Der Staat zeigt sein repressives Gesicht

Stellungnahme der Zentralen Leitung der KO
vom 20. Oktober 2023

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Seit dem 7. Oktober erleben wir in Deutschland und anderen Ländern eine beispiellose Welle der Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung, die in ihrem Ausmaß selbst die Repressionen nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine in den Schatten stellt. Damals, 2022, wurden etwa nicht nur russische, sondern auch sowjetische und teilweise sogar allgemein rote Fahnen auf Demos verboten. Der Staat machte wenig Hehl daraus, dass er den Krieg in der Ukraine gerne als Vorwand ausgenutzt hat, um gegen links vorzugehen.

Heute gehen die Herrschenden einen Schritt weiter. Nicht nur wurde sofort ein Betätigungsverbot für die Hamas in Deutschland angekündigt, während rechtsradikale prozionistische Lobbyorganisationen wie die Deutsch-Israelische Gesellschaft weiter hofiert werden, auch das linke palästinensische Gefangenensolidaritätsnetzwerk Samidoun soll verboten werden1. Palästinensische Aktivisten sind nun als angebliche „Terror-Unterstützer“ akut von Abschiebung bedroht – sie sollen in das Kriegsgebiet zurückgeschickt werden, aus dem sie zumeist unter Lebensgefahr geflohen sind, weil sie es wagen, gegen die Besetzung ihres Landes, die Ermordung ihrer Verwandten und Freunde auch in Deutschland noch die Stimme zu erheben.

Wie sieht es aus mit der Meinungsfreiheit?

In ganz Deutschland wurden in den letzten Tagen propalästinensische Demonstrationen von der Polizei verboten, mit der Begründung, dass die Gefahr bestehe, dass dort Straftaten verübt wurden. Ganz an den Haaren herbeigezogen ist das nur deshalb nicht, weil die Solidarität mit Palästina selbst in Deutschland zunehmend als Verbrechen definiert wird: So wird die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ bereits als Volksverhetzung verfolgt, was mit der dreisten Lüge begründet wird, es handle sich um Antisemitismus. Auch ein Genosse der KO wurde bereits in der Vergangenheit wegen dieser Parole vor Gericht gestellt2. In Wirklichkeit richtet die Parole sich keineswegs gegen Juden, sondern wird von Vertretern einer Ein-Staaten-Lösung, das heißt eines vereinten Staates für Juden und Palästinenser vertreten. In einigen Städten wurden am Samstag die Kundgebungen für Palästina verboten, und erst kurzfristig vorher vom Gericht zugelassen. Dadurch war es für viele, die von weiter her anreisten, nicht möglich, rechtzeitig am Kundgebungsort zu erscheinen. In Köln hat daraufhin eine Gruppe von Aktivisten versucht, eine neue Kundgebung bei der Polizei anzumelden. Die Polizei hat das Verfahren stundenlang verschleppt und am Ende kurzerhand alle politischen Kundgebungen zu jedem beliebigen Thema für den Rest des Tages verboten. In Hamburg wurden vom 16. bis (vorläufig) zum 22.10. die ganze Woche lang alle palästinasolidarischen Kundgebungen verboten, wobei sich die Polizei auf den bereits Tage zurückliegenden weltweiten Aktionstag der Hamas vom 13.10. beruft und dreist die längst widerlegte Propagandalüge in ihrer Begründung anführt, wonach die Hamas für diesen Tag zu „weltweiten Gewalttaten gegen Juden“ aufgerufen habe. In Berlin wurden bisher alle Kundgebungen und Demos in Solidarität mit dem palästinensischen Volk verboten, ebenso das Zeigen der palästinensischen Fahne – immerhin die Fahne eines von 138 Ländern als Staat anerkannten Gebildes und obwohl die Autonomiebehörde an der Offensive vom 7. Oktober nicht beteiligt war –, die Kufiyah und alle anderen palästinensischen Symbole. Glücklicherweise gibt es bereits eine Initiative von Lehrerinnen und Lehrern, die sich gegen die rassistische Maßnahme wehren und das Kollegium zum demonstrativen Tragen der Kufiyah auffordern. An einem Berliner Gymnasium schlug ein Lehrer einem Schüler mit der Faust ins Gesicht, weil er eine palästinensische Fahne trug, worauf der Schüler sich zur Wehr setzte. Daraufhin wurde, trotz Dokumentation des Vorfalls auf Video, der Schüler vom Unterricht suspendiert, während der gewalttätige Lehrer wohl keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten hat. In Frankfurt wurde eine Aktivistin, die sich bei einer Pressekonferenz nicht von der Hamas distanzieren wollte, vor laufenden Kameras von der Polizei abgeführt. Selbstverständlich ist nicht davon auszugehen, dass proisraelische Kundgebungen, die im Einklang mit der Außenpolitik des deutschen Imperialismus sind, ebenfalls Einschränkungen zu befürchten haben. Noch ist davon auszugehen, dass die Polizei Anzeige wegen der Billigung von Kriegsverbrechen wie der Blockade Gazas, der Bombardierung von Krankenhäusern und der gewaltsamen Vertreibung aus dem Norden Gazas erstatten wird, die auf diesen Kundgebungen stattfinden werden. Die Lüge von der „unpolitischen Polizei“, die lediglich „Recht und Ordnung“ durchsetzt, entlarvt sich dieser Tage erneut: Ihr „Recht“ ist das Recht zur bedingungslosen Unterstützung der Außenpolitik der herrschenden Klasse, ihre „Ordnung“ ist die des Obrigkeitsstaates, der im Zweifel jeden wirksamen Widerstand mit Repressionen überzieht.

Und weitere Repressionen sind in der Diskussion: Die CSU fordert in ihrem „Vier-Punkte-Plan“, Kritiker des Apartheidsregimes gleich wegzusperren (mindestens sechs Monate Haft). Der Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft aber auch die Gewährung von Asyl soll davon abhängig gemacht werden, ob der Antragssteller sich zum „Existenzrecht“ des siedlerkolonialen Apartheidsstaates Israel bekennt3. In der Konsequenz soll politisch Verfolgten also nach dem faschistoiden Willen der CSU selbst das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit entzogen werden, wenn es jemand wagt, dem mörderischen Besatzungsregime den Treueeid zu verweigern.

Worum geht es den Herrschenden und ihrem Staat?

Natürlich wissen die Behörden ebenso wie die CSU sehr genau, dass Solidarität mit Palästina nichts mit Antisemitismus zu tun hat. Sie wissen sehr genau, dass die allermeisten der Aktivisten, die in Deutschland die Forderung nach einem freien Palästina auf die Straße haben, keine Judenhasser sind. Ihnen geht es aber auch eben nicht um einen Kampf gegen den Antisemitismus, denn diesen findet man nach wie vor bei Nazis wie der NPD deren Verbot seinerzeit faktisch durch den Verfassungsschutz verhindert wurde. Tatsächlich geht es dem Staat darum, die kämpferische Haltung und Solidarität unter palästinensischen und anderen arabischen und muslimischen Migranten mit Gewalt zu brechen und diesen Menschen deutlich zu machen: Entweder ihr haltet den Mund, oder wir schicken euch dahin, wo ihr oder eure Eltern hergekommen seid. Es geht ihm darum, den legitimen Widerstand des palästinensischen Volkes per se zu kriminalisieren – wobei die zivilen Opfer auf israelischer Seite selbstverständlich nur ein willkommener Vorwand sind, denn in Wirklichkeit versucht der Staat, jeden Widerstand gegen Besatzung und Kolonialismus zu unterdrücken. Es geht ihm darum, die Solidaritätsbewegung in Deutschland zu spalten und Palästinasolidarität zu unterbinden. Es geht letzten Endes auch darum, den Kampf von Kommunisten in Deutschland weiter zu kriminalisieren und zu schwächen, weil wir fest an der Seite des palästinensischen Volkes stehen, weil wir die Kriegspolitik der deutschen Imperialisten, ihre Unterstützung des israelischen Staatsterrors und des rechtsradikalen ukrainischen Regimes, ihre Heuchelei, ihre Lügen und ihre rassistische Propaganda entlarven und angreifen. Dabei sind nicht wir es, die sich dafür rechtfertigen müssen, weiterhin an der Seite der Unterdrückten gegen die Mörder, Ausbeuter und Unterdrücker zu stehen. Jetzt in die Defensive zu gehen, ist die denkbar falscheste Antwort – denn es sind die Herrschenden, auch hier in Deutschland, deren Hände nur so triefen vom Blut wehrloser Zivilisten und Hunderter Kinder, die gerade bestialisch im Gazastreifen abgeschlachtet werden.

Ihrer Repression nicht nachgeben!

Machen wir uns jedoch nichts vor: Das politische Klima wird rauer, der herrschende Diskurs verschiebt sich rasant nach weit rechts und die Spielräume für legale Betätigung werden kleiner. Die Klassendiktatur hat ihre demokratische Maske in den vergangenen Tagen ein Stück weit abgezogen und hoffentlich einigen Aktivisten ihre Illusionen genommen: In der bürgerlichen Demokratie stehen unsere demokratischen Rechte immer zur Disposition und können auch wieder entzogen werden, wenn die Herrschenden sich für eine autoritärere Variante des Klassenstaates entscheiden. Dass die zukünftigen Kampfbedingungen schwieriger werden, dass wir in Zukunft wohl mit weiteren Demonstrations-, Rede- und auch Organisationsverboten rechnen müssen, darauf sollten sich alle einstellen, die vorhaben, weiterhin gegen Kapitalismus und Krieg zu kämpfen.

Wir lassen uns unseren Kampf nicht verbieten und geben keinen Zentimeter nach!

Nieder mit der staatlichen Repression!

Freiheit für Palästina!

1 https://kommunistische.org/stellungnahmen/gegen-das-verbot-der-palaestinensischen-organisation-samidoun/

2 https://kommunistische.org/allgemein/tadamun-ist-solidaritaet/

3 https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2023-10/60370354-csu-will-sechs-monate-haft-fuer-antisemitische-hetze-003.htm

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