25 Jahre NATO-Bomben auf Jugoslawien – der deutsche Imperialismus hat Blut an seinen Händen!

Stellungnahme der Zentralen Leitung vom 24. März 2024

English version below

Heute vor 25 Jahren, am 24. März 1999, begann das Bombardement der NATO auf die Bundesrepublik Jugoslawien. Für die deutsche Bundeswehr war es der erste Kampfeinsatz seit ihrer Gründung, der Angriff war die erste aktive deutsche Kriegsbeteiligung seit 1945. Er war nicht einmal durch ein Mandat der Vereinten Nationen gedeckt – die bis zum 10. Juni ’99 andauernden Luftangriffe auf jugoslawisches Territorium waren damit ganz offiziell völkerrechtswidrig. Ihr Ergebnis waren zahlreiche Tote, viele davon Zivilisten, eine unbekannte Zahl an zum Teil schwer Verletzten, außerdem zerstörte Infrastruktur und Industrie, nicht zuletzt beschädigte Chemie-Anlagen und eine dadurch entstandene akute Bedrohung für Umwelt und Gesundheit, langfristige Gefahren durch Blindgänger von Streubomben und Traumata bei den Überlebenden.1

Die Lüge von humanitären Bomben

Als Rechtfertigung dafür, Kriegsverbrechen und langfristige Schäden durch Bombardements in Kauf zu nehmen, diente den NATO-Strategen eine angeblich drohende humanitäre Katastrophe im Kosovo. Tatsache ist, dass die angeführten Belege dafür (wie der sogenannte Hufeisenplan zur systematischen Vertreibung von Kosovo-Albanern) im Nachhinein als Lügen entlarvt wurden. Doch die damalige deutsche „linke“ Bundesregierung, eine Koalition von SPD und Grünen, befeuerte die moralische Rechtfertigung so lange, bis der Angriffskrieg legitimiert werden konnte. Sie scheute sich auch nicht, die eigene Geschichte des deutschen Imperialismus, die angeblichen Verpflichtungen aus Zweitem Weltkrieg und Holocaust so zurechtzubiegen, dass das monatelange Bombardement auf serbische Zivilisten mit „Nie wieder Auschwitz“ (Vizekanzler Fischer) begründet werden konnte. Bereits in den Jahren zuvor wurde die serbisch-jugoslawische Regierung immer wieder mit dem deutschen Faschismus gleichgesetzt.

Es zeigen sich bestimmte Muster in der Kriegsrhetorik: Wo der deutsche Imperialismus einen Feind ausmacht, da ist der Faschismus-Vergleich nicht weit. Sei es bei der gern angewandten Gleichsetzung Putins mit Hitler im imperialistischen Ukrainekrieg oder der Unterstützung von Israels Krieg in Gaza unter der Losung „Nie wieder ist jetzt“, als ob die palästinensische Befreiungsbewegung in irgendeiner Weise mit den Verbrechen des deutschen Faschismus verglichen werden könnte.

Der nach 1945 formulierte Anspruch „Von Deutschland darf nie wieder ein Krieg ausgehen“ wurde im Bombenhagel von 1999 nicht nur endgültig beerdigt, sondern ins Gegenteil gedreht, sodass der deutsche Imperialismus neue Kriege mit der alten eigenen Schuld zu legitimieren begann. Kriege zu führen unter dem Schlachtruf der Humanität hat sich seitdem für die Imperialisten weltweit immer wieder bewährt. Besonders die NATO-Interventionen in Afghanistan, Libyen, Syrien etc. sind traurige Beispiele dafür, aber auch die russische Führung begann ihren mörderischen Angriff auf die Ukraine zum angeblichen Schutz der Bevölkerung im Donbass.

Kriegstreiber für deutsche Kapitalinteressen

Tatsächlich aber ging es der Bundesregierung und ihren NATO-Verbündeten 1999 weder um Menschenrechte im Kosovo noch um Stabilität oder gar Frieden. Der Zerfall Jugoslawiens lag ganz konkret im Interesse des deutschen Kapitals und seine politischen Vertreter trugen aktiv dazu bei, wie sich bereits bei ihrer prompten und vielfach kritisierten Anerkennung der Abspaltung Sloweniens und Kroatiens Anfang der 90er zeigte. Das Bombardement von 1999 war der blutige Höhepunkt der deutsch-imperialistischen Einmischung, die die Abtrennung Kosovos und schließlich den endgültigen Zerfall Jugoslawiens vorantrieb. Entgegen allen Verlautbarungen über Selbstbestimmung und Frieden dient Kosovo der NATO heute als wichtiger Stützpunkt, dessen Ende nicht absehbar ist – das Kontingent deutscher Soldaten wird im April dieses Jahres nochmals aufgestockt.

Die aus Jugoslawien hervorgegangen Staaten waren ausreichend geschwächt, um den Zugriff deutscher und anderer Kapitalisten auf ihre Märkte, Rohstoffe und Arbeitskräfte zu sichern. Die EU-Osterweiterung integrierte einige Balkanländer in die für das deutsche Kapital so nützliche Freihandelszone. Wir sehen heute, dass die BRD einer der wichtigste Handelspartner der Westbalkan-Länder ist, für Serbien sogar der wichtigste. Deutsche Unternehmen steigern ihre Profite indem sie Arbeiterinnen und Arbeiter für einen Bruchteil deutscher Löhne ausbeuten und sich das zum Teil noch von den heimischen Regierungen subventionieren lassen. Der deutsch-imperialistische Griff nach Südosteuropa ist keine Neuheit: Pläne für wirtschaftliche „Kooperationen“ Deutschlands mit den Ländern des Balkans reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück und die militärische Unterwerfung der Region war ein wichtiger Teil deutsch-imperialistischer Expansion in den zwei Weltkriegen.

Kapitalismus bedeutet Krieg

1990 verleibte sich die BRD die DDR ein, neun Jahre später stand Deutschland wieder im Krieg. Das Ende des Sozialismus in einem Teil von Deutschland eröffnete dem deutschen Imperialismus die Möglichkeit des Wiederaufstiegs. Zweimal endete das Hegemonialstreben des deutschen Kapitals im Weltkrieg und schließlich in seiner eigenen Niederlage. Doch mit dem Ende des Sozialismus in Europa war der Weg für die deutschen Kapitalisten frei, wieder in vollem Umfang auf osteuropäische Märkte zuzugreifen. Der Wegfall der sozialistischen Staatengemeinschaft ermöglichte es, diesen Zugriff notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Der Angriff von 1999 erinnert in aller Schärfe daran, dass den Kapitalisten jedes Mittel recht ist, ihre Interessen durchzusetzen und dass das deutsche Kapital – allen Tiraden von Humanität und Menschenrechten zum Trotz – hier keine Ausnahme darstellt.

Auch der blutige Zerfall Jugoslawiens selbst ist nicht zu erklären ohne die Wiedergeburt des Kapitalismus in seinen Teilrepubliken. Obwohl die Zeit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien unter Tito und danach alles andere als widerspruchsfrei verlief und die Ursachen ihrer Niederlage letztendlich in eigenen Fehlentwicklungen zu suchen sind: Die verheerenden Kriege der 90er Jahre waren das Resultat von Kapitalinteressen. Sie waren der Nährboden für nationalistische und separatistische Bestrebungen.

Alle politischen Kräfte, die den Kapitalismus stützen, stützen am Ende immer den Krieg – egal, wie progressiv, humanitär oder volksnah sie sich geben. Dass es ausgerechnet die vermeintlich „linke“ Bundesregierung von SPD und Grünen war, die den ersten deutschen Krieg nach 1945 führte, spricht Bände. Beide Parteien sind ihrer Kriegstreiberei treu geblieben: vom Einmarsch in Afghanistan 2001 bis zur deutschen Kriegsbeteiligung in der Ukraine begleitet von massiver Aufrüstung und Militarisierung. Beide Parteien sprachen von Genozid, als es um eine Legitimation für den Angriff auf Jugoslawien 1999 ging, beide leugnen den heute vor unseren Augen von den Besatzern verübten Genozid in Palästina. Die Lehre aus 1999 und allen Kriegen der Imperialisten muss sein:

  • Kein Vertrauen in irgendeine Partei des Kapitals! Nur eine Kommunistische Partei kann zur konsequenten Stimme gegen die Kriege des Kapitals werden – bauen wir sie auf!
  • Keine Unterstützung für die Kriege der Imperialisten! Für sie ist keine Moralkeule zu schwer, um ihre Bombardements zu rechtfertigen und sei es die Verdrehung ihrer eigenen historischen Verantwortung. Egal, wie die Verlautbarungen aussehen mögen: Sie scheren sich einen Dreck um die Menschen in den Kriegsgebieten, sondern nur um ihre Profite. Das galt für Jugoslawien. Das gilt für die Ukraine, wo Russland und die NATO im Kampf um Einfluss das Land dem Erdboden gleichmachen. Und das gilt für Palästina, wo Israel mit deutscher Unterstützung seinen Vernichtungskrieg gegen Gaza führt.
  • Benennen und bekämpfen wir die Kriegstreiber hierzulande! 1999 hat die BRD angefangen, offen Krieg zu führen – und seitdem nie wieder damit aufgehört. Um das zu stoppen und zukünftiges Blutvergießen zu verhindern, brauchen wir eine starke und bewusste Arbeiterbewegung. Sie muss den deutschen Kriegstreibern in den Rücken fallen und dem Krieg den Nährboden entziehen – also die Kapitalisten entmachten. Hier und in jedem Land, das heute unter ihrer Herrschaft steht.

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25 years of NATO bombs on Yugoslavia – German imperialism has blood on its hands!

The NATO bombing of the Federal Republic of Yugoslavia began 25 years ago today, on 24 March 1999. It was the first combat mission for the German Bundeswehr since it was founded, and the first active German involvement in war since 1945. It was not even covered by a United Nations mandate – the air strikes on Yugoslav territory, which lasted until 10 June 1999, were therefore officially illegal under international law. The result: numerous deaths, many of them civilians, an unknown number of injured, some of them seriously, as well as destroyed infrastructure and industry, not least damaged chemical plants posing an acute threat to the environment and health, long-term dangers from unexploded cluster bombs and trauma for the survivors.2

The lie of humanitarian bombs

NATO strategists used the alleged threat of a humanitarian catastrophe in Kosovo as a justification for accepting war crimes and long-term damage caused by the bombing. The fact is that the evidence cited for this (such as the so-called Operation Horseshoe for the systematic expulsion of Kosovo Albanians) was subsequently exposed as lies.3 But the “left” federal government of the time, a coalition of the SPD and the Greens, fuelled the moral justification until the war of aggression could be legitimised. It was not afraid to bend its own history of German imperialism, its alleged obligations from the Second World War and the Holocaust, so that the month-long bombardment of Serbian civilians could be justified with “Nie Wieder Auschwitz” (Never again Auschwitz), as stated by Vice-Chancellor Fischer. In previous years, the Serbian-Yugoslavian government had already been repeatedly equated with German fascism.

Certain patterns are evident in the rhetoric of war: wherever German imperialism identifies an enemy, the comparison with fascism is always close at hand. Whether it is the popular equation of Putin with Hitler in the imperialist war in Ukraine or the support for Israel’s war in Gaza under the slogan “Nie wieder ist jetzt” (Never again is now), as if the Palestinian liberation movement could in any way be compared to the crimes of German fascism.

The demand formulated after 1945 that “Germany must never again start a war” was not only finally buried in the hail of bombs of 1999, but turned into its opposite, so that German imperialism began to legitimise new wars with its own old guilt. Waging war under the banner of humanity has proved its worth for the imperialists worldwide time and again since then. The NATO interventions in Afghanistan, Libya, Syria, etc. are particularly sad examples of this, but the Russian leadership also launched its murderous attack on Ukraine to supposedly protect the population in Donbass.

Warmongers for German capital interests

In fact, however, the German government and its NATO allies were not concerned with human rights in Kosovo in 1999, nor with stability or even peace. The disintegration of Yugoslavia was specifically in the interests of German capital, and its political representatives actively contributed to it, as already demonstrated by their prompt and widely criticised recognition of the secession of Slovenia and Croatia in the early 1990s. The bombing of 1999 was the bloody climax of German imperialist interference, which promoted the secession of Kosovo and ultimately the final disintegration of Yugoslavia. Contrary to all proclamations of self-determination and peace, Kosovo today serves as an important NATO base and there is no end in sight – the contingent of German soldiers will be increased again in April this year.

The states that emerged from Yugoslavia were sufficiently weakened to secure German and other capitalist access to their markets, raw materials and labour. The eastward expansion of the EU integrated some Balkan countries into the free trade zone so useful to German capital. Today we see that Germany is one of the most important trading partners of the Western Balkans, and even the most important for Serbia.4 German companies increase their profits by exploiting workers for a fraction of German wages and in some cases are subsidized by domestic governments.5 German imperialism’s grip on south-eastern Europe is nothing new: Germany’s plans for economic “cooperation” with the countries of the Balkans date back to the 19th century, and the military subjugation of the region was an important part of German imperialist expansion in the two world wars.

Capitalism means war

In 1990 the FRG annexed the GDR and nine years later Germany was at war again. The end of socialism in one part of Germany opened up the opportunity for German imperialism to rise again. Twice German capital’s quest for hegemony ended in world war and ultimately in its own defeat. But with the end of socialism in Europe, the way was clear for German capitalists to regain full access to Eastern European markets. The end of the socialist community of states made it possible to enforce this access by force if necessary. The 1999 attack is a stark reminder that capitalists will use any means necessary to advance their interests, and that German capital – despite all the rhetoric about humanity and human rights – is no exception.

The bloody disintegration of Yugoslavia itself cannot be explained without the rebirth of capitalism in its constituent republics. Although the period of the Socialist Federal Republic of Yugoslavia under Tito and afterwards was anything but free of contradictions, the causes of its defeat are ultimately to be found in its own undesirable developments: The devastating wars of the 1990s were the result of capital interests. They were the breeding ground for nationalist and separatist aspirations.

All political forces that support capitalism always end up supporting war – no matter how progressive, humanitarian or popular they claim to be. The fact that it was the supposedly “left” federal government of the SPD and the Greens that waged the first German war since 1945 speaks volumes. Both parties have remained true to their warmongering: from the invasion of Afghanistan in 2001 to Germany’s involvement in the war in Ukraine, accompanied by massive armament and militarisation. Both parties spoke of genocide when it came to legitimising the attack on Yugoslavia in 1999, both deny the genocide being perpetrated by the occupiers in Palestine before our eyes today. The lesson of 1999 and all imperialist wars must be:

  • No trust in any party of capital! Only a Communist Party can become a consistent voice against the wars of capital – let’s build it!
  • No support for the imperialists’ wars! No moral pretext is too hollow for them to justify their bombings, even if it means distorting their own historical responsibility. Whatever the excuses, they don’t care about the people in the war zones, only about their profits. This was true of Yugoslavia. It applies to Ukraine, where Russia and NATO are razing the country to the ground in a battle for influence. And it applies to Palestine, where Israel, with German support, is waging a war of annihilation against Gaza.
  • Let’s name and fight the warmongers in this country! In 1999, the FRG began waging war openly – and has never stopped since. To stop this and prevent future bloodshed, we need a strong and conscious labor movement. It must turn its back on the German warmongers and remove the breeding ground for war – in other words, disempower the capitalists. Here and in every country that is under their rule today.
  1. https://www.jutta-ditfurth.de/allgemein/Ditfurth-Gruene-Krieg-20060326.pdf ↩︎
  2. https://www.jutta-ditfurth.de/allgemein/Ditfurth-Gruene-Krieg-20060326.pdf ↩︎
  3. Cf. for example the ARD documentary “Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg – Es begann mit einer Lüge” [It began with a lie: Germany’s path to the Kosovo war”], online e.g. at https://www.youtube.com/watch?v=ZtkQYRlXMNU. ↩︎
  4. e.g. with regard to imports: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/796545/umfrage/wichtigste-importlaender-fuer-serbien/ ↩︎
  5. e.g. in Serbia through investment subsidies Cf. https://www.dw.com/de/serbien-wird-für-deutsche-unternehmen-noch-attraktiver/a-67149836. ↩︎

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