Mit den Brandstiftern lässt sich das Feuer nicht löschen

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Stellungnahme der Zentralen Leitung

Anfang Januar berichtete das Recherchemedium Correctiv1 von einem geheimen Treffen verschiedener rechter Politiker in der Nähe von Potsdam. Teil der Runde waren unter anderem Mitglieder der AfD, wie der Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy und der Referent der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel, Roland Hartwig, Mitglieder der „Werteunion“ und der CDU, Aktivisten der faschistischen „Identitären Bewegung“ (IB) und weitere Faschisten. Sie kamen zusammen, um über massenhafte Deportationen zu diskutieren, oder im Faschistensprech: über „Remigration“, über einen „Masterplan“ zur massenweisen Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund, den Martin Sellner, reaktionäre Ikone der IB, vorstellte. Nebenbei wurden Spenden für die IB und andere Faschisten gesammelt, und der AfD-Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt Ulrich Siegmund warb für Spenden in Millionenhöhe für seinen Wahlkampf.

Als Reaktion auf die Recherche finden bis heute zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen statt, an denen in ganz Deutschland Hunderttausende Menschen teilnehmen: in den Großstädten wie Berlin, Hamburg und Stuttgart, aber auch in verschiedenen kleineren Orten wie im sächsischen Torgau bei Leipzig, oder im brandenburgischen Perleberg. An prominenter Stelle nehmen dabei auch immer wieder Vertreter der Ampelregierung teil und inszenieren sich als Demokraten und Antirassisten, so zuletzt der SPD-Bundeskriegsminister Boris Pistorius in Osnabrück oder Bundeskanzler Olaf Scholz und Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock in Potsdam. Aber nicht nur die politische Speerspitze des Kapitals mischt sich ein, auch deutsche Monopolkonzerne selbst äußerten sich: Bosch-Chef Hartung ließ verlauten, man verurteile Positionen, die Teile der Bevölkerung ausgrenzten, der SAP-Vorstandsvorsitzende nannte die Entwicklung „gefährlich“, Infineon-Chef Hanebeck verurteilte die „Remigrations“-Pläne als „unmenschlich“ und der Geschäftsführer des Düsseldorfer Flughafens bezeichnete sie als „Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland“2.

Arbeiterinnen und Arbeiter sollten sich von solchen Aussagen nicht täuschen lassen – das Kapital und seine politischen Erfüllungsgehilfen sind und bleiben ihre Feinde.

Wir begrüßen es grundsätzlich, dass viele Menschen gegen Rassismus und gegen die AfD auf die Straße gehen, darunter auch viele unserer Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben. Dass eine Partei mit einem so offen rassistischen, chauvinistischen und arbeiterfeindlichen Programm kontinuierlich an Mitgliedern gewinnt, regelmäßig neue Wahlerfolge feiert und auch in den Prognosen für die kommenden Wahlen in diesem Jahr hoch gehandelt wird, das ist in der Tat Grund genug, demonstrieren zu gehen. Viele tun das mit einem antifaschistischen Selbstverständnis – auch das ist angebracht bei einer Partei, die immer offener faschistische Töne anschlägt. Es ist aber ein Problem, wenn der Faschismus nur als Machenschaft schlechter Menschen gesehen wird und nicht als eine Form der kapitalistischen Herrschaft – als Folge desselben Systems und der gleichen Politik, für die auch CDU, FDP, SPD, Grüne, letztlich auch Linkspartei und Wagenknecht stehen. Nur so ist es zu erklären, dass Vertreter der Regierung als Redner eingeladen wurden, an den Demos teilnahmen und auch noch bejubelt wurden. Das ist absurd, denn es ist genau diese Ampelregierung, die die Rechtsentwicklung in Deutschland vorantreibt. Das jüngste Beispiel dafür ist das im Januar mit Ampelmehrheit verabschiedete „Rückführungsverbesserungsgesetz“, mit dem sie Abschiebungen verschärfen wird, ganz im Sinne ihres SPD-Kanzlers Scholz, der im Oktober 2023 Abschiebungen „im großen Stil“ ankündigte. Konkret heißt das Gesetz zum Beispiel: Abschiebungen können unangekündigt durchgeführt werden (nur Familien mit Kindern unter 12 Jahren werden noch vorgewarnt), es gibt keine aufschiebende Wirkung bei Widerspruch oder Klage gegen ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot, und Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften bekommen zukünftig weniger Geld. Auch die Ende Januar von den Ländern beschlossene Bezahlkarte, die Bargeldauszahlungen aushebeln soll, schlägt in die gleiche Kerbe und soll Geflüchtete davor abschrecken nach Deutschland zu kommen, wie Pro Asyl zu Recht kritisiert3.

Die bürgerlichen Parteien sind keine Feuerlöscher, sie sind Brandbeschleuniger

Der angebliche Antirassismus der Ampelparteien ist an Heuchelei kaum zu übertreffen. In den letzten Monaten gab es heftigste Repression gegen die Solidaritätsbewegung mit Palästina: Organisationen wurden verboten, Demonstrationen von der Polizei angegriffen, hunderte Menschen wurden festgenommen, es gab zahlreiche Hausdurchsuchungen und Prozesse, und im Januar wurden Pro-Palästina-Demonstranten bei der Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demo in Berlin von der Polizei fast totgeschlagen. Diese Repression richtet sich auch gegen die politische Aktivität von Migrantinnen und Migranten in Deutschland, gegen ihre eigenständigen Organisationen, gegen Kultureinrichtungen. Viele der Betroffenen wollten sich an den breiten Demonstrationen gegen Rassismus der letzten Wochen beteiligen. In mehreren Städten wurden sie dabei erneut angegriffen und kriminalisiert, sowohl von der Polizei und teilweise sogar von Demoteilnehmern, die unter „Antirassismus“ offenbar vor allem die Zustimmung zur Politik der Regierung verstehen.

Der abstoßende Höhepunkt der Verlogenheit ist dabei: Während SPD, Grüne und FDP das Schreckgespenst eines neuen „Dritten Reiches“ an die Wand malen, sind sie es, die hier und jetzt einen real stattfindenden Völkermord in Gaza mit aller Kraft unterstützen. Sie beliefern Israel mit den Waffen, um diesen Völkermord umzusetzen – einen rassistischen Apartheidsstaat mit einer rechtsextremen Regierung, der bereits genau das darstellt, was die Faschisten in der AfD hierzulande gerne umsetzen würden. Die „Ampel“ ist nicht der Gegenpol zum Faschismus, sondern nur die andere Seite derselben rechten Medaille.

Warum spitzen sich die politischen Auseinandersetzungen zu?

Es ist kein Zufall, dass das gesamte bürgerliche Spektrum nach rechts rückt, Ideen und Argumente von Rechtspopulisten aufgreift und faschistische Kräfte an Einfluss gewinnen. Alle diese Prozesse hängen miteinander zusammen und verstärken sich gegenseitig. Hintergrund ist eine Zuspitzung der Gegensätze zwischen den kapitalistischen Staatenblöcken auf internationaler Ebene. Der Kampf um Marktanteile und politischen Einfluss zwischen diesen Blöcken wird härter. Der Aufstieg insbesondere des kapitalistischen China und die „America first“-Strategie der USA mindern die Profite der deutschen Konzerne. Die Sanktionen gegen Russland machen Energie teuer und drücken die Marktanteile.

Der Kampf um die Aufrechterhaltung der Profite des deutschen Kapitals muss daher zwangsläufig in einen verschärften Kampf der Kapitalgruppen untereinander und einen verschärften Kampf um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse münden. Die verschärfte Konkurrenz auf internationaler Ebene führt dazu, dass auch hierzulande die „Ellbogengesellschaft“ spürbarer wird, dass es scheinbar leichter ist, nach unten zu treten, als sich gemeinsam als Arbeiterklasse zu organisieren und gegen die Angriffe auf unseren Lebensstandard solidarisch zur Wehr zu setzen. Das ist der Nährboden, auf dem Rassismus und Faschismus wachsen und gedeihen können.

Welche Rolle haben die AfD und die anderen bürgerlichen Parteien?

Durch die Verschärfung des Kampfes um Profite gibt es Zerfallserscheinungen bei den politischen Parteien der BRD und gleichzeitige Neuformierungen beispielsweise von AfD, Werteunion und BSW. Der Aufstieg dieser neuen Akteure erklärt sich auf der einen Seite durch den Kampf um die politische Linie im weltweiten Konkurrenzkampf des Kapitals: Mit oder gegen die USA, mit wem in der EU, mit China oder gegen China?

Auf der anderen Seite gelingt es der klassischen Sozialdemokratie immer weniger, die Arbeiterklasse einzubinden. Die neue Partei von Sahra Wagenknecht stellt deshalb unter anderem den Versuch dar, unzufriedene Teile der Arbeiterklasse neu in das kapitalistische System zu integrieren und ihre Unzufriedenheit in harmlose Bahnen zu lenken. Durch ihre Angriffe gegen Gewerkschaften und andere Organisationen der Arbeiterklasse spielt gleichzeitig die AfD eine wichtige Rolle für die Stabilisierung des Kapitalismus. Indem sie ebenfalls Unzufriedene um sich sammelt und den Rassismus schürt, spaltet sie die Bevölkerung und die arbeitende Klasse, sie lenkt so berechtigtes Protestpotenzial in eine für das Kapital ungefährliche und zutiefst reaktionäre Richtung.

Um die Ausbeutung der Arbeiterklasse verschärfen zu können, ist es für das Kapital wichtig, die ideologische Spaltung der Arbeiterklasse zu verstärken. Die Migrationsdebatte und die Sanktionsdebatte rund um das Bürgergeld sind Ausdruck dieses allgemeinen ideologischen Angriffs. Hier spielen sich AfD, CDU, SPD und Grüne die Bälle gegenseitig zu. So können etwa SPD und Grüne gleichzeitig die Abschiebung von Geflüchteten verschärfen oder acht Monate Sanktionsregime gegen Bürgergeldempfänger beschließen und dann einen Tag später auf den Demonstrationen behaupten „Wir stehen alle zusammen“.

Für den Aufstieg der AfD tragen die sogenannten demokratischen Parteien selbst die größte Verantwortung. Sie sind es, die mit ihrer Politik die Interessen des Kapitals gegen die breite Masse des Volkes vertreten, mit dem über kurz oder lang unvermeidlichen Resultat, dass wachsende Teile der Bevölkerung unzufriedener und die Orientierungslosen reihenweise in die Arme der AfD getrieben werden. Auch die Orientierung und politische Praxis der Partei „Die Linke“, sich an Landesregierungen zu beteiligen und das gleiche auf Bundesebene anzustreben, hat dazu beigetragen, dass sich die AfD heute als scheinbar einzige Opposition inszenieren kann, denn diese Regierungsbeteiligungen bedeuteten real, selbst die reaktionäre Politik umzusetzen, die man doch vorgab zu bekämpfen. Und natürlich wird auch eine Regierung unter Führung oder mit Beteiligung der AfD eine Regierung für das Kapital sein und mit brutalen Angriffen auf die Arbeiterklasse und ihre Organisationen einhergehen.

Warum kann die AfD Teile der Arbeiterklasse erreichen?

Seit der Agenda 2010 gibt es einen hohen Anteil prekär Beschäftigter – in Befristung, in Leiharbeit oder in Betrieben ohne starke Gewerkschaften und Betriebsräte. Gerade unter diesen Kolleginnen und Kollegen ist der Anteil an AfD-Sympathisanten höher, obwohl die reale AfD-Politik sich explizit gegen ihre Interessen richtet. Die AfD ist erfolgreich in Regionen, in denen die Perspektivlosigkeit groß ist, die Chancen für junge Menschen gering sind und wo wichtige Infrastruktur für Familien und Kinder, kleine Unternehmen und Handwerker verschwindet. Die arbeiterfeindliche Politik der bürgerlichen Regierungen ist der Nährboden des Faschismus.

Wie müssen wir kämpfen?

Wir müssen die Teile der Arbeiterklasse stärken, die heute aus einer ehrlichen Empörung über den Rassismus auf die Straße gehen. Der Kampf gegen die Politik der Spaltung darf aber nicht bei der AfD stehenbleiben, sondern muss sich auch gegen die rassistische und arbeiterfeindliche Politik der Regierung und aller bürgerlichen Parteien richten. Wir müssen die Debatten zuspitzen und zeigen, dass es die Politik der Regierung ist, die den Aufstieg der AfD begünstigt.

Große Teile der Arbeiterklasse sind zu Recht enttäuscht von den Regierungsparteien oder der sogenannten linken Opposition. Viele sind bereit, die AfD zu wählen. Hier muss es uns gelingen, unsere realen gemeinsamen Interessen als Arbeiterinnen und Arbeiter zu artikulieren und Auswege aus der gefühlten Ohnmacht aufzuzeigen.

Die AfD tritt für Steuersenkungen für Reiche ein, sie will staatliche Unterstützungsmaßnahmen begrenzen und sie tritt aktiv gegen gewerkschaftliche Organisierung auf. Die Entlarvung der arbeiterfeindlichen Politik der AfD, der Regierungsparteien und der bürgerlichen Opposition gelingt am besten in realen politischen und gewerkschaftlichen Kämpfen. In konkreten Auseinandersetzungen in Gewerkschaft und Betrieb, Schule, Uni und Nachbarschaft, können und müssen wir Klassensolidarität entwickeln, um erfolgreich zu sein. Dadurch beweisen wir praktisch, wie wichtig Solidarität ist und wie schädlich die rechte Spaltung ist. Klar ist aber auch, dass wir insbesondere in gewerkschaftlichen Kämpfen mit bürgerlichen Kräften im sozialdemokratischen Gewand konfrontiert sind. Einmal mehr zeigt sich die Notwendigkeit einer Kraft, die die bewusstesten Teile der Arbeiterklasse vereint, die Kommunistische Partei. Sie aufzubauen ist vorrangige Aufgabe unserer Zeit und der Kommunistischen Organisation, denn nur so werden wir sowohl der rechten Hetze und faschistischen Bedrohung als auch der sozialdemokratischen Vereinnahmung von Kämpfen wirksam entgegentreten können.

Gegen die rassistische Spaltung und faschistische Bedrohung!

Gegen alle bürgerlichen Parteien und ihre Vereinnahmung der Proteste!

Für eine kämpferische Arbeiterbewegung und die Kommunistische Partei!

1https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/

2https://www.deutschlandfunk.de/wirtschaft-wendet-sich-gegen-afd-100.html

3https://www.proasyl.de/news/bezahlkarte-ohne-standards-laender-vereinbaren-diskriminierungskonzept/

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