Der BRD-Imperialismus unter Druck!

Die geistige Mobilmachung läuft an, mittels Instrumentalisierung des Holocaust.

Von Klara Bina

Die deutsche Bourgeoisie instrumentalisiert auf perfide Weise die deutsche Geschichte für die eigenen Kriegs- und Ausbeutungsziele. Die Partei Die Linke (PDL) folgt gefügig, um sich dem Vorhaben anzudienen. Aus den Tätern, den Verantwortlichen für den Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg, der deutschen Kapitalistenklasse, werden Beschützer der Demokratie, Kämpfer gegen Antisemitismus und Friedenstauben konstruiert. Nichts Neues in Deutschland! Das stimmt und trotzdem scheint die Wiederauflage dieser „Taktik der Umdrehung“, dieser falsche Fuffziger zu funktionieren.

Die ideologische Grundlage dafür wurde schon durch das klassenneutrale Faschismusverständnis geliefert. Das deutsche Volk war schuld, nicht die deutsche Bourgeoisie. Die Totalitarismustheorie hat ihr übriges getan, um die Reste einer Faschismusdeutung, die den Kapitalismus als Ursache der imperialistischen Barbarei erkannte, hinwegzufegen. Das war der ideologische Boden, auf dem aus „deutscher Schuld“ kurzerhand „deutsche Verantwortung“ gebastelt werden konnte. Der erste deutsche Angriffskrieg nach 1945 (1999 gegen Jugoslawien) wurde schon mit dieser Art ‚Verantwortung‘ begründet. Da hatten manche die Hoffnung, dass dieser billige Trick nicht noch einmal, zumindest nicht mehr unter Noch-Kriegsgegnern, funktionieren würde. Leider funktioniert er noch. Eine verlogene ‚Kampagne gegen Antisemitismus‘ und für mehr Solidarität mit Israel, pünktlich zum 70. Jahrestag der Kolonisierung Palästinas hat große Teile der politischen Öffentlichkeit erfasst, was aber nicht heisst, dass es deshalb die gesamte Bevölkerung durchdringt. Die PDL möchte nicht außen vor bleiben. Sie hat pünktlich einen gemeinsamen Antrag mit den Grünen an den deutschen Bundestag eingebracht, der aber dem – nur in Nuancen sich unterscheidenden – Antrag der Regierungsparteien und der FDP unterlag.

Der deutsche Imperialismus hat für seine Expansionsziele und für die Mobilmachung der Gesellschaft die Argumente geschmiedet und seine Gefolgschaft auf Linie gebracht. Kommunistinnen und Kommunisten müssen dagegen halten: mit wissenschaftlichen Analysen, mit der Analyse der kapitalistischen Wurzeln des Faschismus, mit Analysen, die auch solche, wenn auch emotional unbegreiflichen Verbrechen wie den Holocaust nicht mystifizieren, sondern erklären und die Strategen und ihre Klasseninteressen klar benennen, mit kompromisslosem Kampf gegen den Opportunismus und Sozialdemokratie und gegen den Faschismus. Dabei dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass es gerade dieser deutsche Staat ist, der neofaschistische Umtriebe gefördert hat und immer noch fördert. Der Kommunismus hat die Pflicht den proletarischen Internationalismus wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Es kann keine Solidarität mit dem aggressiven, kapitalistischen Staat Israel, sondern nur eine mit der israelischen Arbeiterklasse und ihren Verbündeten geben. Die Solidarität mit dem Befreiungskampf Palästinas ist nicht verhandelbar.

Der folgende Artikel kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und hat nicht den Anspruch die theoretischen Grundlagen vieler hier angesprochener Fragen, wie die nationale Frage, die Frage nach dem proletarischen Internationalismus und weitere zu klären. Vielmehr ist er zunächst einmal nur eine Reaktion auf die laufende Kampagne gegen Muslime, die im Kern das Ziel verfolgt, mögliche Kriegsgegner entweder auf Linie zu bringen oder wenn das nicht möglich ist, moralisch oder gar juristisch mundtot zu machen.

Vorab: wenn es um Antisemtismus geht oder um Israelkritik (analog Palästinasolidarität), dann ist in der BRD besondere  Aufmerksamkeit erforderlich. Für alle, die den deutschen Imperialismus als ihren Hauptfeind erkennen, weil sie hier leben und für den Sozialismus kämpfen, sollte mittlerweile klar geworden sein, dass diese Themen zu einer gefährlichen Waffe in den Händen der Bourgeoisie geworden sind. Die Strategen und Analysten des BRD-Imperialismus arbeiten fleißig daran diese Waffe zu schmieden, im Einsatz zu prüfen und zu verwohlfeilern. Wenn dann diese Waffe, wie jetzt aktuell, besonders stark eingesetzt wird, dann sollte der Blick auf die Lage des deutschen Imperialismus gelenkt werden. Wir müssen uns die Frage stellen, warum gerade jetzt das Thema mit dieser Vehemenz in die Öffentlichkeit gebracht wird. Welche Not verspürt der deutsche Staat und verspüren seine Agenten jetzt, dieses autoritäre, emotional aufgeladene Klima zu schaffen? Ich stelle die These auf, dass der Hintergrund dieser geistigen Mobilmachung darin liegt, dass der deutsche Imperialismus derzeit politisch unter Druck geraten ist und keine stabile Bündniskonstellation ausmachen kann. Kein Land, auch nicht Frankreich, möchte der BRD die Möglichkeit lassen entsprechend seiner ökonomischen Potenz politischen Einfluss zu erhalten. Deshalb die Ausführungen über die Lage des deutschen Imperialismus zu Beginn des Artikels. Diese Ausführungen können nur bestimmte Konstellationen andeuten. Sie sind weder vollständig, noch besonders tiefgehende Analysen. Die Absicht ist, den Zusammenhang zwischen der zugespitzten Situation für die BRD und der Verhetzung im Inneren aufzuzeigen. Die aktuelle israelsolidarische Hysterie hat sicherlich auch mit der zunehmenden Aggression und den Kriegsplänen der israelischen Regierung zu tun. Die israelische Politik kann aber nicht als hinreichende Erklärung für die herrschende Propaganda in der BRD dienen, außer man würde hier einen besonderen Einfluß der israelischen Lobby vermuten, der sogar die deutsche Politik bestimmt. Solche Argumente sind hanebüchen. So wenig wie die Behauptung, dass „der lange Arm Erdogans bis ins Kanzleramt“ reiche, ist die Behauptung dass die zionistische Lobby die deutsche Politik derart stark beeinflussen kann, haltbar.

Die Lage des deutschen Imperialismus

Der deutsche Imperialismus befindet sich, wieder einmal, in einer widersprüchlichen Situation. Seine ökonomische performance ist so gut, dass sich die Großmacht USA zur protektionistischen Abschirmung des eigenen Kapitals gezwungen sieht. Bis zum 1.Mai wurden die so genannten Strafzölle für Stahl und Aluminium aus der EU ausgesetzt. Es sieht so aus, als würde diese Frist nicht verlängert werden. Es liegt auf der Hand, dass mit den Strafzöllen vor allem die BRD getroffen werden soll. Tatsächlich ist die BRD das Land mit dem größten Handelsbilanzüberschuss und verärgert damit nicht nur die USA, sondern auch andere Staaten, z.B. in der EU. So holte sich die BRD auch Kritik aus der EU-Komission ein. Wie es DER SPIEGEL Anfang des Jahres richtig bemerkte: „Die Daten bergen politischen Zündstoff.“ (http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/exportueberschuss-deutschland-stellt-erneut-weltrekord-auf-a-1188159.html)

Das ist die eine Seite der Lage des deutschen Imperialismus. Die andere Seite: fehlende Einflusssphären, Rohstoffquellen, gesicherte Absatzmärkte. Die EU dient zwar dem deutschen Imperialismus noch als ein mehr oder weniger abgesicherter Absatzmarkt, aber die sich zuspitzenden Widersprüche machen die Absicherung dieses Marktes zukünftig unsicher; China wiederum ist darauf bedacht sich nicht von Importen abhängig zu machen und die USA planen die angedrohten Strafzölle. Um sich auf internationalem Terrain Platz zu verschaffen, fehlt es der BRD an politischem Einfluss und politischer Macht. Die anderen Mächte sind, wohlwissend um die Nöte der deutschen Bourgeoisie, sehr darauf bedacht genau das nicht zuzulassen.

Ähnlich war es Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts: der deutsche Imperialismus wünschte sich einen Platz an der Sonne, wie es Bernhard von Bülow, damaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt, 1897 formulierte. Damals setzte der deutsche Imperialismus auf Krieg.

Heute spielt die BRD zwar ökonomisch in der ersten Liga, steht aber politisch ohne besonderen Einfluss da. Die EU ist auf Sand gebaut und von Tag zu Tag bröckelt es an mehreren Stellen. Ob sich die BRD transatlantisch treu verhalten wird, angesicht des protektionistischen Kurses der USA, ist nicht abzusehen. Frankreich verfolgt offensiver als in den letzten zwei Jahrzehnten eigene machtpolitische Interessen. Es ist keine besonders stabile und nachhaltige Bündniskonstellation für die BRD in Sicht.

Im Mai 2018 stehen gleich zwei wichtige Termine auf dem Plan: am 1.Mai läuft die Aussetzung der Strafzölle seitens der USA aus und der 12.Mai ist der Tag, an dem Trump mit der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran droht. Die BRD, genauso wie Frankreich, haben das Atomabkommen genutzt, um sich Verträge im Iran abzusichern. Auch das war schon unter Obama den USA ein Dorn im Auge. Deshalb wurde über Blockaden im internationalen Finanzbetrieb jegliche Umsetzung dieser Verträge durch die USA verhindert. Nun warnt Macron Washington vor einer Iran-Politik, die zu einem Krieg im Mittleren Osten führen könnte. Die BRD und Frankreich sind im Iran Konkurrenten und Partner zugleich: sie wollen Geschäfte machen, deshalb müssen sie die USA bei der Stange (Atomabkommen) halten, damit das überhaupt möglich wird. Gleichzeitig konkurrieren sie in der Region als Investoren. Frankreich sitzt bisher am längeren Hebel. Z.B. wurden schon ein gigantischer Gas-Förder-Vertrag zwischen Total und der iranischen Regierung unterschrieben.

Schauen wir aber über den Nahen- und Mittleren Osten hinaus: die BRD befindet sich fast zu jeder anderen größeren imperialistischen Macht in einem Widerspruch, zu Russland, zu China, zu England. Alle mittleren imperialistischen Mächte agieren im internationalen Macht-Geflecht in losen Bündnissen. Kaum ein Land ist mit der BRD in einem festen Bündnis.

Der deutsche Imperialismus kennt das schon! Ökonomisch stark, aber immer nur im Schatten anderer Imperialisten stehen, was die Sicherung von Einflusssphären angeht, also politisch schlecht aufgestellt. Die letzten Jahre ließ er sich zwar – gerade was die EU und China angeht, ganz schön die Sonne auf den Bauch scheinen. Es scheint aber so, als ließen sich das die anderen nicht mehr allzu lange gefallen.

Die Zuspitzung dieser Widersprüche birgt tatsächlich eine Menge Zündstoff. Historische Erfahrung gibt es diesbezüglich in den Reihen der Imperialisten, und ganz besonders der deutschen, genug. Wenn es aber um Krieg geht, und darum geht es, dann geht es um mehr als mögliches Rüstzeug und militärisches Gerät. Es muss sich um die Mobilmachung gekümmert werden. Die Umstellung auf Kriegswirtschaft setzt eine autoritäre Formierung einer kritischen Masse voraus, die bereit ist mit Terror und Gewalt gegen jene vorzugehen, die nicht bereit sind mitzumachen. Und da gibt es – oder sagen wir besser, gab es – ein größeres Hindernis hierzulande: die kollektive Erinnerung an Weltkrieg, Holocaust, Zwangsarbeit, Lager …. den deutschen Faschismus.

Ja, da war was. Und dieses Etwas, das die Nation mehr zerstörte, als jeder fremde Fliegerbomber es hätte bewerkstelligen können, wurde und wird – wieder einmal – zur gefährlichen Waffe in der Hand der deutschen Bourgeoisie: der Schandfleck des Holocaust wird in sein Gegenteil umgekehrt. Er dient als Legitimationsgrundlage für eine neue autoritäre Wende in der deutschen Politik.

Instrumentalisierung des Holocaust

Das ist tatsächlich alter Käse, möchte man meinen. Es sind schließlich genau 19 Jahre vergangen, seit es einer der widerlichsten Protagonisten der deutschen Nachkriegsgeschichte, Joschka Fischer, am 13.Mai 1999 aussprach: „Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen.“ (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wortlaut-auszuege-aus-der-fischer-rede-a-22143.html) Er sagte es und der deutsche Imperialismus hatte den Freischein Jugoslawien zu bombardieren. Das war der erste deutsche Angriffskrieg nach 1945. Die Argumente lieferten die Grünen.

Nach der Annexion der DDR hatte die BRD fleißig die Zerschlagung Jugoslawiens und den Krieg vorbereitet und mit der ersten rot-grünen Regierung umgesetzt. Es ging nur so, wie es Joschka Fischer gemacht hat. Danach kam Hartz IV. Das konnte auch nur die SPD so machen: die Arbeiterklasse dermaßen in die Irre führen, desorganisieren, entsolidarisieren, verrohen und spalten. Das ist die Aufgabe der Sozialdemokratie. Und die Grünen? Sie waren damals diejenigen, die scheinbar am unverdächtigsten waren, wenn es um Gewalt, Krieg und Aggression ging. Wer konnte der Kriegspropaganda besser dienen, als diese vor kleinbürgerlicher Moral triefenden Öko-Bewegten, diese Nachfolger der so genannten 68er Bewegung, die nichts mehr von Marx und der Arbeiterklasse wissen wollten, aber einen schönen blümchenbestickten Kapitalismus mit Bio-Laden und glücklichen Kühen am besten im eigenen, beschaulichen Garten.

Ein solch beschränkter Horizont, eine solche kleinbürgerliche Bescheidenheit war und ist noch immer besonders gut geeignet, um zum Instrument der Bourgeoisie zu werden. Und weil es mit der Zerschlagung Jugoslawiens so gut geklappt hat, hat man die letzten 19 Jahre dazu genutzt an diesem Instrument weiterzupfeilen: den Holocaust, den Antisemitismus zu instrumentalisieren für die eigenen Ziele. Die Ziele sind gleichgeblieben: Expansion, Ausbeutung, Vernichtung.

Solidarität mit Israel – Legitimation von Krieg, Besatzung und Diskriminierung

Der wichtigste Hebel für die Disziplinierung dieser Sorgenfalten-Linken ist die Solidarität mit dem Staat Israel. In Zusammenarbeit mit der israelischen, zionistischen Lobby wird seit Jahren eine nachhaltige Kampage geführt, die das Ziel hat große Teile der Gesellschaft, insbesondere zwei poltisch sehr unterschiedliche Lager, auf einen Nenner zu bringen: die rechte und die linke Szene. Für den deutschen Staat einerseits und für den israelischen Staat andererseits ist das eine Win-Win-Kampagne. Welch bessere Möglichkeit könnte es für die Täterklasse in der BRD geben, als ihr das Geschenk zu machen im Namen des Schutzes der Opfer die Bevölkerung auf ihre volksfeindliche Politik einzustimmen. Die vielbeschworene Kontinuität des Faschismus in der BRD scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Der schwärzesten Reaktion in der BRD wird der Kampf gegen Antisemitismus übertragen und zum großen Teil auch überlassen. Der Staat Israel kann sich mittlerweile einer aktiven, verhetzten und unkritischen Fangemeinde in der BRD erfreuen und jeglicher Kritik an seiner Politik mittels eines konstruierten „Antisemitismus-Vorwurfes“ das Maul verbieten lassen. Das wiederum empfindet der deutsche Staat als willkommenen Anlass, um die hart erkämpften demokratischen Rechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. So spielen sich diese zwei Staaten gegenseitig den Ball zu. Was am Ende dabei rauskommt, ist für beide Seiten vorteilhaft, unabhängig davon ob die BRD ein Bündnis mit Israel, in einem sehr wahrscheinlich bevorstehenden nächsten Krieg, eingehen wird oder nicht. Die Zersetzung der Oppositiom im Allgeimenen, die Einschränkung demokratischer Rechte, die Verhetzung der Bevölkerung, die Umdeutung der Geschichte, die autoritäre Formierung der Gesellschaft sind schon reichlich Kapital, um die bevorstehende Mobilmachung und Disziplinierung der Bevölkerung vorzubereiten. Die zwei propagandistischen Elemente sind dabei der „Kampf gegen Antisemitismus“ und „Nie wieder Shoa“. Daraus wird die Legitimationshoheit für, ja sagen wir, für alle bevorstehenden Schandtaten geschaffen.

Die gesellschaftlichen Träger der Mobilmachung

Zwei scheinbar sehr unterschiedliche gesellschaftliche Strömumgen sind die Träger dieser Mobilmachung: die so genannte Neue Rechte, spätestens mit Pegida, Hogesa, AfD zu einer wirklichen gesellschaftlichen Kraft ausgewachsen und auf der anderen Seite die aus linken Milieus, Organisationen, Strömungen hervorgegangene israelsolidarische Bewegung. Erstere traten auf mit der Parole das christlich-jüdische Abendland vor der vermeintlichen Gefahr des Islamismus retten zu wollen und schwenkten neben der Deutschlandfahne die Israelfahne. Letztere begann schon – man möchte meinen aus guten Gründen, – Anfang der Neunziger als Reaktion gegen das durch Annexion entstandene Großdeutschland und die damit einhergehende Welle des Nationalismus, als so genannte „antideutsche Bewegung“. In ihrem Schatten entwickelte sich die so genannte antinationale Bewegung, vor allem in der autonomen, antikommunistischen Antifa-Szene. Während die praktische orientierte, dafür politisch eher ungeschulte, aus kleinbürgerlichen Milieus zusammengesetzte und meistens ausschließlich gegen Neonazis gerichtete Antifa durch diese Strömungen immer mehr zersetzt wurde, entfaltete diese Strömung in einer virulenten Weise Aktivitäten in Gewerkschaften, Parteien, Universitäten, in der linken Publizistik, in Stiftungen. Der Gang durch die Institutionen blieb also nicht aus.

Wenn Deutschlands Kapitalistenklasse wieder ‚Verantwortung‘ übernimmt…

… dann sollten die Deutschen sich warm anziehen: Eine solche ‚Verantwortung‘ im Namen von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit wird Krieg, Zerstörung und Vernichtung bedeuten. Es wurde und wird auch keine Rücksicht genommen auf die eigene Nation. Die herrschende Klasse, die bürgerliche Klasse in Deutschland, ist zutiefst antinational. Sie interessiert sich nicht für das Wohl der eigenen Nation, vielmehr dient dieser ihr nur als Material (Mensch und Natur) zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Sie interessiert sich nur für cash, also für den Profit und dabei ist sie bereit über Leichen zu gehen. Wer sein Land wirklich liebt, wird es nicht in einen Krieg führen, wird die Menschen nicht verhetzen und spalten. Und genau das tut diese Klasse, dessen parasitäres Herrschaftssystem auf Blut und Schweiß von Arbeiterinnen und Arbeitern daheim und international aufgebaut ist. Dafür braucht sie das Instrument der Propaganda, die Täuschung, die Verkehrung von Tatsachen, die Verklärung von historischer Wahrheit.

Die deutsche Bourgeoisie macht sich das Gedenken an den Holocaust, den Kampf gegen Antismitismus, ja sogar den Antifaschismus zunutze, um die eigenen Ziele zu erreichen. Wie das funktioniert, hat uns Joschka Fischer vorgemacht und viele kleineren Fische haben es ihm nachgemacht. Das Argument lautet wie folgt: ‚Gerade weil wir Deutschen den Holocaust zu verschulden haben, gerade weil wir uns historisch den Vernichtungsantisemitismus haben zuschulden kommen lassen, kann keiner besser als wir Deutsche erkennen, wann es sich um Antisemitismus handelt, keiner kann die Gefahr eines neuen Holocaust besser erkennen als wir. Deshalb haben wir Deutsche besondere Verantwortung, wenn es um den Kampf gegen Antisemitismus geht, deshalb müssen wir die ersten sein, die den Staat Israel vertidigen.’ Erst wird die Schuld auf die gesamte Nation ausgeweitet, dann wird aus ihr ‚Verantwortung‘ abgeleitet. So einfach ist das. Das wiederum ist nur möglich, weil schon frühzeitig, also in der Nachkriegszeit, die tatsächlichen Täter, die Vertreter von Finanz und Industrie, die Staatsdiener, Generäle und Befehlshaber, in einem Konstrukt kollektiver Schuld untergingen. Diese Kollektivschuldthese geht auf das Konto bürgerlicher Faschismustheoretiker. Die Täter dankten es ihnen. Und weil „die Deutschen sich Schuld aufgeladen haben, müssen die Deutschen jetzt Verantwortung übernehmen.“ Welch ein Geschenk. Jetzt können die Täter sogar mit erhobenem Zeigefinger herumgehen und fragen „Welcher Deutscher will keine Verantwortung übernehmen? Antisemit! Faschist!“. Da lohnt sich das mit dem Antisemitismus gleich doppelt – historisch gesehen. Nur jedesmal mit unterschiedlichen Vorzeichen. Im Faschimus konnte man die Massen damit verhetzen, wer nicht parierte war ein „Judenfreund“ und musste selbst dranglauben. Nun kann man umgekehrt damit verfahren: wer nicht gegen „Antisemitismus“ kämpft, ist ein Terrorist, ein Judenhasser, ein Antidemokrat. Der Kapitalistenklasse sind die wirklichen Menschen schnuppe: Wenn sich jetzt der Kampf gegen Antisemitismus mehr lohnt als Antisemitismus, dann bitteschön, hauptsache die Geschäfte laufen weiter. Das Kapital interessiert sich nicht für den Inhalt seiner eigenen Parolen, solange damit der Zweck erfüllt wird.

Das funktioniert aber nur, wenn der Begriff des „Antisemitismus“ sinnentleert und umdefiniert wird. Massenwirksam wird diese Propaganda nur deshalb, weil er mit Muslimen, mit dem Islam in Verbindung gebracht wird. Zwei Fliegen werden gleich mit einer Klappe geschlagen: der rechte Antisemitismus wird aus dem Blickfeld genommen, Muslime werden weiter in den Fokus gerückt. So kann ein weiterer Hebel zur Verhetzung und Spaltung der Bevölkerung eingesetzt werden. Es ist mittlerweile recht einfach die übelsten emotionalen Wallungen hervorzurufen, was die Verhetzung angeht: man braucht nur Muslime oder den Islam in Verbindung mit irgendeinem beliebigen Thema (Schule, Frauen, Waffen, Schwimmbad, Israel, …) zu bringen und schon funktioniert es. Es braucht dann gar keines Beweises mehr, dass es eine Gefahr gibt und wie diese Gefahr tatsächlich aussieht und wen sie bedroht. David Ranan, ein israelischer Wissenschaftler und Autor, hat sich kürzlich zum Thema kritisch geäußert. Er wurde hier und da zwar zitiert, ihm wurde aber auch schnell Relativierung des „muslimischen Antisemitismus“ vorgeworfen. Solche Stimmen werden verpuffen. Es bleibt weiterhin die durch reine Wiederholung verbreitete Angst um die Gefahr eines neuen, gefährlichen Antisemitismus, der von Muslimen ausgeht. Das ist tatsächlich einen gefährliche Situation, vor allem für Muslime.

Diese Argumentationsweise hat schließlich mehrere Vorteile. Endlich können wir von „Wir“ sprechen, ohne dass es diesen schändlichen Unterton hat. Das hat man mittlerweile auch in der stramm-rechten Szene verstanden, dass das „Wir“ heute besser ohne Antismitismus, dafür aber mit einer gehörigen Portion antiislamischen Rassismus daherkommen muss. Die Rechten mussten lernen mit der Israelfahne zu marschieren, die Linken aber mussten und müssen immer besser lernen mit Rassismus, Militarismus und Einschränkung demokratischer Rechte zurechtzukommen.

Bekanntermaßen versteht sich das rechte Milieu besser auf Flexibilität in Sachen Feindbilder und Erklärungsmuster als das linke, hauptsache man darf seinem Hass freien Lauf lassen. Linke Weltbilder sind stabiler und brauchen eine teils subtilere, aber auch nachhaltige Einwirkung, um sich von gewohnten Mustern zu lösen.

Was könnte sich besser eignen, um Linke an das neue Wir-Gefühl heranzuführen, als Israel, die angebliche Heimstätte verfolgter Juden, das ‚Land der Holocaust-Überlebenden‘. Deshalb organisiert man Israel-Reisen, Israel-Tage, Antisemitismus-Kolloquien, Komissionen, Beauftragte etc. etc. Für jeden und jede ist etwas dabei. Wer mit der israelischen Besatzungspolitik noch Bauchschmerzen hat, wird durch Institutionen wie die Anne-Frank-Stiftung sanft herangeführt an eine ‚differenzierte‘ Sichtweise, bei der es überraschenderweise am Ende nur eine Schlussfolgerung gibt: Solidarität mit Israel, Kampf gegen ‚jeden‘, womit meistens der vermeintlich „linke oder muslimische Antisemitismus“ gemeint ist, also vor allem Israelkritik.

Die Linksfraktion macht endgültig und geschlossen mit!

Der Antrag der Grünen- und Linksfraktion an den Deutschen Bundestag mit dem Titel „70. Jahre Staat Israel“ ist ein vollumfänglicher Ausdruck dieser Entwicklung. Er ist eine lückenlose Widergabe der deutschen Staatsräson und bleibt keineswegs hinter den Forderungen der rechten Parteien und der zionistischen Lobby zurück. Die Grundlage für den Forderungskatalog bildet selbstverständlich die ‚besondere Verantwortung‘ der Deutschen: „Die Verantwortung für die industrielle Vernichtung der europäischen Juden und das auch daraus abgeleitete Bekenntnis zum Schutz der Würde aller Menschen unabhängig von ihrer Religion und Herkunft ist ein Teil des deutschen Selbstverständnisses, mit dem sich auch diejenigen auseinandersetzen müssen, die lange

nach der Befreiung vom Nationalsozialismus hier geboren wurden oder nach Deutschland gekommen sind. Dazu gehört auch die historische Verantwortung für die Existenz und die Sicherheit Israels.“ (https://www.linksfraktion.de/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/70-jahre-staat-israel/?no_cache=1)

Wenn es um die Rechte der Palästinenser geht, bleibt der Antrag so „differenziert“ bzw. „neutral“, dass eine eindeutige Haltung dazu nicht mehr erkennbar wird. Die schlechte Situation in den besetzten Gebieten ist der schlechten „Regierungsführung“ der Palästinenser geschuldet, die Diskriminierung wird benannt, aber nicht kritisiert, dafür wird stark bekräftigt, dass Israel die einzige Demokratie im Nahen- und Mittleren Osten sei und stolz sein kann auf seine Entwicklung.

Der Antrag stellt Forderungen auf, die vor allem Garantien für die Sicherheit Israels beinhalten, aber auch den Kampf gegen Antisemitismus betreffen. Darin fehlt nicht die Forderung nach Erziehung auch neuer Mitbürger in Sachen Shoa, so wie es in der Frage der Integration von Geflüchteten in die deutsche Gesellschaft von vor allem rechter Seite gefordert wird. Es fehlt nicht die Zurückweisung von BDS, der Boykottbewegung, die auch staatliche Sanktionen gegen Israel fordert, vor allem aber dem deutschen Staat als Vorzeige-Beispiel für den konstruierten Israel-bezogenen Antisemitismus dazu dient, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit massiv einzuschränken.

Dieser Antrag ist nicht ohne den Kontext der Kriegsrhetorik Israels zu verstehen. Wer vor dem Hintergrund einer aggressiver werdenden israelischen Politik einen solchen Antrag einreicht, tut das vorsorglich zur Legitimation weitgehender, womöglich militärischer Interventionen und Aktionen. Israel, das ist dem interessierten Publikum längst bekannt, hat nie die Realisierung der Zweistaatenlösung beabsichtigt. Der Zionismus kennt seit seiner Entstehung nur einen Weg und das ist die Einbahnstraße der Expansion. Das erfordert eine Kriegsstrategie, die Israel mithilfe der USA und anderer Verbündeter umzusetzen gewillt ist. Ein möglicher Krieg gegen den Iran wird seit Monaten als nächster Schritt angedroht. In einer solchen Situation einen Antrag wie diesen im Bundestag einzubringen, birgt durchaus viel Bereitschaft zur Kooperation in Sachen Zustimmung zu Militäreinsätzen. Der Antrag wurde zudem von der gesamten Führung eigereicht. Es ist keine größere Diskussion oder gar eine Rücknahme zu erwarten.

Wie auch immer der deutsche Imperialismus in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren seine Ziele umsetzen wird, in welcher Bündniskonstellation, in welcher konkreten Form, er arbeitet schon  fleißig und leider erfolgreich an einer entsprechenden, ihm nützlichen Propaganda, an der Zersetzung jeglicher Opposition, er bereitet entsprechende Repressionsmaßnahmen gegen Kriegsgegner vor. Außerdem hat er seine eigenen Reihen gestärkt: im Parlament, in den Medien und in vielen Institutionen sind große Potentiale auf Linie gebracht.

Bleibt die Frage, wo die arbeitende und werktätige Bevölkerung in Deutschland steht. Ihr fehlt eine organisierte Kraft, die in dieser gefährlichen Situation in der Lage ist, eine Einschätzung und Orientierung zu geben. Für Kommunistinnen und Kommunisten heisst es nun, die größtmögliche Klarheit in unseren eigenen Reihen bezüglich dieser Fragen herzustellen. Nur so, wird es möglich sein, eine einheitliche Orientierung in Fragen des proletarischen Internationalismus und des Antifaschismus zu geben und zu Aktionen aufzurufen.

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