nutzung des von der Menschheit geschaffenen Reichtums und durch die Entwicklung einer adäquaten Realitätswiderspiegelung stattfinden – also nicht in absoluter, nicht in relativer und erst recht nicht in geistiger Armut (oder Abstumpfung oder tiefer Verwirrung). Also kann von mehr Entfaltung in diesem Sinne weder heute noch in den letzten 6.000 Jahren die Rede sein, selbst wenn die Produktivkraftfortschritte gewaltig und, als Produkte der Arbeit und Anstrengung der Ausgebeuteten gesehen, großartig waren und weiter sind. Die Konsequenzen von PKD aus dieser verharmlosend erscheinenden Sichtweise auf die Geschichte der Klassenkämpfe sind dem entsprechend – trotz ihrer vielen, richtige Punkte treffenden kulturellen, sozialen und politischen Kennzeichnungen der „Umweltbewegung“ – ebenfalls eher beschwichtigend: „Wir werden nicht in Panik geraten“; „Es ist uns bewusst, dass es für uns aufgrund unserer Haltung zu diesem Thema einfacher ist, ruhig zu bleiben, da wir vom allgegenwärtigen Alarmismus nicht erfasst sind. Es ist aber auch und gerade in Notsituationen angeraten, Ruhe zu bewahren“; „[man] muss der Arbeiterklasse auch erklären, dass es bis 2030 nicht möglich sein wird, sozialistische Verhältnisse einzuführen, schon mal gar nicht weltweit“; „Wir schlagen vor, dass die Arbeiterklasse zuerst den Charakter der gesellschaftlichen Bewegung und Verhältnisse, der dahinterliegenden Klasseninteressen erkennen muss und also die Panik anderen überlassen sollte“. Gleichzeitig sind auch leichte Ansätze eines linken Radikalismus herauslesbar, wenn PKD schreiben, dass „der Sturz des kapitalistischen Staates nur durch eine organisierte Partei der Arbeiterklasse und mit Gewalt bewerkstelligt werden kann“. Den Sturz führt die Arbeiterklasse, also heute mindestens in der BRD: die große Mehrheit des Volkes, selbst durch – unter Führung der kommunistischen Partei. Und Gewalt kommt nur als präventive Selbstverteidigung zum Einsatz – zum Schutz der Arbeiter und ihrer Führer vor der zu erwartenden Reaktion. Dass in einer solchen Situation nun notwendig würde, bestimmte Energieformen vorzuhalten, auf die man im Falle des Umstellens auf erneuerbare Energien verzichten müsste, erscheint mir etwas weit hergeholt. Höchstwahrscheinlich werden Panzer, Kampfschiffe und -flieger noch lange mit Benzin laufen, ja, aber der springende Punkt ist dabei, dass es gelingt, die Mehrheit der Soldaten davon zu überzeugen, im Falle einer volksherrschaftsfeindlichen Anweisung, dass sie auf demonstrierende Arbeiter schießen sollen, diesen Befehl zu verweigern – was im Angesicht der, sogar im aktuellen bürgerlichen Klassenrecht der BRD verankerten Option für Soldaten dies zu tun, heute zumindest bessere Grundlagen als vor 1945 hat und die recht offen interpretierbare Formulierung „nur … mit Gewalt bewerkstelligt werden kann“ präzisieren und gegen linken Radikalismus abgrenzen würde.

Die Kombination aus kurzfristiger Beschwichtigung und mittelfristigem Radikalismus lässt sich wohl am ehesten so deuten, dass PKD (zumindest so wie sie es in diesem Papier äußern) weniger Hoffnung in eine dynamische Bewusstseinsbildung und organisierte Praxis der Arbeiterklasse haben, als real aus den historischen Erfahrungen der Rebellionen der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker heraus ableitbar wäre. Das wird aber auf verängstigte Arbeiter wenig überzeugend wirken, da die ausgelöste Angst in Bezug auf die Zerstörung der weltweiten Lebensgrundlagen und Kriege ja nicht primär in der exakt berechneten (oder verharmlosten) Wahrscheinlichkeit dieser Ereignisse liegt, sondern in der Tatsache, dass der größte Teil der Menschheit (wovon sie Teil sind) von der Kontrolle über die gesellschaftliche Entwicklung und damit auch der Sicherung der gemeinsamen Lebensgrundlagen vollständig ausgeschlossen ist – demgegenüber eine geäußerte mittelfristige Umsturzhoffnung in Kombination mit der skizzierten kurzfristigen Beschwichtigung selbst den Charakter einer erlösenden Heilsvorstellung hätte, den PKD zu Recht kritisieren. Insoweit wäre stattdessen die emotionale Energie eines solch intensiven Gefühls wie Panik auf seinen lebendigen Kern der empfundenen Einflusslosigkeit hin zu befragen, um den Betroffenen damit die Möglichkeit zu geben, mit der gleichen Energie der Situation angemessenere Handlungen zu entwickeln. Deshalb ist PKDs Schlusspointenteil, dass die Arbeiterklasse „sich organisieren muss, um die Angriffe gegen sie abzuwehren – sei es die CO2-Steuer, Rationalisierung auf ihre Kosten oder die ideologischen Angriffe in Form von Verzichtsappellen und autoritären, sozialchauvinistischen Ideologien“, zuzustimmen. Genauso wie TJEHs Zwischenpointe, dafür die Grünen „zu bekämpfen, auch indem man ihre Heuchelei und den Bankrott ihrer Umweltpolitik aufzeigt“. Dennoch machen sich weder PKD noch TJEH hinreichend an die Arbeit, den Begriff der „Natur“ im Sozialismus/Kommunismus anzureichern, um dies für die kommunistische Bewegung fruchtbar zu machen und in Gesprächen mit Arbeitern über das Klima die bürgerlichen Klassenharmoniepositionen von einem in dieser Hinsicht entwickelteren, positiv in den Lebensinteressen der Arbeiterklasse gründenden, Standpunkt aus angreifen zu können – insbesondere vor dem Hintergrund, dass keine der beiden Autorengruppen für einen Organisierungsfokus auf „Umweltthemen“ argumentiert und die konkrete Praxisveränderung durch die Diskussionstribüne zu Klima&Kapitalismus somit nur in der ideologischen Klärung für Diskussionen liegen kann. Dabei sind TJEHs Aufzählungen von möglichen politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen und Auseinandersetzungen zum Klima auf dem Weg zum Sozialismus keine begrifflichen Anreicherungen, sondern (zwar nicht unbegründete, aber wenig im Kampf entwickelte, sondern mehr anhand historischer Beispiele abgeleitete) Spekulationen, die, wie PKD ebenfalls richtig anmerken, sich als eher lasche Reformen herausstellen oder durch ihre vorgetragene Radikalität nur den Anschein erwecken, sie wären im Kapitalismus verwirklichbar, weshalb man den Sozialismus gar nicht mehr bräuchte. Deshalb müsste TJEHs Appell, „Forderungen und konkrete Standpunkte in der Umweltpolitik zu erarbeiten“, eine solche Begriffsbildung erst zum Ausgangspunkt haben, was hier nun geschehen soll.

III. Natur in der klassenlosen Gesellschaft auf erweiterter Stufenleiter (Sozialismus/Kommunismus)

TJEH nehmen für ihr begriffliches Naturverständnis Marx als Ausgangspunkt: „Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigene Natur.“ (MEW 23, 192).Dabei verweisen sie auch auf seine und Engels Hinweise zur Naturzerstörung in Klassengesellschaften sowie zur Verantwortung die„[Erde] als gute Familienväter den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“ (MEW 23, 784). Damit ist der Begriff der „Natur“ in allen Gesellschaftsformationen zuerst einmal um die Tatsache des Austauschprozesses mit dem Menschen sowie deren wechselseitige Veränderung angereichert und durch einen sittlichen Appell ergänzt.

Marx hat aber noch weiteres zum Thema der „Natur“ in allen Gesellschaftsformationen beigetragen: „Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen, nämlich die Natur, soweit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben. Dass das physische und geistige Leben des Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen anderen Sinn, als dass die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur“ (MEW 40, 516) und an anderer Stelle: „Durch das Jagen der Stämme wird eine Erdregion erst Jagdrevier; durch den Ackerbau wird die Erde, der Grund und Boden erst zum verlängerten Leib des Individuums …“ (MEW 42, 401). Die Formulierung des „unorganischen Leibes“ ist insoweit bemerkenswert, da die Trennung zwischen Leib und Seele, Körper und Geist, Gedanke und Tat, Denken und Fühlen, Theorie und Praxis sowie Mensch und Natur ein Wesensmerkmal feudaler und bürgerlicher Klassenherrschaftsideologie und ihrer Legitimation ist: die emotionalen, praktisch schaffenden und natürlichen Körper der Ausgebeuteten (am stärksten: die Frauen unter ihnen) im natürlichen und deshalb ewigen Gegensatz zu ihren geistvoll denkenden theoretischen „menschlichen“ Führern, den Ausbeutern. Marx hebt diesen Gegensatz mit seiner Formulierung sprachlich auf und verweist damit bis heute auf mögliche Probleme bei kommunistischen Sichtweisen, die ihre nicht-menschliche Umgebung nicht als ihren „unorganischen Leib“ sehen – beispielsweise das Tappen in Fallstricke bürgerlicher Ideologie und die damit verbundene Entfremdung von der Arbeiterklasse.

Vom Verständnis des „unorganischen Leibes“ ausgehend, äußert er sich an einer Stelle explizit zum Verhältnis des Menschen zur „Natur“ im Sozialismus/Kommunismus: „Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten (frei und bewusst vereinten) Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rational regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und passendsten Bedingungen vollziehen. (MEW 25, 828). Engels äußert sich perspektivisch ähnlich: „Vor allem seit den gewaltigen Fortschritten der Naturwissenschaft in diesem Jahrhundert werden wir mehr und mehr in den Stand gesetzt, auch die entfernteren natürlichen Nachwirkungen wenigstens unserer gewöhnlichsten Produktionshandlungen kennen und damit beherrschen zu lernen. Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen …“ (MEW 20, 453). Und noch zu beider Lebzeiten konkretisiert Bebel diese rational geregelte, gemeinschaftliche Kontrolle: „Die vollste Ausnutzung und umfassendste Anwendung aber wird diese Kraft erst in der sozialisierten Gesellschaft erlangen. Sie wird sowohl als motorische Kraft wie als Licht- und Heizquelle in ungemeinem Maße zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Gesellschaft beitragen. Die Elektrizität zeichnet sich vor jeder anderen Kraft dadurch aus, dass sie in der Natur im Überfluss vorhanden ist. Unsere Wasserläufe, Ebbe und Flut des Meeres, der Wind, das Sonnenlicht liefern ungezählte Pferdekräfte, sobald wir erst ihre volle und zweckmäßige Ausnützung verstehen“ (Die Frau und der Sozialismus, 42). Aufschlussreich sind hierbei drei Dinge: 1. Die vollständig rational regelnde gemeinschaftliche Kontrolle 2. Das Gefühl des Eins-Seins mit der „Natur“ und das Wissen darum 3. Die ausschließliche Nutzung der überall reichlich vorhandenen Wasser-, Wind- und Sonnenkraft zur Stromerzeugung.

Lenin – selbst ein großer Naturliebhaber, der sich lieber einsam in der Natur als in Gesellschaft erholte (LW 37, XXIII) – betont an allen Stellen (aufgrund der Fülle hier nicht zitierbar), dass einzig die Natur die menschliche Erkenntnis- und Arbeitsfähigkeit gebildet und die Auseinandersetzung mit der Natur dieselbe entwickelt hat. Auch Engels verweist ähnlich auf das Anwachsen der menschlichen „Intelligenz“ durch seine Veränderung der „Natur“ (MEW 20, 498) und ist ebenfalls ein Naturfreund: „Die Natur ist großartig, und als Abwechslung von der Bewegung der Geschichte bin ich immer gerne zu ihr zurückgekehrt, aber die Geschichte scheint mir doch großartiger als die Natur“ (MEW 39, 63). Lenin geht aber selbst nicht konkreter auf den Charakter des „unorganischen Leibs“ und sich daraus ergebende Konsequenzen ein. Er hatte auch Wichtigeres zu tun, ebenso wie Stalin. In dessen Werken findet sich wenig substantiell Neues zum Begriff der Natur, bis auf den Satz, dass die Produktivkräfte die „Beziehungen der Menschen zur Natur“ sind (SW 15, 225), womit er in der ihm eigentümlichen praktischen Weise Marx und Lenins Überlegungen auf die gesellschaftliche Produktion in der UdSSR anwendet, um das kommunistische Verständnis des Mensch-Natur-Verhältnisses zu verbreitern. Allerdings schreibt er noch an anderer Stelle: „Es gab eine Zeit, wo die Menschen den Kampf mit der Natur gemeinsam, in der kommunistischen Urgemeinschaft führten, und damals war auch ihr Eigentum ein kommunistisches Eigentum, so dass sie fast gar nicht ‚Mein‘ und ‚Dein‘ unterschieden, ihr Bewusstsein war kommunistisch“ (SW 1, 160). Hier möchte ich nochmal bekräftigend auf die weiter vorn von mir genannte „Harmonie-Vorstellung eine[r] gesunde[n] körperlich-geistige[n] Entwicklung im Stoffwechsel-Prozess mit Luft, Wasser, Bodenerde, Pflanzen und Tieren“ verweisen, welche ebenso wie die „Achtung von Urgesellschaftsvölkern vor Tieren und Pflanzen“ auf erweiterter Stufenleiter „im Sozialismus/Kommunismus seine positive Entsprechung hat“. Hinzu kommt nun noch durch Marx und Engels: das Wissen um das eigene Eins-Sein mit seinem „unorganischen Leib“ sowie um die Naturgesetze und ihre gemeinschaftliche kontrollierte Anwendung.

Fassen wir nun den positiv in den Lebensinteressen der Arbeiterklasse gründenden Standpunkt auf der Basis der Auffassungen von Marx, Engels, Bebel, Lenin und Stalin zusammen: Die urkommunistische Klassenlosigkeit bedeutete auch ein klassenloses Verhältnis zu sich selbst und der einen am Leben erhaltenden Natur. Die Klassengesellschaften haben den Menschen (aller Klassen) seiner Natur als Mensch sowie als ihn umgebenden Leib entfremdet und ihn sich selbst und damit seiner Natur in beiderlei Sinne zum Feind gemacht. Die klassenlose Gesellschaft auf erweiterter Stufenleiter im Sozialismus/Kommunismus hebt diese Entfremdung und Feindschaft wieder auf. Alle Gründe für die unnötige Verschlechterung der Lebens-, Arbeits- und Erholungsbedingungen fallen mit ihrer Quelle. Das Reich der Freiheit wird von den vereint produzierenden, in Technik, Wissenschaft und Forschung voranschreitenden Menschen in großen Schritten erschlossen: Sonnen-, Wind- und Wasserkraft erleben eine heute unvorstellbare Blüte und dienen als nie mehr versiegende Quellen menschlicher Energiegewinnung bis zur Erfindung effektiverer Techniken wie dem Fusionsreaktor und noch dahinter liegenden Technologien. Atmosphäre, Gewässer, Böden, Pflanzen und Tiere werden in zunehmenden Ausmaße vom Menschen steuer- und modifizierbar. Der Mensch wird in seinen kleinsten Bestandteilen und ihren Wechselwirkungen erforscht und sein Leben dadurch und durch die Vertiefung der Bio- und Gentechnologie in ungekanntem Ausmaße verlängerbar gemacht. Die Menschheit revolutioniert wieder und wieder ihr eigenes Sein und damit ihr Bewusstsein – von ihrer gesellschaftlichen Natur wie von ihrem unorganischen Leib.

Um nun die Wege dahin über den Bereich des Klima-Themas zu entwickeln und zu verhindern, dass die gemachten Begriffsbildungen als religiöse Heilsvorstellungen abtubar sind, wären weitere Studien vonnöten: An unsere Klassiker anknüpfend, müssten noch andere besonders prägende Intellektuelle (Wissenschaftler, Schriftsteller, Journalisten, Politiker, Künstler – auch in Bild und Ton), die das Verhältnis des Menschen zur Natur thematisieren, daraufhin überprüft werden, inwieweit sie zur Bildung des heutigen Massenbewusstseins und damit dessen Begriff von „Natur“ beigetragen haben. Beispielsweise schreibt Zola über einen Bergwerksschacht 1885: „In der Tiefe seiner Höhle aber hockte wie ein böses Tier der Voreux [der Schacht], duckte sich noch mehr und atmete stärker unter anhaltenderem Schnaufen, als sei er verdrossen über seine mühsame Verdauung von Menschenfleisch“ (Germinal, 15). Ein negatives, der vulgärkapitalistischen Ausbeutung entsprechendes, Verhältnis zur bearbeiteten Erde. Dagegen beispielsweise Steinbeck 1939: „Es ist unser Land. Wir haben es vermessen und haben es umgepflügt. Wir sind darauf geboren, und wir sind darauf getötet worden, wir sind darauf gestorben.“ (Früchte des Zorns, 42). Eine zwar immer noch vorsozialistische Vorstellung, aber sichtbar anknüpfend an das kommunistische Bewusstsein der Urgemeinschaft. Beide Schriftsteller waren Sozialismus-Sympathisanten und wurden deshalb auch beispielsweise in der DDR verlegt. Dazu wären zwei weitere, sich aus der Begriffsbildung mindestens ergebende Schritte: die Untersuchung der Natur-verändernden und -schützenden Maßnahmen der UdSSR sowie der DDR (und anderer dafür bekannter sozialistischer Staaten) sowie der gesamten (Negativ-)Geschichte der „Umweltbewegung“, um lebendige Beispiele für die Agitation und die Propaganda in den weiter vorn erwähnten Gesprächen zu haben. Vielleicht ist das Thema dafür aber wirklich (noch) nicht nah genug an der Arbeiterklasse dran, um als Kommunistische Organisation zu diesem Zeitpunkt so viel Zeit darauf zu verwenden.

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