Thesen zu Klimawandel und Klassenkampf

Thesen der Zentralen Leitung

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Inhaltsverzeichnis

​1 Einleitung
2 Gesellschaft und Natur bilden eine widersprüchliche Einheit
​3 Umweltzerstörung und Klimawandel
​4 Klimawandel als Klassenfrage
​5 Der Kapitalismus untergräbt gesetzmäßig die Grundlagen menschlicher Gesellschaft
​6 Im Imperialismus verschärfen sich die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit einerseits und Kapital und Natur andererseits
​7 Umweltfrage und Klassenkampf
8 Die Aufgabe unserer Zeit ist der Kampf für eine sozialistische Planwirtschaft

Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“ Marx, Kapital III, MEW 35, S. 784

​Einleitung

Die Kommunistische Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, eine Kampfpartei aufzubauen, die in der Lage ist, den Kampf der Arbeiterklasse für eine sozialistische Revolution in Deutschland anzuführen. Beides erfordert, dass wir uns einmischen: in die brennenden ideologischen Debatten der internationalen kommunistischen Bewegung, aber auch in die Fragen, die die Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland bewegen, denn ohne sich in die Auseinandersetzungen zu begeben ist es nicht möglich, die Strukturen der Partei aufzubauen und zu entwickeln. Aber um sich einmischen zu können – und nicht lediglich im Strom der Geschichte mitzutreiben – bedarf es auch der Positionierung: immer an der Seite der Arbeiterklasse, und deshalb nie neutral, sondern mit der Leidenschaft, die sich auf der richtigen Seite weiß, und immer objektiv, mit dem nüchternen Blick, der die Dinge verändern will und deshalb verstehen muss.

In der Klimafrage haben wir uns lange nicht umfassend positioniert. Grund dafür war eine sehr kontroverse Auseinandersetzung, die bereits 2019, ein Jahr nach Gründung der KO, aufkam und auf einer öffentlichen Diskussionstribüne geführt wurde. Allerdings mündete sie nicht in einem Organisationsbeschluss wie z.B. einer Resolution, sondern versank in den Abgründen der Website. Zu groß waren die inhaltlichen Differenzen, zu bedeutsam und umfassend war die anderweitige Arbeit am Parteiaufbau. Im Rückblick lässt sich feststellen, dass ideologische Verirrungen und Abweichungen vom dialektischen Materialismus bereits in dieser Debatte bei einem Teil der ehemaligen Mitglieder der KO vorzufinden waren, die im Januar 2023 als Rechtsabspaltung der KO (RAKO) die KO verließen, nachdem es ihnen nicht gelungen war, den marxistisch-leninistischen Teil aus der Organisation zu drängen.

Die Zentrale Leitung der KO hat nun Thesen zur Frage des Klimawandels aus einer marxistischen Perspektive erarbeitet und stellt sie hiermit zur Debatte. Zum einen hoffen wir die Diskussion in der kommunistischen Bewegung damit voranzubringen, auch wenn wir keinen Anspruch auf Originalität erheben. Zum anderen dient der Text der Vorbereitung einer Resolution, die auf einem kommenden Kongress der KO als kollektive Position verabschiedet werden soll. Wir haben uns für die Form prägnanter Thesen entschieden, um einerseits nicht auf die Einbettung der Klimafrage in den dialektischen Materialismus zu verzichten, andererseits aber auch keinen 200-Seiten Text zu verfassen, welcher vermutlich ein kleineres Publikum erreichen würde und uns weitaus mehr Kapazitäten gekostet hätte.

​Gesellschaft und Natur bilden eine widersprüchliche Einheit

1. Der Mensch entsteht aus der Natur, das heißt aus der Gesamtheit der materiellen Gegenstände und Prozesse. Er ist ein Produkt biologischer Evolution aus den einfachsten Formen lebender Materie, welche wiederum aus einfachen chemischen Komponenten entstand. Der Mensch entwickelt sich als gesellschaftliches Wesen durch die Arbeit und arbeitet sich aus der Natur heraus, er hebt sich von der Natur allmählich durch die planvolle Gestaltung seiner Umwelt nach seinen Bedürfnissen ab. Die Arbeit, sagt Engels, „ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen“1. Anders als das Tier, das sich der Umgebung anpasst, lernt der Mensch seine Umwelt zu gestalten, zu kontrollieren, sie nach seinen Bedürfnissen anzupassen, sie zu beherrschen. Die zweckgerichtete Arbeit, mit der er das tut, unterscheidet den Menschen vom Tier und diese Arbeit hat von vornherein einen gesellschaftlichen Charakter, denn mit der Arbeit produziert der Mensch nicht nur den Gebrauchsgegenstand, sondern auch die Produktionsverhältnisse.

2. Der materielle, gesellschaftliche Produktionsprozess unterscheidet die Gesellschaft von der Natur. Ebenso wie die historische Entwicklung der Chemie diese so komplex werden lässt, dass sie einen qualitativen Sprung macht und neuen Gesetzen folgt – den Gesetzen der Biologie – wurde auch die Biologie mit der Evolution des Menschen so komplex, dass sie neue – gesellschaftliche – Gesetzmäßigkeiten hervorbringt. Die Menschwerdung des Affen bedeutet dementsprechend ebenfalls einen qualitativen Schritt, weil die Gesellschaft sich nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickelt, die ebenso wie die Naturgesetze entdeckt und wissenschaftlich verstanden werden können2. Die Gesellschaft existiert aber nicht unabhängig von der Natur und wird dies auch nie tun, sie setzt „äußere Naturbedingungen“3 voraus. „Materialistisches Begreifen der Geschichte der Gesellschaft schließt die Einsicht in deren Naturbedingungen ein, erfaßt diese aber zugleich im unlöslichen Zusammenhang mit ihrer Veränderung durch gesellschaftliche Aktionen, durch die materielle Produktion“4. Dies trifft zum einen auf die natürlichen Existenzbedingungen zu, auf die Luft, die der Mensch atmet, und das Wasser, das er trinkt. Es trifft darüber hinaus aber auch auf die materiellen Produktionsmittel zu: „Arbeit ist also nicht die einzige Quelle der von ihr produzierten Gebrauchswerte, des stofflichen Reichtums. Die Arbeit ist sein Vater, […] und die Erde seine Mutter“5.

3. Der materielle Produktionsprozess scheidet die Gesellschaft von der Natur, stellt aber zugleich ihre Einheit her. Im Produktionsprozess eignet sich der Mensch die Natur an und verändert sie zielgerichtet. Die Gesellschaft setzt also die Natur voraus, um sich selbst aufrechtzuerhalten, sie ist auf die Natur angewiesen. Sie setzt darüber hinaus gleichzeitig die Veränderung der Natur gemäß den menschlichen Bedürfnissen voraus und negiert ihren bestehenden Zustand. Natur und Gesellschaft bilden damit eine widerspruchsvolle Einheit, sie stehen in einem dialektischen Verhältnis. Nicht der Naturzustand ist ewig, sondern die Veränderung der Natur, die sich einerseits aus der Dialektik der Natur selbst, andererseits aus dem dialektischen Widerspruch von Natur und Gesellschaft ergibt. Die den Menschen umgebende Welt ist „nicht ein unmittelbar von Ewigkeit her gegebenes, sich stets gleiches Ding ist, sondern das Produkt der Industrie und des Gesellschaftszustandes, und zwar in dem Sinne, daß sie ein geschichtliches Produkt ist, das Resultat der Tätigkeit einer ganzen Reihe von Generationen, deren Jede auf den Schultern der vorhergehenden stand, ihre Industrie und ihren Verkehr weiter ausbildete, ihre soziale Ordnung nach den veränderten Bedürfnissen modifizierte.“6

4. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse ändert sich auch die Abhängigkeit des Menschen von der Natur. Die Produktionsbedingungen, die der Mensch im Prozess der Menschwerdung vorfand und von dessen Existenz er zunächst abhängig ist, der natürliche Reichtum an Lebensmitteln und Arbeitsmitteln, verlieren an Bedeutung. Der Mensch befreit sich zunehmend aus dieser direkten Abhängigkeit der Naturbedingungen. Dieser Fortschritt bedeutet jedoch gleichzeitig die Intensivierung und Extensivierung des Stoffwechsels mit der Natur, immer umfangreicher erschließt sich der Mensch die Natur, immer umfassender werden die Bereiche und Prozesse der Natur, auf die er zugreift, immer vielfältiger werden die Methoden, mit der er die Natur umgestaltet und sie beherrscht. Als Folge dieses sich vertiefenden Verhältnisses steigt die indirekte Abhängigkeit der Gesellschaft von der Natur, eine Abhängigkeit von einer Vielfalt an Ressourcen, die vermittelt ist über Millionen von Produktionsprozessen.

5. Freiheit besteht nicht in der Abwesenheit von Zwang, sie besteht und wächst mit der Fähigkeit des Menschen, die physikalische und gesellschaftliche Umgebung gemäß der eigenen Bedürfnisse zu gestalten. Die Natur zu beherrschen bedeutet deshalb, die objektiven Gesetzmäßigkeiten der Natur zu erkennen und sie zur Grundlage zielgerichteter Handlungen zu machen, das Gleiche gilt für die Gesellschaft. Damit hören aber die Naturgesetze und Naturnotwendigkeiten nicht auf zu existieren, sie bilden den Rahmen der menschlichen Freiheit.

​Umweltzerstörung und Klimawandel

6. Die anhaltende Unterhöhlung der menschlichen Lebensgrundlagen, die Umweltzerstörung (z.B. in Form von Verunreinigungen von Flüssen und Böden, Mikroplastikemissionen, Waldrodungen oder Überfischung), die ökologischen Veränderungen (Artensterben, Verlust an Biodiversität, Verengung des Artengenpools) und die globale Erwärmung sind real und naturwissenschaftlich belegt. Diese oft miteinander zusammenhängenden Phänomene haben in ihrem heutigen Ausmaß und ihrer Dynamik ihren Ursprung in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, aber es ist eine spezifische Gesellschaftsformation – die kapitalistische – deren Entwicklung eng mit diesen Problemen zusammenhängt. Der Kapitalismus: das ist gesellschaftliche Produktion des Reichtums durch die Arbeiterklasse bei gleichzeitiger privater Aneignung des Reichtums durch die Bourgeoisie. Der Kapitalismus war anfänglich historisch objektiv fortschrittlich, er sprengte die verkrusteten feudalen Verhältnisse und katalysierte wissenschaftliche Fortschritte in zuvor undenkbarem Ausmaß. Diese anfängliche Phase ist vergangen, die kapitalistischen Verhältnisse sind selbst zu einer Fessel geworden. Die Produktivkräfte entwickeln sich zwar weiter, es gibt beispielsweise weiterhin Fortschritte in Wissenschaft und Technologie. Aber insgesamt verunmöglichen die Verhältnisse einen wirklichen Fortschritt, nämlich die Errichtung einer im Sinne des Menschen rational gestalteten Ordnung, welche einen qualitativen Sprung in der Freiheit des Menschen darstellt, und bringen Probleme hervor, die ohne eine Revolutionierung der Produktionsverhältnisse nicht zu lösen sind. Sie sind überflüssig und rückschrittlich geworden.

7. Die globale Erwärmung, der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur, wurde und wird in erster Linie durch die Emission von Treibhausgasen verursacht, die den natürlichen Treibhauseffekt verstärken. Sie werden von der menschlichen Zivilisation seit dem Beginn der kapitalistischen Industrialisierung in ungleich höherem Ausmaß als zuvor produziert, vor allem durch die ausgedehnte Nutzung fossiler Energien sowie die fortschreitende Entwaldung und Umnutzung von Wäldern zu Agrarflächen. Erdgeschichtlich spielten natürliche Schwankungen von Treibhausgasen, Schwankungen in der Umlaufbahn der Erde, Änderungen der Sonnenaktivität und andere Faktoren eine Rolle für Änderungen im Erdklima. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass die Erderwärmung der letzten Jahrzehnte nicht durch derartige vom Menschen unabhängige Faktoren verursacht wurde, sondern menschlichen Ursprungs ist und insbesondere mit der anhaltend steigenden Konzentration an CO2 zusammenhängt.

8. Die globale Erwärmung hat vielfältige physikalische und ökologische Folgen, die in der Summe extrem negative Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen des Menschen haben. Die Gefahren werden nach heutigem Wissensstand dadurch verstärkt, dass in dem komplexen Gefüge voneinander abhängender Prozesse bestimmte quantitative Änderungen in qualitative umschlagen können. Dieses nichtlineare Verhalten geologisch-physikalischer Veränderungen, bei dem eine kleine Veränderung ausreicht, um das Gesamtsystem in einen anderen Zustand zu überführen, ist bekannt als das Überschreiten von Kipppunkten, mit zum Teil nicht einfach umkehrbaren Folgen. Exakte Prognosen zu diesen Kipppunkten sind schwierig, Fakt ist aber, dass einige von ihnen das Potential haben, große Mengen an Treibhausgasen freizusetzen. Ein Beispiel hierfür ist das Auftauen von permanent gefrorenen Böden in arktischen und subarktischen Gebieten (Permafrostböden), wodurch große Mengen an CO2 und Methan durch mikrobielle Aktivität freigesetzt werden könnten, ein weiteres Beispiel ist das Schrumpfen der globalen Meereisdecke und das Abschmelzen von Eisschilden in Grönland und der Antarktis, wodurch weniger Licht von der Erde reflektiert wird. Ein dritter Kipppunkt ist die CO2-Senke an Land, also die Aufnahme von CO2 durch Moore, Wälder usw., die von den Photosynthese- und Respirationsraten der Pflanzen abhängt und temperaturabhängig ist – bereits 2040 könnte der Punkt erreicht sein, dass die Kapazität der Land-CO2-Senke sich halbiert hat. Hinzu kommen komplexe Veränderungen, wie die Möglichkeit der Änderung großer Meeresströme mit schwer kalkulierbaren Folgen, z.B. auf die CO2-Aufnahmekapazität der Ozeane. Am Ende dieser sich gegenseitig verstärkenden Prozesse stände womöglich eine „hothouse“ Erde, eine „Treibhaus-Erde“, in der statt einigen Millionen Menschen mehrere Milliarden Menschen in Gebieten leben würden, die kontinuierlich extremer Hitze ausgesetzt sind. Das Überschreiten derartiger Kipppunkte hat negative Auswirkungen auf die Lebens- und Kampfbedingungen der Arbeiterklasse weltweit, verstärkt das bestehende Elend und verkompliziert die Bedingungen, unter denen der Sozialismus aufgebaut werden wird.

9. Die Folgen der globalen Erwärmung betreffen in vielfacher Hinsicht auch die Lebensbedingungen großer Teile der Menschheit, beispielsweise durch den Anstieg in Wetterschwankungen und damit einhergehend die Zunahme von Wetterextremen wie Dürren und Waldbränden, Überschwemmungen, heftigen Niederschlägen und tropischen Wirbelstürmen. Neben den unmittelbaren Gefahren für Menschen weltweit drohen Millionen Menschen, ihrer Heimat beraubt zu werden – durch die Überschwemmungen von Küstengebieten und Inselstaaten. Probleme in der Nahrungsversorgung verschärfen sich, Schädlinge sowie tropische und subtropische Krankheiten verbreiten sich. Insbesondere Hungersnöte und Unterernährung, Extremwetter, Konflikte und vektorübertragene (z.B. durch Mücken oder Zecken transportierte) Krankheiten werden zu hohen Todeszahlen führen.

10. In dieser komplexen dialektischen Dynamik von Naturprozessen und gesellschaftlichen Verhältnissen zeigt sich, dass die Menschen nicht außerhalb der Natur stehen und die Beherrschung der Natur ihre Grenzen immer wieder neu in der Natur findet. Friedrich Engels fasste dies in der Dialektik der Natur folgendermaßen: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. […] Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“7. Unter kapitalistischen Bedingungen verwandeln sich die Produktivkräfte also zunehmend in Destruktivkräfte und die Beherrschung der Natur schlägt um von einem Prozess, der den Menschen befreit, in eine Kraft, die seine eigene Existenz bedroht.

​Klimawandel als Klassenfrage

11. Die Umweltkrise ist keine Krise der Umwelt selbst. Sie ist weder allein aus den Gesetzmäßigkeiten der Natur zu erklären noch beschränkt sie sich in ihrer Dynamik und ihren Auswirkungen auf die Natur abseits des Menschen. Sie ist der Ausdruck einer allgemeineren Krise des Verhältnisses von Gesellschaft und Natur, die sich in Temperaturerhöhungen, ökologischen Zerstörungsprozessen usw. niederschlägt.

12. Weder die globale Erwärmung im Besonderen noch die Untergrabung der natürlichen Grundlagen menschlichen Lebens im Allgemeinen können umfänglich verstanden werden, wenn man von den gesellschaftlichen Bedingungen absieht, von denen sie hervorgebracht werden. Es handelt sich nicht einfach um physikalische, geologische, chemische und biologische Vorgänge mit naturgesetzlichen Wirkungen für den Menschen, ganz im Gegenteil sind die Ursachen und die Folgen dieser Prozesse untrennbar mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verwoben. Dieser Zusammenhang darf nicht trivialisiert werden. Weder besteht das wesentliche Problem in einem übermäßigen Konsum „der Konsumenten“ in den frühindustrialisierten Ländern oder im Konsum der Reichen noch ist es richtig, bei der Feststellung stehenzubleiben, dass Menschen aufgrund der Folgen des Klimawandels sterben: Sie sterben, weil die Gesellschaft nicht darauf ausgerichtet ist, den Klimawandel präventiv abzuwenden, ihn abzuschwächen oder seinen Folgen auf das Leben und Überleben der Menschen zu begegnen8.

13. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel und seine Verursachung durch den Menschen werden nicht dadurch falsch, dass sie von bürgerlichen Wissenschaftlern zutage befördert wurden. Sie bleiben aber beschränkt in dem Sinne, dass die Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Gesellschaften außer Acht gelassen werden. Aus naturwissenschaftlicher Sicht lässt sich der Klimawandel zwar reduzieren auf Unterprobleme: Woher stammen die CO2-Emissionen, und wie lassen sie sich vermeiden? Welche Folgen haben Treibhausgase? Welche Auswirkungen ergeben sich aus der globalen Erwärmung für Ökosysteme, für Erddynamiken wie Meeresströme usw.? Diese Fragen sind wichtig und werden zu Recht von den Naturwissenschaften gestellt. Sie fördern aber im Wesentlichen auch nur naturwissenschaftliche Antworten zutage und verstellen den Blick auf den gesellschaftlichen Kern des krisenhaften Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und ihrer Umwelt.

14. Bei den Ursachen und Folgen der Umweltkrise handelt es sich nicht um Menschheitsfragen, sondern um Klassenfragen. Die oft bemühte Boots-Metapher (die gesamte Menschheit sitze „in einem Boot“, „wir sinken oder fahren gemeinsam“) führt daher in die Irre. Ob und wie stark Menschen von Dürre und Überschwemmung, von Hungersnöten und der Ausbreitung von Krankheiten betroffen sind und sein werden, hängt stark von ihrer Klassenzugehörigkeit und der Stellung des Landes, in dem sie leben, im imperialistischen Weltsystem ab. Wissenschaftlich ist das Risiko einer vollständigen Auslöschung der Menschheit nicht umfassend erforscht, selbst in pessimistischen Szenarien ist jedoch die Erde „nur“ teilweise unbewohnbar und der Klimawandel kein Sargnagel des Homo sapiens: Die Menschheit ist nach aktuellem wissenschaftlichen Stand nicht als Spezies vom Aussterben bedroht. In keinem Fall können Katastrophenszenarien rechtfertigen, den Klassencharakter der Krise zu übergehen.

15. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es dem Kapital beispielsweise mit technologischen Fortschritten, technischen Mitteln oder politischen Maßnahmen gelingt, den Krisentendenzen in Klima und Umwelt vereinzelt entgegenzuwirken. Ein Beispiel hierfür ist das Ozonloch, welches nach dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs), die hauptsächlich für die Ausdünnung des Ozons verantwortlich waren, wieder schrumpft. Der grundsätzliche Zusammenhang zwischen grenzenloser Kapitalakkumulation und Umweltzerstörung bleibt jedoch in jedem Fall bestehen und im Vergleich zu einfach ersetzbaren Treibgasen und Kältemitteln ist das Problem der CO2-Emissionen ungleich umfassender. Auch wenn nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann, dass zukünftige technische Innovationen beispielsweise die CO2-Sequestrierung (CCS, carbon capture and storage) zu einem profitablen Geschäft für das Kapital machen könnten, ist das Kapital aufgrund der Zwangsgesetze der Konkurrenz gar nicht in der Lage, einen „Kampf gegen den Klimawandel“ zu führen und dementsprechend sieht die derzeitige Perspektive aus: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der globale Kapitalismus in der Lage wäre, das Problem in den Griff zu bekommen und für die Arbeiterklasse und andere unterdrückte Schichten zu lösen. Ganz im Gegenteil erreichen die CO2-Emissionen fast jährlich neue Rekordwerte und die Erderhitzung, die mit Verzögerung reagiert, wird sich auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Die Anarchie der kapitalistischen Produktion und die kapitalistische Konkurrenz stehen einer gemeinsamen Antwort des Kapitals auf diese Herausforderungen grundsätzlich im Weg.

16. Es gibt in der Umweltkrise – und das gilt auch für alle anderen politischen Fragen – keinen neutralen Standpunkt. Es ist im objektiven Interesse der internationalen Arbeiterklasse und anderen unterdrückten Volksschichten, insbesondere den Kleinbauern, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel zur Grundlage politischer Entscheidungen gemacht werden, mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu sichern und zu verbessern. Dem stehen in einer nahezu vollständig kapitalistisch vergesellschafteten Welt die Profitinteressen des Kapitals in jedem einzelnen Land entgegen. Der Kampf gegen die Umweltkrise ist daher ein weltweiter Kampf gegen den Kapitalismus.

17. Die Leugnung der globalen Erwärmung oder seines Ursprungs im materiellen Stoffwechsel des Menschen mit der Natur ist unwissenschaftlich und eine Form des modernen Irrationalismus. Sie steht den Interessen der Arbeiterklasse, ihrem Interesse an rationaler Erkenntnis von Gesellschaft und Natur und ihrer den menschlichen Bedürfnissen entsprechenden Umgestaltung entgegen und entspricht den Interessen bestimmter Teile des Kapitals: den Teilen, die in besonderem Maß an der Produktion von Treibhausgasen beteiligt sind und deshalb die größten Einbußen durch Klimaschutzmaßnahmen zu befürchten haben. Der sich ausbreitende Irrationalismus ist Ausdruck einer irrationalen Gesellschaft und die Leugnung des Klimawandels und seiner Ursachen ist eine Variante davon, neben Esoterik, medizinischen Pseudowissenschaften wie der Homöopathie oder der Leugnung der Coronapandemie.

18. Die Leugnung wird ergänzt durch unrealistische Weltuntergangsszenarien, nach denen der Klimawandel zur Auslöschung der Menschheit führe, wenn nicht sofortige drastische Maßnahmen ergriffen würden. Es geht nicht darum die Auswirkungen herunterzuspielen, die in der Tat katastrophal sind. Die Endzeitnarrative schüren aber eine Angst, die dem organisierten Klassenkampf im Weg steht, anstatt ihn voranzubringen und sind für die Bourgeoisie doppelt nützlich: Zum einen wird der Arbeiterklasse vermittelt, dass der Kampf für den Sozialismus ohnehin in der jetzigen Situation sinnlos sei, denn das eigentliche Problem sei die Klimakatastrophe – die gesellschaftliche Triebkraft dieser Klimakatastrophe wird damit ausradiert. Zum anderen versuchen die Ausbeuter den Ausgebeuteten damit eine Verzichtslogik schmackhaft zu machen, nach der die Lösung darin liege, dass alle (gemeint ist aber nur die Arbeiterklasse) den Gürtel enger schnallen. Ganz konkret erfüllt dies den Zweck, die Kosten der deutschen Energiewende auf die Arbeiterklasse abzuwälzen und kommenden Klassenkämpfen präventiv die Spitze zu nehmen. Die Kombination aus der Loslösung des „Kampfes gegen den Klimawandel“ vom Klassenkampf und einem Endzeitszenario führt dazu, dass die prinzipiellen Unterschiede der fortschrittlichen, klassenkämpferischen Linie und reaktionären, systemerhaltenden Linien verwischt und in den Hintergrund geschoben werden.

​Der Kapitalismus untergräbt gesetzmäßig die Grundlagen menschlicher Gesellschaft

19. Die Ursache von Klimawandel und Umweltzerstörung ist nicht in der materiellen Produktion selbst zu finden, sondern in der spezifischen Art und Weise, wie in kapitalistischen Gesellschaften produziert wird. Gebrauchswerte müssen in allen Gesellschaften hergestellt werden, Nahrung, Häuser, Medikamente, Schulbücher usw. entstehen in einem „Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur“9. Sie sind das Ergebnis konkreter nützlicher Arbeit, die geleistet werden muss, um die in der Natur vorhandenen Gegenstände so zu verändern, dass sie den menschlichen Bedürfnissen gerecht werden. Dies gilt sowohl für einfache Dinge wie einen Holztisch als auch für komplexe technische Produkte wie Laptops. Diese nützliche Arbeit ist eine Naturnotwendigkeit, die Menschen gestalten ihre Umwelt zweckmäßig in ihrem eigenen Sinn, aber welche Gebrauchswerte mit welchen Mitteln von wem und zu welchem Zweck hergestellt werden und wer diese Produktion kontrolliert, all das hängt von der Gesellschaftsform ab.

20. Die warenförmige Produktion der kapitalistischen Produktionsweise bildet den Kern und Ausgangspunkt des Problems im Verhältnis von Natur und Mensch im Kapitalismus. Die Ware ist zweierlei: einerseits Gebrauchswert, der ein menschliches Bedürfnis befriedigt, andererseits Wert, geronnene gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Der Gebrauchswert spiegelt sich in der qualitativen Seite der Ware und sowohl Natur als auch konkrete Arbeit gehen in das Arbeitsprodukt ein. Hinsichtlich des Werts wird jedoch gerade von dieser stofflichen Seite der Ware abstrahiert, es geht „kein Atom Naturstoff in ihre Wertgegenständlichkeit ein“10. Die Natur, welche als Produktionsmittel in den Produktionsprozess einfließt, spielt für den Wert einer Ware unmittelbar keine Rolle, diese ist ausschließlich gesellschaftlich bestimmt. In der Ware bilden Gebrauchswert und Wert eine Einheit und gleichzeitig einen Widerspruch: der Wert einer Ware setzt ihren Gebrauchswert voraus, die Ware wird aber nicht aufgrund ihres Gebrauchswerts produziert, sondern um als Wert realisiert zu werden, d.h. um profitabel verkauft werden zu können. Produziert wird nicht, um Gebrauchsgegenstände herzustellen, produziert wird im Kapitalismus, um den Wert zu mehr Wert zu machen, um einen Verwertungsprozess zu durchlaufen, mit Profit zu verkaufen, Kapital zu akkumulieren.

21. Warenproduktion und Wert existieren nicht in jeder Gesellschaft. Im Kapitalismus produzieren voneinander unabhängige Produzenten ihre Produkte für den Austausch und der Austausch wird vermittelt über den Wert der Ware, über die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die zu ihrer Produktion erforderlich ist. Der Prozess der Selbstverwertung und Kapitalakkumulation kennt keine Grenzen und ist blind gegenüber seinen Auswirkungen auf die Natur, er verleibt sich die Natur ein, verarbeitet sie, verändert sie. Wert existiert aber nicht ohne einen materiellen Träger, das heißt: Wert setzt Gebrauchswert voraus, der Verwertungsprozess setzt den Arbeitsprozess voraus. Der sich stets wiederholende, ausweitende Kapitalkreislauf steht damit im Widerspruch zu seinen eigenen Bedingungen, kapitalistische Akkumulation steht prinzipiell im Widerspruch zur Natur. Daran ändert auch die Existenz einzelner Unternehmen nichts, die der kapitalistischen Konkurrenz ausgesetzt sind und dennoch ein nicht-zerstörerisches Verhältnis zur Natur einnehmen, eine Kombination, die im Allgemeinen zum Untergang des Unternehmens führt. Solche Unternehmen sind lediglich Beispiele dafür, dass auch die Besetzung von Marktnischen profitabel sein kann, wohingegen die übergroße Masse des Kapitals zwangsläufig außerhalb dieser Nischen agiert.

22. Die Natur ist nicht statisch, sie verändert sich fortwährend, auch wenn es zum Kanon bürgerlicher Ideologie gehört, einen überhistorischen Normalzustand der Natur zu behaupten und die Natur damit zu mystifizieren. Nicht die Veränderung der Natur stellt ein Problem dar, die Natur existiert immer nur in der Veränderung. Die prinzipiell grenzenlose Kapitalakkumulation widerspricht jedoch der beschränkten Verfügbarkeit zahlreicher Ressourcen des Planeten. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte erweitert sich der Umfang, in dem die Produktion auf die Ressourcen der Natur zugreifen kann und Senken der Natur (welche selbst Ressourcen darstellen) ausnutzen muss. Ein Beispiel ist die Möglichkeit, aus Schiefergestein mittels neuer hydraulischer Verfahren Gas und Öl zu gewinnen (Fracking), was einerseits den Umfang der verfügbaren fossilen Energieträger erweitert, andererseits mit der Erzeugung großer Mengen an Abwasser und der Gefahr der Freisetzung umweltschädlicher und gesundheitsgefährdender Substanzen verknüpft ist.

23. Die Gesetzmäßigkeiten, die der kapitalistischen Produktionsweise innewohnen, äußern sich als „Zwangsgesetze der Konkurrenz“11. In dieser Konkurrenz ist jeder Kapitalist gezwungen, sich den Reichtum der Natur anzueignen, ohne für die Folgen dieser Naturaneignung aufzukommen. Da Natur Reichtum ist, aber anders als die menschliche Arbeit keinen Wert bildet, spiegelt sich diese Aneignung nicht im Wert der Ware wieder. Insofern die Beeinträchtigung der Lebensbedingungen den Verwertungsinteressen des Kapitals entgegensteht, hat das Kapital zwar Interesse daran, diese Beeinträchtigungen zu vermeiden. Da es sich jedoch vorrangig auf nationalstaatlicher Ebene organisiert und seinen kollektiven nationalen Kapitalinteressen mittels des Staates Ausdruck verleiht, verhindert die nationale Staatenkonkurrenz ein einvernehmliches Handeln bezüglich globaler Probleme wie des Klimawandels. Selbst bei internationalen Abkommen wird es zwangsläufig immer wieder Versuche geben, sie zum Vorteil des eigenen Kapitals zu modifizieren und zu unterlaufen. Viel stärker wiegt zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin, dass sich neue Kapitalanlagemöglichkeiten eröffnen, die sich aus den Veränderungen ergeben, welche der Klimawandel mit sich bringt und dies ist überhaupt für das Kapital der Grund, den Klimawandel nicht einfach zu ignorieren.

24. Historisch entwickelt sich der Kapitalismus in Krisenzyklen, in denen es wiederkehrend zu einer Überakkumulation von Kapital und einer Überproduktion von Waren kommt, beispielsweise in der Automobilindustrie in den letzten Jahren oder historisch anschaulich in der massenhaften Vernichtung von Kaffee 1932 in Brasilien. Es handelt sich um inhärente Krisen, die gesetzmäßig aus den Entwicklungstendenzen des Kapitalismus folgen. Diese Krisen haben immer auch eine ökologische Dimension, da es in der Krise zur Vernichtung von Gebrauchswerten kommt.

25. Mit der kapitalistischen Entwicklung geht eine Konzentration des Bodens in großem Grundeigentum, das Wachstum einer industriellen Landwirtschaft einerseits und einer städtischen Industrie andererseits sowie die Konzentration immer größerer Teile der Bevölkerung als Arbeiterklasse in großen Städten einher. Unter kapitalistischen Vorzeichen bedeutet dies, dass Stoffkreisläufe, die unter vorkapitalistischen Bedingungen noch funktionierten, gestört und aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Karl Marx bezeichnete dies als einen „unheilbaren Riß hervorrufen in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels“. Er illustrierte dies anhand der englischen Böden, die im 19. Jahrhundert getrieben durch „blinde Raubgier“12 erschöpft waren und mit südamerikanischem Guano gedüngt wurden und notierte, dass „die Agrikultur die Bedingungen ihrer eigenen Produktion nicht mehr in sich, naturwüchsig vorfindet, sondern daß diese als selbständige Industrie außer ihr existiert“13.

​Im Imperialismus verschärfen sich die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit einerseits und Kapital und Natur andererseits

26. Der Kapitalismus hat sich historisch vor über einhundert Jahren vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Kapitalismus im Stadium des Imperialismus entwickelt. Der grundsätzliche Widerspruch zwischen Kapital und Natur bleibt auch im Imperialismus bestehen, ebenso wie der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit verschärft er sich jedoch. Es ist zu oberflächlich und eine Ablenkung, Umweltzerstörung und Klimawandel nur phrasenhaft mit „dem Kapitalismus“ in Verbindung zu bringen oder mit dem Agieren „unmoralischer“ Großkonzerne zu begründen, statt sie richtigerweise auf das Wesen und die innere Logik, d.h. die gesetzmäßige Entwicklung des Kapitalismus, zurückzuführen und damit auch den Zusammenhang mit dem imperialistischen Weltsystem herzustellen.

27. Seit Anbeginn des Kapitalismus wurde der Drang nach Expansion nicht in nationalstaatlichen Grenzen gehalten. Die Entwicklung der Industrie in Europa ging einher mit der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen ihrer Kolonien und die europäischen Großmächte begannen frühzeitig damit, die Landwirtschaft in den Kolonien ihren eigenen Bedürfnissen anzupassen, was neben der Sklavenarbeit unter anderem die Einführung von Monokulturen und die graduelle Zerstörung bestehender Ökosysteme bedeutete. Die fortschreitende Entwaldung des Amazonasgebiets, das 15 % der globalen Photosynthese an Land ausmacht, zeigt, dass diese Unterwerfung bis heute anhält, auch wenn sie größtenteils nicht mehr kolonial organisiert wird. Der Drang des Kapitals, sich Mensch und Natur auf der ganzen Welt unterzuordnen, liegt in der DNA der kapitalistischen Produktion selbst.

28. Durch Konzentration und Zentralisation von Kapital und Produktion hat die Entwicklung des Kapitalismus Monopolkonzerne hervorgebracht, in denen die Produktion in ungleich größerem Maßstab erfolgt und die komplexe Produktionsnetze von der Rohstoffgewinnung bis zur Fertigung des Endprodukts direkt oder indirekt kontrollieren. Die Produktivkraftentwicklung führt tendenziell zu sinkenden Profitraten, die Konkurrenz verschärft sich und Überproduktions- und Überakkumulationskrisen werden heftiger. Mit der Entwicklung neuer Technologien und Produkte wie Solarzellen oder Elektroautos wird die Extraktion von Ressourcen wie Lithium oder Kobalt auf eine neue Stufe gehoben. Der Kampf um Ressourcen wurde bereits im 19. Jahrhundert auch mit militärischen Mitteln geführt, wie das Beispiel des Salpeterkriegs um Nitratvorkommen 1879-1884 zeigt. In der Epoche des Imperialismus verschärft sich die Konkurrenz beispielsweise um Öl- und Gasvorkommen oder gegenwärtig um Lithium und seltene Erden.

29. Im imperialistischen Weltsystem stehen alle Länder in einer zwischenimperialistischen Konkurrenz zueinander. Die dominierenden Länder, allen voran die USA, haben eine Reihe von Mechanismen entwickelt, mit denen sie versuchen, ihre Vorherrschaft aufrechtzuerhalten. Sie nutzen die Währungshegemonie von Dollar und Euro, militärische Interventionen, die Abhängigkeit anderer Länder vom Kapitalimport zur Entwicklung von Industrie, Staatsverschuldungen und ihren technologischen Fortschritt, um sich einen möglichst großen Anteil des weltweit produzierten Mehrwerts anzueignen. Dieser Prozess ist widersprüchlich, denn sie selbst sind ihrerseits auf den Kapitalexport untereinander und in schwächere Länder angewiesen. Die prinzipielle Konkurrenz der Nationalstaaten steht ihrer Kooperation in Fragen wie der Umweltkrise entgegen. Ein ideeller Gesamtkapitalist, also ein Mechanismus, über den das Kapital sich selbst trotz seiner Konkurrenz untereinander Einschränkungen im eigenen Klasseninteresse auferlegt, existiert nicht und kann nicht existieren auf globaler Ebene.

30. Die Länder am unteren Ende des imperialistischen Weltsystems befinden sich bedingt durch ihren historischen Rückstand in der Produktivkraftentwicklung in einem Zustand starker Abhängigkeit. Dieser Zustand ist für die führenden imperialistischen Länder funktional und wird von ihnen aufrechterhalten, weil er den Zugriff auf zahlreiche Ressourcen erleichtert (Lithium, Gold, Diamanten, verschiedene Metalle, Agrarprodukte, …), Probleme externalisiert werden können (z.B. im Export von Müll) und sinkenden Profitraten entgegengewirkt werden kann, indem arbeitsintensive Produktion mittels Kapitalexport verlagert wird. Unter dem Vorwand der Notwendigkeit einer globalen „grünen Ökonomie“ werden Länder daran gehindert, eigene fossile Energievorkommen zu fördern und für den Ausbau von Infrastruktur und Industrie zu verwenden, während die imperialistischen Zentren nicht zögern, selbst weiter fossile Energien zu verwenden. Gerade den Ländern, die am stärksten von den Auswirkungen globaler Erwärmung betroffen sein werden, wird es im imperialistischen Weltsystem erschwert, Schutzinstrumente – z.B. bezüglich Nahrungsmittelsicherheit oder Gesundheitsversorgung – aufzubauen, während die herrschende Klasse in stärkeren Ländern wie Deutschland zeigt, dass sie z.B. beim Katastrophenschutz auch dann keine Sicherheit bietet, wenn es innerhalb ihrer Möglichkeiten läge.

31. Während die imperialistischen Staaten der USA, Japans und Westeuropas die Industrialisierung der „Tigerstaaten“ (Südkorea, Singapur, Taiwan, Hongkong) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Rahmen der Blockkonfrontation förderten, um die Länder zu antikommunistischen Bollwerken auszubauen, ist ihnen die zunehmende Stärke von China sowie der gesamten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) ein Dorn im Auge. Die Industrialisierung dieser Länder, die nach dem Vorbild der vorherrschenden Industriestaaten weiterhin wesentlich auf der Verwendung fossiler Energien beruht, wird von westlichen Vertretern als ein „nicht nachhaltiges“ Entwicklungskonzept kritisiert. Angesichts der Tatsache, dass einerseits die westlichen Länder historisch maßgeblich für die CO2-Emissionen verantwortlich sind, andererseits die kapitalistische Konkurrenz zwischen den Staaten und dem nationalen Kapital nicht zulässt, dass im Interesse der Völker weltweit die Produktivkräfte entwickelt werden, ist diese Kritik heuchlerisch. Das Interesse der westlichen imperialistischen Mächte besteht darin, den Aufstieg ihrer Konkurrenten zu bremsen und zu verhindern.

32. Im Imperialismus ist die territoriale Aufteilung der Welt beendet und der unvermeidliche Kampf um die Neuaufteilung von Absatzmärkten, Ressourcen, Transportwegen wird mit allen Mitteln, inklusive militärischen, geführt. In den imperialistischen Kriegen wie in Irak, Afghanistan, Jemen, Jugoslawien, Syrien, Mali, Libyen und der Ukraine wird die Arbeiterklasse massenhaft für die Interessen ihrer jeweiligen Bourgeoisie aufs Schlachtfeld geführt. Aber diese Kriege hinterlassen nicht nur eine Spur der Vernichtung von Menschen, Wohnungen, Agrarflächen und Produktionsstätten, sie zerstören darüber hinaus Ökosysteme, tragen giftige Stoffe in die Umwelt ein (z.B. über Uranmunition) und haben eine katastrophale CO2-Bilanz. Anschaulich werden die Auswirkungen des Imperialismus auch an den Emissionen der Militärapparate, allen voran des US-Militärs, das allein höhere Emissionen verursacht als ganze Staaten (beispielsweise Schweden, Neuseeland oder die Schweiz).

33. Der Zusammenhang von Imperialismus und Naturzerstörung darf nicht verflacht werden. Aufgrund der enormen Konzentration von Kapital existieren Monopolkonzerne im Energiesektor (z.B. Kohle- und Ölkonzerne) mit riesigen CO2-Emissionen und diese Konzerne stehen häufig im Mittelpunkt der Kritik der Klimabewegung. Das Problem besteht aber nicht im hohen Konzentrationsgrad des Kapitals an sich und die Lösung nicht in einer Art primitivem Antimonopolismus, der sich dagegen richtet. Eine solche Sichtweise leistet einerseits dem falschen Verständnis Vorschub, kleinere Unternehmen seien „besser“ als Monopolkonzerne. Vor allem abstrahiert sie aber davon, dass die Ökonomie arbeitsteilig funktioniert und bestimmte Branchen von Natur aus umweltschädlicher sind als andere, wodurch die dort ansässigen Kapitalisten aber keine höhere „Schuld“ tragen als die Kapitalisten anderer Branchen. Die Ursache ist in der Dynamik des Gesamtsystems zu suchen. Ein solcher Antimonopolismus läuft deshalb darauf hinaus, nur bestimmte Bereiche der kapitalistischen Ökonomie einhegen und in einen vor-monopolistischen Zustand überführen zu wollen, statt systematisch mit ihr zu brechen.

34. Die ungleichmäßige Entwicklung von Staaten und Unternehmen im Imperialismus, die Veränderungen in globalen Produktionsabläufen und nicht zuletzt militärische Konflikte führen dazu, dass weltweit Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Indem der Klimawandel die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und anderen unterdrückten Volksschichten zusätzlich verschlechtert, verschärft er Flucht- und Migrationsprozesse. Die Bourgeoisie versucht, diese in ihrem Interesse mit wirtschaftlichen, politischen und militärischen Instrumenten zu steuern und die Migration von Arbeiterinnen und Arbeitern zu nutzen, um Löhne niedrig zu halten, die Klasse zu spalten und die einheimische Arbeiterklasse zu bestechen.

35. Der deutsche Imperialismus versucht ebenso wie eine Reihe anderer Nationalstaaten, gestärkt aus einer „grünen Transformation“ hervorzugehen und einen „grünen Kapitalismus“ voranzutreiben. Diese Stoßrichtung ist doppelt nützlich: Erstens hat sie eine ideologisch-politische Funktion, sie dient dazu, Kritik abzufangen und politische Bewegungen zu integrieren, statt ihnen konfrontativ zu begegnen. Zweitens ist sie – und das ist der ökonomische Kern der Strategie – eine Antwort auf tiefgreifende ökonomische Probleme und eine absehbare Krise. Im Fall der BRD bestehen die Probleme unter anderem in der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Automobilindustrie, die gleichzeitig durch aufsteigende Konzerne anderer Länder, insbesondere Chinas, unter Druck steht; in der anhaltenden Überproduktion im Automobilsektor und nachlassender kaufkräftiger Nachfrage für herkömmliche Verbrennerautos; in der Abhängigkeit der deutschen Industrie von Rohstoffimporten, insbesondere von fossilen Energieressourcen und damit von anderen Ländern. Angesichts dessen orientieren Teile des deutschen Kapitals darauf, riesige neue Absatzmärkte (z.B. für Elektroautos) zu schaffen und zu besetzen, fossile Energieträger durch neue Energiequellen auszutauschen und weitere Bereiche der Wirtschaft zu elektrifizieren (z.B. durch die Einführung von Wärmepumpen). Diese als ökologische Modernisierung vermarktete Strategie ist weder darauf ausgerichtet noch dazu in der Lage, die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels effektiv zu bekämpfen, sie verschleiert die Probleme und gaukelt eine Lösung vor.

​Umweltfrage und Klassenkampf

36. Die wiederkehrenden kapitalistischen Krisen bedeuten nicht zwangsläufig eine Schwächung der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft. Sie bieten dem national verankerten Kapital und seinen bürgerlichen Nationalstaaten auch immer die Möglichkeit, die eigene Position gegenüber anderen Teilen des Kapitals zu stärken und sich größere Teile des Profits anzueignen, der der weltweiten Ausbeutung der Arbeiterklasse entspringt. Die langanhaltende Klima- und Umweltkrise bietet genau diese Möglichkeit, wovon beispielsweise die Konkurrenz um Elektrofahrzeuge, Lithium-Akkus, Wärmepumpen, Windkraft- und Solaranlagen sowie um die zugrundeliegenden Rohstoffe zeugt.

37. Die Zerstörung der materiellen Lebensbedingungen des Proletariats schlägt sich auch in dessen Bewusstsein nieder. Auch bevor die Bedingungen einer objektiv revolutionären Situation erreicht sind, in denen das Elend über das erträgliche Maß hinaus gesteigert ist, ist es bereits möglich und notwendig, den Zusammenhang von Imperialismus und Umweltzerstörung zu vermitteln, sodass das internationale Proletariat seine gemeinsame gesellschaftliche Stellung erkennt. Gleichzeitig bieten sich dem Kapital aber auch neue Möglichkeiten zur Spaltung der Arbeiterklasse und zur Ablenkung vom Klassenkampf.

38. Es ist falsch und schädlich, eine Änderung der Konsumgewohnheiten, eine „ökologische Transformation“ oder eine „nachhaltige Entwicklung“ innerhalb des Kapitalismus als Lösungen zu propagieren. Solche Ansätze führen die Arbeiterklasse in die Irre und verbreiten Illusionen über den Charakter des bürgerlichen Staates. Besonders deutlich wird dies in dem falschen Vertrauen, das diverse Akteure der Klima- und Umweltbewegung staatlichen Institutionen schenken: Der Staat wird als zentrales handelndes Subjekt betrachtet, an das appelliert wird, ohne zu beachten, dass er wesentlich der Staat des Kapitals ist, ein Instrument, durch das die Bourgeoisie ihre Herrschaft ausübt. Ein solcher reformistischer Ansatz stellt eine strategische Sackgasse dar, und wird angesichts des ausbleibenden Erfolgs entweder in Ohnmacht und Resignation münden oder auf eine regierungskonforme, kapitalismusaffirmative Position einschwenken, die jegliches fortschrittliches Potential verliert. Die Alternative besteht darin, sich sowohl darüber bewusst zu werden, dass ein Bruch mit der kapitalistischen Produktionsweise notwendig erfolgen muss als auch worin dieser besteht, d.h. das Wesen des Kapitalismus wissenschaftlich zu erfassen und auf der Seite der Arbeiterklasse für eine sozialistische Revolution zu kämpfen. In diesem Zusammenhang erhalten auch konkrete Forderungen und Kämpfe um tagespolitische Fragen eine Bedeutung. Indem die Arbeiterklasse sie aufstellt und für sie kämpft, kann sie sich schulen, sich des Klassengegensatzes bewusstwerden und ihre eigene Rolle erkennen. Es ist die Aufgabe von Kommunistinnen und Kommunisten, in diesen Fragen die Auseinandersetzung mit der Klima- und Umweltbewegung zu suchen und diejenigen Teile zu stärken und zu gewinnen, die eine solche Perspektive einnehmen. Der Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel muss dabei verbunden werden mit anderen Kämpfen und eine proletarisch-internationalistische Perspektive einnehmen, in einem Prozess, der in Deutschland mit dem Aufbau einer Kommunistischen Partei einhergehen muss.

​Die Aufgabe unserer Zeit ist der Kampf für eine sozialistische Planwirtschaft

Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann.“ Marx, Kapital III, MEW Bd. 25, S. 828

39. Die „historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals“ war die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit, die Herausbildung des Weltmarktes und die weltweite Vergesellschaftung der Produktion, wodurch die materiellen Bedingungen für eine höhere Produktionsform geschaffen wurden14. Der Sozialismus stellt gegenüber dem Kapitalismus diese höhere, weiter fortgeschrittene Gesellschaftsformation dar. Während der Kapitalismus politisch die Diktatur der Bourgeoisie darstellt und ökonomisch auf Konkurrenz, Ausbeutung der Arbeiterklasse und Anarchie des Marktes beruht, übt im Sozialismus die Arbeiterklasse die Macht aus und organisiert die planvolle gesellschaftliche Produktion entlang der Bedürfnisse der Menschen. Der Sozialismus ist objektiv ein Fortschritt: In ihm wird der Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlichem Charakter der Produktion und der privaten Aneignung des Reichtums aufgehoben, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wird beendet und die Produktion ist nicht mehr den Zwängen der Kapitalakkumulation unterworfen, sondern kann rational gestaltet werden. Der Sozialismus bedarf keiner zusätzlichen Begründung, er muss notwendigerweise von der Arbeiterklasse erkämpft werden. Der Klimawandel und die kapitalistisch bedingte Umweltzerstörung unterstreichen aber die Notwendigkeit des Sozialismus, weil es sich um Probleme handelt, die innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung nicht grundsätzlich behoben werden können. Vom Standpunkt der höheren sozialistischen Gesellschaftsformation stellt der Klimawandel ein Problem dar, das im Interesse der Menschen gelöst werden muss.

40. Die Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise steht einer rationalen Verwendung von Ressourcen entgegen. Die Planwirtschaft des Sozialismus ist hingegen in der Lage, die verschiedenen Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf das Leben der Menschen auswirken. Im Sozialismus ist eine bewusste Steuerung der gesamten Wirtschaft notwendig und möglich, damit kann auch die Verwendung von Ressourcen den gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst werden, statt dass sie der Maximierung der Profite dient. Diese Ressourcenzuteilung betrifft auch die Wissenschaften, inklusive der Naturwissenschaften, selbst. Während im Imperialismus wissenschaftliche Forschung zunehmend in Privatunternehmen organisiert und entsprechend den Kapitalinteressen untergeordnet sind, kann im Sozialismus die Wissenschaft in den Dienst der Menschen gestellt werden.

41. Die nukleare Katastrophe in Tschernobyl, das Austrocknen des Aralsees, die von der Chemieindustrie hinterlassenen verseuchten Böden bei Bitterfeld-Wolfen und der Braunkohleabbau der DDR sind Beispiele dafür, dass die Umweltfrage im Sozialismus nicht automatisch gelöst ist. In der Sowjetunion und der DDR wurden Fehler gemacht und wissenschaftliche Erkenntnisse nicht immer ausreichend berücksichtigt. Entscheidend ist jedoch, dass der Sozialismus anders als der Kapitalismus prinzipiell die Möglichkeit bietet, Fragen wie die Umweltfrage im Interesse der Arbeiterklasse zu lösen. Auch hierfür bieten die sozialistischen Staaten des 20. Jahrhunderts reichhaltiges Anschauungsmaterial: Die Entwicklung der Ökologie als Wissenschaft, die maßgeblich in der Sowjetunion vorangetrieben wurde, die Aufklärung von Millionen von Menschen über ökologische Fragen, die Entwicklung von Recyclingsystemen, das bis dahin größte Aufforstungsprogramm der Geschichte, die Priorisierung des öffentlichen Verkehrs über den Individualverkehr, das Vorantreiben internationaler Umweltabkommen, das frühe Verbot von verbleitem Benzin, die Ausrichtung der Produktion auf Ressourcenersparnis und Haltbarkeit im Gegensatz zu geplanter Obsoleszenz im Kapitalismus: In vielerlei Hinsicht waren die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten den imperialistischen Ländern weit voraus.

Ein wichtiger Faktor für die Energieversorgung und die Nahrungsversorgung, aber auch für andere Fragen, besteht in der Konkurrenz der sozialistischen Gesellschaft mit dem imperialistischen System. Ein sozialistischer Staat in Deutschland (ebenso wie in den meisten anderen Ländern dieser Welt) muss damit rechnen, mindestens vorübergehend von zentralen Rohstoffen abgeschnitten zu werden, was im Energiesektor besonders gravierende Folgen haben kann. In dieser Situation muss die oberste Priorität darin bestehen, den sozialistischen Aufbau zu schützen und die Energie- und Nahrungsversorgung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu sichern.

42. Ein sozialistischer Staat wird danach streben, die Umweltzerstörung zu stoppen und wo möglich die Regeneration der Natur voranzutreiben. Mögliche Schritte bestehen in einem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr und dessen Ausbau, die Verlagerung des Transports auf die Schiene, kürzere Transportwege bei Produktion und Distribution, strenge Abgasregulierungen in der Industrie, die breite Einführung ökologischer Methoden in der Landwirtschaft, Aufforstungsprogramme, Maßnahmen zum Schutz des Lebens gegen Naturkatastrophen wie Waldbrände und Tsunamis, energieeffiziente Bau- und Renovierungsprogramme und einer fokussierten Forschung an neuen Formen der Energiegewinnung wie der Kernfusion.

43. Die sozialistische Planwirtschaft besteht nicht allein darin, die im Imperialismus bestehende Produktion zu übernehmen und sie zentral geplant fortzuführen. Die Veränderung der Produktionsverhältnisse und die Aufhebung der Klassen im Sozialismus ermöglichen eine qualitativ andere Produktion und ein Mensch-Natur-Verhältnis, das nicht nachhaltig die Lebensgrundlagen der Menschheit untergräbt. Die Produktivkräfte verwandeln sich nicht mehr gesetzmäßig in Destruktivkräfte gegen den Menschen und seine Lebensgrundlagen. In diesem Sinn ist der Sozialismus notwendig, aber nicht ausreichend.

44. Der Kampf um den Sozialismus-Kommunismus ist daher die zentrale Aufgabe unserer Zeit. Die Umweltfrage ist Teil des Klassenkampfes, sie zu ignorieren bedeutet, den Klassenkampf nicht umfänglich führen zu können und keine Antworten geben zu können. Zu einem revolutionären Programm gehört daher auch, hinsichtlich der Umweltprobleme Maßnahmen vorzuschlagen, die nach einer sozialistischen Revolution unmittelbar umgesetzt werden.

1Friedrich Engels, Dialektik der Natur. In: MEW Bd. 20, S. 444

2Solange diese Gesetzmäßigkeiten allerdings hinter dem Rücken der Menschen weiterwirken und eine planmäßigen, rationalen Gestaltung der Gesellschaft im Weg stehen, wie es im Kapitalismus mit dem Wertgesetz der Fall ist, ist diese Menschwerdung unvollständig und nicht abgeschlossen.

3Marx, Kapital I, MEW Bd. 23, S. 535

4Dialektischer und historischer Materialismus (3. Auflage 1976), S. 338. Dietz Verlag Berlin.

5Marx, Kapital I, MEW Bd. 23, S. 58

6Marx, Engels, Die deutsche Ideologie. MEW 3, S. 43

7Engels, Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 452

8Bertolt Brecht schreibt: „Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten“. Genauso wie Brecht den Entzug des Brotes oder das „in eine schlechte Wohnung stecken“ als eine Form des Tötens versteht, müssen die diversen Folgen des Klimawandels als Konsequenzen der gesellschaftlichen Verhältnisse verstanden werden.

9Marx, Kapital I, MEW Bd. 23, S. 57

10Marx, Kapital I, MEW Bd. 23, S. 62

11Marx, Kapital I, MEW Bd. 23, S. 335, siehe auch Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals: „Die kapitalistische Produktionsweise schafft nicht bloß im Mehrwerthunger des Kapitalisten die treibende Kraft zur rastlosen Erweiterung der Reproduktion, sondern sie verwandelt diese Erweiterung geradezu in ein Zwangsgesetz, in eine wirtschaftliche Existenzbedingung für den Einzelkapitalisten.“

12Marx, Kapital I, MEW Bd. 23, S. 253

13Marx, Grundrisse, MEW Bd. 42, S. 433

14Marx, Kapital III, MEW Bd. 25, S. 269

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